Max Weber

Seine Schriften zur Wissenschaftslehre


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einordnen.

      7 Indem mit fortschreitender Erkenntnis der Zusammenhang, dem die Erscheinungen eingeordnet werden, in stets zunehmendem Maße in seinen charakteristischen Zügen erkannt wird.

      8 Indem mit zunehmender Erkenntnis des Charakteristischen der Erscheinung ihr individueller Charakter notwendig zunimmt.

      9 Wie Anmerkung 1.

      10 In dem – für den gewöhnlichen Sprachgebrauch ungewöhnlichen – Sinn des Wortes, welcher den Gegensatz gegen naturalistische Relationsbegriffe bezeichnet und z.B. das »Charakter«-Bild einer konkreten »Persönlichkeit« einschließt. – Der Terminus »Begriff«, heute so umstritten wie je, ist hier wie weiterhin für jedes durch logische Bearbeitung einer anschaulichen Mannigfaltigkeit zum Zweck der Erkenntnis des Wesentlichen entstehende, wenn auch noch so individuelle Gedankengebilde gebraucht. Der historische »Begriff« Bismarck z.B. enthält von der anschaulich gegebenen Persönlichkeit, die diesen Namen trug, die für unsere Erkenntnis wesentlichen Züge, hineingestellt als einerseits bewirkt, andererseits wirkend in den gesellschaftlich-historischen Zusammenhang. Ob auf die prinzipielle Frage, welches jene Züge sind, die Methodik eine Antwort bereit halten kann, ob es also ein allgemeines methodisches Prinzip gibt, nach welchem sie aus der Fülle der wissenschaftlich gleichgültigen herausgelesen werden, bleibt vorerst dahingestellt. (S. dagegen z.B. Ed. Meyer a.a.O.)

      11 Ich glaube, vorstehend mich ziemlich sinngetreu an die wesentlichen Gesichtspunkte der früher zitierten Arbeit Rickerts angeschlossen zu haben, soweit sie für uns von Belang sind. Es ist einer der Zwecke dieser Studie, die Brauchbarkeit der Gedanken dieses Autors für die Methodenlehre unserer Disziplin zu erproben. Ich zitiere ihn daher nicht bei jeder einzelnen Gelegenheit erneut, wo dies an sich zu geschehen hätte.

      12 Die praktische Wirkung einer derartigen Identifikation, wenn mit ihr einmal Ernst gemacht wird, auf die Art der historischen Darstellung kann man sich wohl am leichtesten an Lamprechts Deutscher Geschichte, I. Ergänzungsband, verdeutlichen, wo gewisse Eintagsfliegen der deutschen Literatur als »entwickelungsgeschichtlich wichtig« bezeichnet werden, weil ohne ihre – aus diesem Grunde theoretisch wertvolle – Existenz der angeblich gesetzlich gleichmäßige Ablauf der verschiedenen »Impressionismen« usw. in der Sozialpsyche nicht so konstruiert werden könnte, wie es der Theorie entspricht, und wo andererseits Persönlichkeiten, die wie Klinger, Böcklin u.a. der Theorie lästig sind, gewissermaßen als Mörtel in die Fugen zwischen die Konstruktionsteile geschoben werden: sie sind dem Gattungsbegriff »Uebergangsidealisten« eingeordnet, – und wo auch die Bedeutung von R. Wagners Lebenswerk »steht und fällt«: nicht etwa mit dem, was es uns bedeutet, sondern mit der Frage, ob es in einer bestimmten theoretisch postulierten »Entwicklungs«-Linie liegt.

      13 Jene oben erwähnte Bemerkung dagegen hat Roscher wenigstens in die prinzipiellen Erörterungen seines »Systems« nicht aufgenommen, woraus allein schon hervorgeht, daß es sich dabei und bei gelegentlichen ähnlichen Aeußerungen nicht um Aufstellung eines klaren methodischen Prinzips handelte.

      14 Ganz in Uebereinstimmung mit Rau fordert er, daß »unsere Lehren, Naturgesetze usw. immer so gehalten sein müssen, daß sie von den neueintretenden Veränderungen der Kameraldisziplin nicht gesprengt werden«. (S. Rau in seinem Archiv 1835, S. 37. Roscher daselbst 1845, S. 158).

      15 Die gleiche Anschauung – wennschon mit einigen Vorbehalten bezüglich der psychologischen Motivation – z.B. bei Schmoller in der Rezension des Kniesschen Werkes (in seinem Jahrbuch 1883, abgedruckt in »Zur Literatur der Staats- und Sozialwissenschaften«, S. 203 ff., vgl. insbes. S. 209) und bei Bücher, Entstehung der Volkswirtschaft, Vorrede zur ersten Auflage: »Sämtliche Vorträge beherrscht eine einheitliche Auffassung vom gesetzmäßigen Verlaufe der wirtschaftsgeschichtlichen Entwickelung«. Da die Anwendung des Terminus »Gesetz« auf eine einmalige Entwickelung auffällig wäre, so kann nur entweder gemeint sein: daß der gesetzlich bestimmte Ablauf der Entwickelung sich – wie Roscher dies annimmt – überall da in den wissenschaftlich wesentlichen, von B. behandelten Punkten wiederhole, wo eine Entwickelung überhaupt stattfinde, – oder (wahrscheinlicher) es ist, wie so oft, »gesetzliche« und »kausale« Bedingtheit identifiziert, weil wir von »Kausalgesetz« zu sprechen pflegen.

