tat sich schon die Tür auf, und Toby kam hereinspaziert.
Atemloses Glück erfüllte den Raum und ihre Herzen.
»Mein Mamilein, mein allerbestes Mamilein«, flüsterte Toby. »Nun kann ich dich endlich wieder angucken.«
Er war schon darauf vorbereitet worden, dass Mami einen Verband um den Kopf hatte und dass sie den linken Arm nicht bewegen konnte. Aber er kannte ja ihre Augen und ihre Stimme, und er war nicht mehr so klein und noch so unverständig wie Tim.
»Wird schon alles wieder gut werden, Mami«, sagte Toby tröstend. »Und dann fahren wir erst einmal ganz lange weg, hat Papi gesagt. Ich wohne jetzt bei Tante Bert und Onkel Max, und sie sind sehr lieb zu mir«, erzählte Tobias.
»Und wo wohnt Papi?«, fragte Birgit nebenbei.
»In der Pension nebenan. Da war zum Glück ein Zimmer frei. Großmama wird sich ganz schön ärgern, weil er so mit ihr geschimpft hat, aber ich bin froh, dass sie jetzt nicht mehr mit mir schimpfen kann, wenn Papi wieder arbeiten muss.«
Bert hat es also wahrgemacht, dachte Birgit. Aber wird er es durchhalten? Wird er nicht doch wieder nachgeben, wenn sie ihm die Ohren vollheult?
»Ich habe nämlich zu Papi gesagt, dass du neulich bei uns warst und dass Großmama mich eingesperrt hatte. Ich wollte dich so gerne sehen. Warum ist sie eigentlich so böse, Mami?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Birgit leise und strich ihm zärtlich über das Haar. »Es ist schön, dass du mich besuchst, Toby.«
Der Junge sah sie sinnend an. »Manches verstehe ich nicht, Mamilein«, flüsterte er.
»Bist ja auch noch so klein, mein Liebling.«
»Papi hat gesagt, dass ich mit dir allein wegfahre, wenn du wieder gesund bist. Ich hätte es schon lieber, wenn wir zusammen wegfahren würden, aber Papi kann keinen Urlaub nehmen.«
So also hatte es Bert dem Jungen erklärt. Birgit war überrascht. Sollte Bert es ernst meinen?
»Und Papi muss erst eine Wohnung für uns suchen, weil wir nicht mehr zu Großmama gehen«, erzählte Toby. »Sie darf dich nämlich nicht mehr ärgern.«
*
Um dies zu erörtern, suchte Bert seine Mutter nach Büroschluss auf. Sie tat so, als sei nichts geschehen und begrüßte ihn zufrieden mit den Worten: »Da bist du ja wieder.« Sie schien der ganze Vorfall überhaupt nicht zu beeindrucken. Anscheinend war sie gerade vom Friseur gekommen.
»Wo ist Toby?«, fragte sie.
»Bei Bekannten«, erwiderte Bert.
Ihre Augen verengten sich. »Du setzt dich Peinlichkeiten aus. Ist das nötig?«
»Ja, es ist unvermeidlich. Ich werde auch nicht hierbleiben. Ich will nur einiges mit dir besprechen.« Berts Stimme klang fest.
Hektische rote Flecken zeichneten sich auf ihren Wangen ab.
»Ich bin bereit, die Meinungsverschiedenheiten beizulegen«, sagte sie rasch. »Mir sollst du nicht vorwerfen, dass ich nachtragend bin.«
»Es handelt sich nicht darum, wer wem was nachträgt, sondern darum, dass ich meine Ehe in Ordnung bringen und dann künftig in Frieden mit Birgit leben möchte, ohne die Angst, dass sie in diesem Hause seelisch zermürbt wird.«
»Das ist ein starkes Stück«, brauste sie auf. »Ich habe euch den größten Teil meines Hauses überlassen und muss mir jetzt solche Vorwürfe anhören.«
»Birgit hat reichlich dafür gezahlt. Mit hunderttausend Mark, wenn ich dich daran erinnern darf.«
»Sie hat es mir doch buchstäblich aufgedrängt – und hat sie denn dafür nicht alle Annehmlichkeiten genommen, davon abgesehen, dass sie dich zum Mann bekommen hat?«
Bert wurde noch blasser. »Ich habe Birgit nicht ihres Geldes wegen geheiratet, Mutter«, sagte er scharf.
