Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman


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      Der Gruber-Bauer kam jetzt oft nach Erlenried, nachdem in seinem Wald, der nun der Gemeinde gehörte, wieder Ruhe eingekehrt war.

      Das dramatische Geschehen um den vermeintlichen Wilderer, der sich als Hasso von Süllberg entpuppt hatte, gehörte schon der Vergangenheit an. Im Interesse aller Betroffenen wurde darüber geschwiegen.

      Doch die Freundschaft, die der Gruber-Bauer mit der kleinen Bambi geschlossen hatte, wirkte sich auch auf seinen Umgang mit den Bewohnern von Erlenried aus, die sich an die Eigenarten des alten Mannes gewöhnt hatten und ihm nicht mehr aus dem Weg gingen.

      Korbinian Gruber war es zur lieben Gewohnheit geworden, Bambi zu einem Spaziergang abzuholen und danach im »Seeblick« mit ihr einzukehren.

      So auch an diesem Tag, der klar und trocken war.

      Viktoria hatte Corri warm angezogen und in den Kinderwagen gesetzt, denn sie mußte die grünen Bohnen für die Mittagsmahlzeit besorgen.

      Christoph war ganz begeistert, daß er seiner Ria Erlenried zeigen konnte. Corri hatte ihre Erkältung schon fast überwunden, und frische Luft konnte ihr nicht schaden.

      Lange konnten sie ohnehin nicht ausbleiben, denn die Bohnen mußten noch zubereitet werden. Christoph wußte genau, wo man welche bekommen konnte.

      Aber sie hatten Pech. Leider wäre die ganze Ration heute an den »Seeblick« verkauft worden, wurde ihr gesagt.

      Doch Till hatte sich grüne Bohnen gewünscht, und sie wollte ihm den ersten Wunsch, den er geäußert hatte, erfüllen. Carla Richter hatte ihr doch so nett angeboten, sie aufzusuchen, wenn sie mal einen Rat brauchte. Sicher würde sie ihr auch eine kleine Menge Bohnen überlassen.

      »Wir wollen doch den Papi nicht enttäuschen«, bemerkte sie, als sie den Weg zum »Seeblick« einschlugen.

      »Du bist ganz mächtig lieb«, flüsterte Christoph.

      Von Carla, die ihren kleinen Toni auf dem Arm hielt, wurden sie freudig begrüßt.

      »Na, jetzt geht es euch wohl gut?« fragte Carla lächelnd.

      »Sehr gut«, erwiderte Christoph und nickte bekräftigend.

      Viktoria trug ihre Bitte vor. Carla lachte.

      »Wenn es weiter nichts ist. Würden Sie Toni bitte mal einen Augenblick nehmen, dann hole ich die Bohnen gleich.«

      Corri zog einen Schmollmund, als Viktoria den Kleinen auf den Arm nahm.

      »Ist meine Ria!« murrte sie.

      »Unsere Ria!« sagte auch Christoph eifersüchtig.

      Aber Toni schien das nicht zu stören. Ihn interessierte Viktorias Brille, und ehe sie es sich versah, hatte er sie auch schon von der Nase gezogen.

      Im gleichen Augenblick ging die Tür auf, und der Gruber-Bauer und Bambi traten ein.

      Viktoria war so überrascht und erschrocken, daß sie völlig vergaß, daß sie die Brille nicht aufhatte.

      Sie starrte ihren Onkel fassungslos an, fassungslos vor allem deswegen, daß er das kleine Mädchen bei sich hatte, das sie an jenem ersten Abend vor dem Haus von Dr. Rückert gesehen hatte.

      Sie merkte auch nicht, daß Bambi sie ebenfalls staunend anblickte.

      »Deine Brille, Ria«, erinnerte Christoph sie. »Toni macht sie kaputt. Tag, Bambi, guten Tag, Gruber-Bauer«, sagte er dann.

      Corri klatschte in die Hände und rief: »Bambi!«

      »Auch Bambi!« schrie Toni ungehalten.

      Und der Gruber stand wie zur Bildsäule erstarrt und wandte keinen Blick von Viktoria.

      Sie schob ihre Brille wieder auf die Nase und bemühte sich, ihrer Verwirrung Herr zu werden.

      Carla kam mit den Bohnen, nahm ihr Toni ab und begrüßte Korbinian Gruber.