      16 Keineswegs überall und bei allen Vertretern der historischen Juristenschule, wohl aber bei ihren Nachfolgern auf dem Gebiete der Nationalökonomie.

      17 Siehe die Ausführungen über das Verhältnis von Volkscharakter und geographischen Verhältnissen § 37 des Systems, welche in fast naiver Art die Stellung des »Volksgeistes« als eines primären »Urelements« gegen die Möglichkeit »materialistischer« Deutung zu halten suchen.

      18 Dabei haben zweifellos die Gedankengänge der Herbartschen Psychologie über das Verhältnis zwischen Individuum und Gesamtheit mitgewirkt; wieweit im einzelnen, ist schwer zu sagen und hier nicht interessant. Roscher zitiert Herbart gelegentlich (§§ 16, 22). Die Lazarus-Steinthalsche »Völkerpsychologie« ist dagegen bekanntlich jüngeren Datums.

      19 § 14 des Systems, Band I.

      20 S. die Ausführungen über den Begriff »Dänemark« auf S. 19 seines »Thukydides«.

      21 Roscher zitiert, wie schon gesagt, speziell Adam Müller als denjenigen, der sich um die Auffassung von Staat und Volkswirtschaft als neben und »über den einzelnen und selbst Generationen« stehendem Ganzen verdient gemacht hat (System, Bd. I § 12, Anm. 2 [2. Aufl. S. 20]). S. aber andererseits die Vorbehalte System, Bd. I § 28, Anm. 1.

      22 So schon im »Thukydides« S. 21 trotz aller Vorbehalte auf S. XI und XII in der Vorrede und S. 20 und 188.

      23 Auch Knies war, wie wir sehen werden, der Ansicht, daß das, was man unter einem »Volk« verstehe, unmittelbar anschaulich-evident sei und der begrifflichen Analyse nicht bedürfe.

      24 Die erstere Einteilung der Wissenschaften wird bekanntlich von Dilthey, die letztere von Windelband und Rickert in den Dienst der Aufhellung der logischen Eigenart der Geschichte gestellt. Daß die Art, wie uns psychische Objekte »gegeben« sind, keinen spezifischen, für die Art der Begriffsbildung wesentlichen Unterschied gegenüber den Naturwissenschaften begründen könne, ist eine Grundthese Rickerts; – daß der Gegensatz der inneren »Erlebungen« zu den »äußeren« Erscheinungen kein bloß »logischer«, sondern ein »ontologischer« sei, ist (nach Dilthey) der Ausgangspunkt Gottls a.a.O. Der in dieser Studie weiterhin zugrunde gelegte Standpunkt nähert sich dem Rickertschen insofern, als dieser meines Erachtens ganz mit Recht davon ausgeht, daß die »psychischen« bzw. »geistigen« Tatbestände – wie immer man diese vieldeutigen Termini abgrenzen möge – prinzipiell der Erfassung in Gattungsbegriffen und Gesetzen durchaus ebenso zugänglich sind wie die »tote« Natur. Denn der geringe erreichbare Grad der Strenge und der Mangel der Quantifizierbarkeit ist nichts den auf »psychische« oder »geistige« Objekte bezüglichen Begriffen und Gesetzen Spezifisches. Die Frage ist vielmehr nur, ob die eventuell aufzufindenden generell geltenden Formeln für das Verständnis derjenigen Bestandteile der Kulturwirklichkeit, auf die es uns ankommt, irgendwelchen erheblichen Erkenntniswert haben. – Weiter ist daran festzuhalten, daß der »urwüchsige Allzusammenhang«, wie er in der inneren Erfahrung erlebt wird und (nach Gottls Ansicht) die Anwendung der naturalistischen Kausalbetrachtung und des naturalistischen Abstraktionsverfahrens ausschließt – in Wahrheit nur: für die Erkenntnis des uns Wesentlichen häufig unfruchtbar macht –, sich auch auf dem Boden der toten Natur (nicht nur bei biologischen Objekten, denen Gottl eine Ausnahmestellung einräumt) dann sofort einstellen würde, wenn wir einen Naturvorgang in voller konkreter Realität zu erfassen suchen würden. Daß wir dies in den exakten Naturwissenschaften nicht tun, folgt nicht aus der sachlichen Natur des ihnen Gegebenen, sondern aus der logischen Eigenart ihres Erkenntnisziels.

      Andererseits bleibt auch bei grundsätzlicher