»Aber bevor sie ins Haus kam, war bei uns alles in bester Ordnung«, begehrte Adelheid Blohm auf. »Wir hatten niemals Differenzen.«
»Ich war ja auch immer ein folgsamer Sohn«, erwiderte Bert ruhig. »Um es kurz zu machen: Ich werde uns eine Wohnung suchen und du kannst einen Teil dieses Hauses vermieten, um die Hypothekenzinsen zu begleichen.«
»Welche Hypothekenzinsen?«, fragte sie schrill.
»Du wirst eine neue Hypothek aufnehmen und Birgit wenigstens einen Teil ihres Geldes zurückzahlen, da du ja darauf beharrst, dass dies allein dein Haus ist.«
»Das ist ja unglaublich. Wie behandelst du mich? Bin ich eine Diebin?«
»Es könnte ja sein, dass Birgit die Absicht hat sich von mir zu trennen, was ich ihr nicht verdenken könnte. Dann wird sie ihren Lebensunterhalt allein bestreiten wollen. Ihr Anwalt wird jedenfalls ihre Ansprüche durchsetzen, und es wird sicher zur Sprache kommen, wo ihr Erbe geblieben ist.«
Seine Mutter starrte ihn konsterniert an. »Aber du wirst doch nicht in eine Scheidung einwilligen, Bert, schon Tobys wegen nicht. Er ist dein Sohn.«
»Es ist auch Birgits Sohn! Und wenn aufgerollt wird, was mit Birgit gemacht worden ist, wie übel man ihr mitgespielt hat, wird sie jeden Richter auf ihrer Seite haben.«
»Oder man weist nach, dass sie nicht richtig im Kopf ist«, sagte Frau Blohm hart.
Bert wunderte sich, dass er ruhig bleiben konnte, dass er nichts mehr fühlen konnte und auch nicht die kleinste Entschuldigung mehr für seine Mutter fand.
»Es wird dir nicht gelingen«, sagte er kalt. »Du täuschst dich, wenn du meinst, ich würde mich gegen Birgit entscheiden. Ich kann mir nicht verzeihen, dass ich in all den Jahren blind und taub gewesen bin, aber wie hätte ich meiner Mutter zutrauen können, dass sie so gefühllos und böse ist.«
Nun begann sie wieder mit ihren Anklagen, aber Bert drehte ihr den Rücken zu. »Werde nicht hysterisch, es wirkt nicht mehr«, sagte er. »Vielleicht gehst zur Abwechslung du einmal in ein Sanatorium. Ich bedaure sehr, dass mit dir nicht vernünftig zu reden ist. Ich werde jetzt meine und Tobys Sachen packen.«
Sie verstummte, blieb aber im Wohnzimmer zurück. Sie hatte schon wieder ganz Besitz ergriffen gehabt von dem Haus, obgleich sie oben doch ihre eigenen Räume hatte.
Alles habe ich falsch gemacht, dachte Bert. Es war schon eine Zumutung für Birgit, die Küche mit Mutter teilen zu müssen. Wann hatten sie abends schon mal eine gemütliche Stunde für sich allein gehabt? Nur, wenn seine Mutter mal im Theater oder wenn sie verreist war. Doch was geschehen war, war jetzt nicht mehr rückgängig zu machen. Wenn Birgit ihm eine Chance gab, sollte alles anders werden.
Er hatte zwei Koffer gepackt und war nun dabei, Birgits Sachen auszusortieren, als seine Mutter erschien.
»Lass doch diesen Unsinn«, sagte sie. »Die paar Jahre, die ich noch zu leben habe, werdet ihr wohl noch abwarten können. Dann gehört dir ja sowieso alles.«
Nun musste er doch beinahe lachen. Seine Mutter war zweiundfünzig Jahre alt und bei bester Gesundheit.
»Vielleicht wäre es besser, du würdest wieder heiraten«, erwiderte er ironisch. »Das hattest du doch einmal in Betracht gezogen, wenn ich mich recht erinnere.«
»Ich habe deinetwegen auf alles verzichtet«, sagte sie theatralisch. »Und nun sehe ich ja, was ich davon habe.«
»Ich hätte doch nie etwas dagegen gehabt. Aber streiten wir nicht. Du bist noch jung genug, um dir dein Leben nach deinem Geschmack einzurichten, und ich bin erwachsen genug, um das zu tun, was ich für richtig halte.«
»Hättest du Karla geheiratet, wäre es niemals zu solchen Entwicklungen gekommen«, warf sie ihm vor.
»Warum fragst du Karla nicht, weshalb sie mir damals den Laufpass gegeben hat? Sie stellte mich nämlich vor die Alternative, entweder du oder sie. Sie hätte sich niemals von dir bevormunden lassen. Und damals war ich ein dummer Junge. Karla weinte mir gewiss keine Träne nach und