      »Wir müssen uns jetzt beeilen«, äußerte Viktoria überstürzt. »Sonst wird das Essen nicht fertig.«

      »Kommen Sie bald wieder«, rief Carla ihnen nach.

      »Du kannst jetzt auch mal zu uns kommen, Bambi«, sagte Christoph noch. Dann waren sie glücklich wieder draußen, und Viktoria atmete auf.

      »Das war Dr. Jalecks Haushälterin«, erklärte Carla arglos.

      »Wie heißt sie?« fragte der Gruber-Bauer.

      »Burg«, erwiderte Carla unbefangen.

      »Sie ist eine Dame«, stellte Bambi fest. »Und ich habe sie schon mal gesehen.«

      »Wir werden sie jetzt öfter sehen«, lächelte Carla Richter. »Ich hoffe wenigstens, daß sie Dr. Jaleck recht lange erhalten bleibt. Mit den Kindern versteht sie sich sehr gut.«

      Der Gruber-Bauer ließ sich an seinem Stammtisch nieder. Bambi setzte sich neben ihn.

      »Wo hast du sie denn gesehen, Bambi?« fragte er, als Carla gegangen war, um die Schinkenbrote zu holen.

      »In Hohenborn. An dem Abend, als wir von Tante Rosemarie und Onkel Heinz kamen. Ich habe sie genau erkannt.«

      Seine Hand lag zur Faust geballt auf dem Tisch. Ganz weiß traten die Knöchel hervor.

      »Heute muß ich mich beeilen, Bambi«, sagte er plötzlich. »Ich hätte beinahe vergessen, daß ich in Hohenborn etwas zu erledigen habe.«

      »Nach Hohenborn müssen Sie, Herr Gruber?« fragte Carla, die eben mit den Broten kam. »Da können Sie gleich mit meinem Mann fahren. Ihr Brot können Sie schon noch essen.«

      Aber zu ihrer Verwunderung schien er heute gar keinen Appetit zu haben.

      *

      Viktorias Herzklopfen hatte sich gelegt. Er kann mich doch gar nicht erkannt haben, beschwichtigte sie sich, doch der Schreck saß ihr noch immer in den Gliedern.

      »Du kennst das kleine Mädchen?« fragte sie beiläufig.

      »Freilich, das ist Bambi Auerbach, die kennt jeder. Der Gruber-Bauer geht oft mit ihr spazieren. Früher hatten alle Angst vor ihm, nur Bambi nicht. Aber jetzt braucht keiner mehr Angst vor ihm zu haben. Er hat uns seinen ganzen Wald geschenkt.«

      »Seinen Wald?« fragte Viktoria atemlos. »Euch?«

      »Erlenried hat er ihn geschenkt, weil jetzt Ruhe ist, weil Jonny den Wilderer geschnappt hat.«

      »Einen Wilderer? Wer ist Jonny?«

      »Bambis Hund. Das ist ein schöner Hund.«

      »Söner Hund«, echote Corri.

      »Der Wilderer hat immer geschossen«, erzählte Christoph eifrig, »bis Jonny ihn geschnappt hat. Nun ist wieder Ruhe, und der Gruber-Bauer geht in Erlenried spazieren.«

      »Er geht in Erlenried spazieren?« wiederholte sie gedankenverloren.

      »Wir müssen noch Fleisch holen, Ria«, bemerkte Christian, und er erinnerte sie damit auch an ihre Pflichten.

      Sie mußte sich jetzt beeilen, wenn das Essen pünktlich fertig sein sollte.

      So war es ganz gut, daß Till nicht so früh wie erwartet kam. Viktoria war so erhitzt, daß ihre Brillengläser beschlugen, und zum zweitenmal an diesem Tag sah jemand ihre Augen unverhüllt.

      Ausgerechnet in dem Moment, als sie die Gläser putzte, war Till eingetreten.

      Verwirrt und hilflos schlug sie die Augen nieder.

      »Das Essen ist fertig«, flüsterte sie.

      »Wir mußten erst Bohnen holen, Papi«, erzählte Christoph aufgeregt. »Und dann hatten sie alle an den ›Seeblick‹ verkauft. Da hat Ria gesagt, wir holen dort welche, damit du nicht enttäuscht bist. Ist das nicht lieb?«

      »Ja, das ist lieb.«

      »Und dann haben wir Bambi und den Gruber-Bauern getroffen«,