Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman


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ihr doch die Stimme verschlug, aber aus ihrer Haut in eine andere schlüpfen konnte sie nicht.

      Rechthaberisch und egoistisch wie sie immer gewesen war, zog sie sich nun tief gekränkt, aber uneinsichtig wie eh und je zurück. Außerdem war sie von einem alten Verehrer zu einem Opernbesuch eingeladen worden, den sie sich nicht entgehen lassen wollte. Sie hatte dann wenigstens jemanden, dem sie ihr Herz ausschütten konnte.

      *

      Vier Tage waren seit dem Unglück vergangen. Die Toten war beerdigt worden, die Schlagzeilen wurden von anderen verdrängt. Morde, Entführungen, tödliche Unfälle gehörten fast schon zur Tagesordnung und lieferten den Zeitungsleuten Stoff genug.

      Lenchen ließ sich anklagend darüber aus, dass die Welt ein einziges Sündenbabel geworden sei. Obgleich die Ereignisse sich überstürzten, kam Daniel die Woche ohne Fee unendlich lang vor. Nun wurde sie auch von den Patienten vermisst, die anfangs doch die schöne junge Frau Doktor so skeptisch betrachtet hatten.

      Molly musste immer wieder die Frage beantworten, ob das Baby gar schon da sei. Und es blieb nicht aus, dass Daniel sich manches Mal Gedanken machte, Fee könne ihn so überraschen und ihr Kind vorzeitig auf der Insel zur Welt bringen. Er sehnte das Wochenende herbei, an dem sie wieder heimkehren würde.

      Immer wieder ertappte er sich dabei, dass es ihn in das Gästezimmer zog, das sie nun als Kinderzimmer eingerichtet hatten, dass er die kleinen Sachen in die Hand nahm, die Fee liebevoll für ihr Kind hergerichtet hatte. In vier Wochen würde dort ein kleines Wesen in der Wiege liegen, Fee und sein Kind. Es war ein wunderliches Gefühl.

      Er war richtig froh, als das Telefon läutete. Und er wünschte sich für diesen Abend noch viele Hausbesuche, aber ausgerechnet jetzt schien man ihn schonen zu wollen.

      Dieter Behnisch war am Telefon. Er fragte, ob Daniel nicht Lust auf einen kleinen Plausch hätte. Der Schorsch käme auch zu ihm.

      Es war schon sehr selten, dass die drei alten Freunde einmal gleichzeitig frei waren. Dr. Georg Leitner, der Chefarzt der Gynäkologischen Klinik, die Dr. Behnisch eingerichtet hatte, war wie Dieter noch immer Junggeselle. Er war ein ausgezeichneter Arzt, aber als Mann hatte er sich immer mit Konflikten und Hemmungen herumschlagen müssen. Er hatte lange mit seiner Mutter zusammengelebt, und wenn man Frau Leitner auch nicht mit Frau Blohm vergleichen konnte, so hatte das enge Mutter-Sohn-Verhältnis auf Schorsch seine Rückwirkungen gehabt.

      Jetzt hatte er in der Frauenklinik eine gemütliche kleine Junggesellenwohnung, und seine Mutter hatte in ihrem Haus vier junge Mädchen aufgenommen, die die nahe gelegene Pädagogische Hochschule besuchten. Schorsch wusste zu berichten, dass sie sich dabei sehr wohlfühlte.

      »Und was macht Fee?«, fragte er. »Sie wird es mir doch nicht antun und das Baby auf der Insel zur Welt bringen?«

      »Na, das würde ich unserm Sprössling ganz schön übelnehmen«, sagte Daniel. »Schließlich will ich ihn gleich begutachten. Aber es war schon besser, dass Fee diese Woche nicht hier verbringt.«

      Von seinen beiden unterschiedlichen Patientinnen konnte Dr. Behnisch recht zuversichtlich berichten. Penny Holzmanns Zustand hatte sich merklich gebessert. »Es ist doch auch rührend, wie jeder bemüht ist, ihr Freude zu bereiten«, sagte er gedankenvoll. »Ein so inniges Verhältnis zwischen Schwiegereltern und -tochter habe ich noch nie erlebt. Sie muss ja ein ganz bezauberndes Geschöpf gewesen sein.«

      »Gewesen?«, fragte Daniel erschrocken.

      »Sie wird viele Narben zurückbehalten«, sagte Dieter. »Mir ist ziemlich bange davor, was unter den Verbänden hervorkommt.«

      »Heutzutage kann man vieles korrigieren«, meinte Daniel zuversichtlich. »Und was tut sich bei Frau Blohm?«

      »Sie macht eine psychische Wandlung durch, aber ich habe die Hoffnung, dass diese sich nicht negativ auswirken wird, da der kleine Toby ein ganz schlauer Bursche ist. Er hat seiner Mami heute angekündigt, dass der Papi am Wochenende bestimmt Zeit haben würde, sie auch zu besuchen, und sie wird hoffentlich so vernünftig sein, den armen Mann nicht vor den Kopf zu stoßen.«

      »Als Ehemann scheint er sich aber bisher nicht bewährt zu haben«, warf Daniel ein.

      »Was heißt da bewährt? Frag doch mal Schorsch, wie es ist, wenn man ständig mit seiner Mutter zusammenlebt. Das kann man nicht einfach wegwischen. Bert Blohm ist ein gutmütiger Mensch. Er ist entschlossen gutzumachen, was er versäumt hat. Schöner wäre es für die junge Frau Blohm wohl gewesen, wenn sie eine Schwiegermutter wie Frau Holzmann bekommen hätte.«

      »Meine Mutter beweist jetzt jedenfalls, dass sie sehr gut ohne mich zurechtkommt«, erklärte Schorsch Leitner.

      »Und das behagt dir wohl auch wieder nicht?«, fragte Daniel neckend.

      »Alles hat zwei Seiten«, gab der andere zu. »Aber zu einer Erkenntnis bin ich gekommen. Als Einzelkind aufzuwachsen ist nie gut. Merk dir das, Daniel.«

      »Gegenbeweis ist Dirk Holzmann«, erklärte Dieter. »Er ist auch ein Einzelkind. Es kommt auf die Einstellung der Eltern an, wenn’s ans Heiraten geht. Ob sie sich nun auf den Standpunkt stellen, dass ihr Kind ihnen genommen wird, oder aber auf den, dass sie eines dazubekommen.«

      »Ich glaube nicht, dass Fee sich mit einem Kind zufriedengibt«, sagte Daniel gedankenverloren, »aber ich bin froh, wenn erst mal das eine da ist.«

      »Siehst schon ganz mitgenommen aus«, meinte Schorsch anzüglich. »Aber beneidenswert bist du. Wenn ich uns Einzelgänger so betrachte, könnte ich trübsinnig werden.«

      »Meine lieben Freunde, es liegt nur an euch, dem abzuhelfen. Ich hoffe, dass es wenigstens Dieter jetzt mal packt, oder meinst du, dass du eine bessere Frau findest als Jenny, alter Junge?«

      »Wir haben ja keine Zeit zum Heiraten«, brummte Dieter. »Immer wenn wir einen Anlauf nehmen, schleppst du uns die schwersten Fälle ins Haus.«

      »Also bleibt es wieder an mir hängen. Na, dann werde ich die schweren Fälle künftig in andere Kliniken verlegen.«

      »Vielleicht ins Kreiskrankenhaus?«, fragte Dieter ironisch. »Übrigens wird Dr. Dahm bei mir anfangen, und dann habe ich vielleicht auch mal mit Jenny gemeinsam einen freien Tag, an dem wir zum Standesamt eilen können.«

      »Und was wird aus mir?«, fragt Schorsch.

      »Ja, was machen wir mit diesem lahmen Burschen?«, fragte Dieter. »Er kann doch nicht für alle Zeiten nur immer fremden Kindern ins Leben verhelfen.«

      »Ich bin sowieso schon zu alt, um noch Vater zu werden«, knurrte Schorsch. Aber da antwortete ihm schallendes Gelächter.

      *

      Am Freitag ging es in Dr. Nordens Praxis wieder hoch her.

      »Das Wochenende steht bevor«, stöhnte Molly. »Man merkt es.«

      Aber schuld war wieder einmal eine Zeitungsmeldung. Irgendwo waren ein paar Typhusfälle bekannt geworden und nun kam jeder, der Magenbeschwerden hatte, ängstlich angelaufen, vor allem diejenigen, die in einem Lokal Kartoffelsalat gegessen hatten.

      Einfach darüber hinweggehen konnte man nicht, denn immerhin war es im Einzelfall doch mal möglich, dass eine Ansteckung vorliegen konnte. Daniel schickte Stoßgebete zum Himmel, dass nicht ausgerechnet ihm solch ein Fall unter die Hände käme. Das hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt, da Fee doch morgen zurückkam.

      Er hatte zu ihrem Empfang noch etwas besonders Hübsches kaufen wollen, aber er war dazu nicht mehr gekommen, und dann sollte ihm der Abend dafür noch etwas bescheren, womit er überhaupt nicht gerechnet hatte.

      Er bekam den Hilferuf einer Patientin, die schon mehrere Jahre zu ihm kam. Diesmal brauchte sie ihn nicht selbst, sondern rief ihn zu einer alten Nachbarin, die einen schweren Herzanfall erlitten hatte.

      Daniel fuhr sofort hin. Das Haus kannte er. Er brauchte es nicht erst zu suchen. Seine Patientin, Frau Mahler, stand schon in einer Wohnungstür.

      Er fragte nicht viel, Sekunden später stand er schon am Bett der alten Dame. Es war kein Herzanfall,