Kaiser über ihn verhängte, wurden seine Schriften verboten, niemand durfte ihn beherbergen und unterstützen. Er wurde für vogelfrei erklärt, allerdings hielt man sich an die Zusage des freien Geleits, anders als seinerzeit bei Jan Hus, der auf dem Scheiterhaufen trotz der Garantie des Kaisers verbrannt wurde. Luther konnte unbehelligt abziehen. Kurfürst Friedrich der Weise traute aber dem Frieden nicht so recht. Daher gab er den Befehl, Martin Luther von seinen Mannen überfallen zu lassen, um ihn auf die Wartburg in Sicherheit bringen zu können. Hier konnte er in Ruhe und Abgeschiedenheit seinen Plan, die Bibel, die für ihn die Grundlage seines christlichen Denkens war, in eine allgemein verständliche Sprache zu übersetzen, verwirklichen, wobei er den Dialekt seiner Heimat wählte, in dem sich nord- und süddeutsche Elemente vereinigten. Durch die Bibelübersetzung, die rasche Verbreitung fand, wurde Martin Luther zum Schöpfer einer einheitlichen deutschen Sprache.
Seine Bibel ist der erste Bestseller der Weltliteratur.
Ein Verbrechen an den Bewohnern, der Stadt und der gesamten Menschheit
Die Untaten, die deutsche und spanische Söldner in ihrer Geldgier und ihrem Blutrausch in Rom begingen, gehörten zu den schrecklichsten Gräueln, die Menschen jemals anderen zufügten. Der »Sacco di Roma« erschütterte in nur einer Woche die Stadt in ihren Grundfesten.
Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde von den Söldnertruppen des kaiserlichen Heeres im Mai 1527 weggeschleppt oder vernichtet. Wie ein Schwarm hungriger Heuschrecken hatten sich 24.000 Mann über Rom gestürzt, um die Stadt und die Bewohner bis zum Letzten auszupressen.
Karl V. war seinen aus Deutschland und Spanien stammenden Truppen schon über längere Zeit den Sold schuldig geblieben, denn die Einkünfte an Gold und Silber aus den überseeischen Gebieten trafen nur sehr zögerlich ein, sodass sich der Kaiser in echter Geldnot befand. Dazu kamen seine diversen Kriegszüge gegen seinen Erzfeind, den französischen König Franz I. von Frankreich, die Karl V. zwar siegreich beenden, aber kein Kapital daraus schlagen konnte. Obwohl er nicht nur die Schlacht bei Pavia gewonnen und auch den französischen König geschlagen und gefangen genommen hatte, blieb Franz I. durch sein listenreiches Verhalten der eigentliche Sieger in dem Ringen. Denn kaum hatte er die Freiheit wieder erlangt, widerrief er alle Vereinbarungen, die er im Frieden von Madrid 1526 unterzeichnet hatte, wonach er keinen Anspruch mehr auf die italienischen Fürstentümer haben sollte. Auch Papst Clemens VII. blieb nicht neutral, sondern schlug sich auf die Seite Frankreichs und erteilte Franz I. offiziell die Absolution für seinen Vertragsbruch. Insgeheim fürchtete nämlich der heilige Vater ein zu großes Erstarken des habsburgischen Königs. Und da der Papst noch andere Eisen im Feuer hatte, schloss man sich gegen Karl V. in der Liga von Cognac zusammen, der der Herzog von Mailand, die Republik Venedig und noch einzelne oberitalienische Kleinstaaten angehörten. Außerdem knüpften die Feinde Karls V. heimlich Bande zum türkischen Sultan, sodass man damit rechnen konnte, dass die Türken den Habsburgern an den Ostgrenzen des Reiches das Leben schwer machen würden.
Auch der englische König Heinrich VIII. hatte größtes Interesse, mit Papst Clemens VII. ein herzliches Einvernehmen zu pflegen, wobei er weniger politische Ziele verfolgte, sondern sich offiziell von seiner ersten Gemahlin Katharina von Aragon trennen wollte und das Einverständnis des Papstes zu diesem für ihn wichtigen Schritt von großer Bedeutung war. Die Vormachtstellung der Habsburger in Europa war durch diese Konstellationen zwar nicht in Frage gestellt, hing aber doch an verschiedenen seidenen Fäden. Nur ein starkes Heer konnte alle Schwierigkeiten beseitigen.
Die kaiserlichen Truppen bestanden zu dieser Zeit fast ausschließlich aus Söldnern, die aus Deutschland und Spanien angeworben worden waren. Für diese Männer gab es weder Ehre noch Vaterland, Geld war das einzige, was für sie zählte. Solang Karl V. zahlte, gab es keine Probleme mit den Kriegsleuten, die von einem Deutschen, Georg von Frundsberg, angeführt wurden. Als aber die Geldquellen des Habsburgers versiegt waren, kam es zu Revolten innerhalb der wahllos zusammengewürfelten Haufen. Georg von Frundsberg versuchte die Landsknechte zur Vernunft zu bringen, wobei er schnell erkannte, dass dies nicht möglich sein würde. Vor Aufregung erlitt er einen Schlaganfall, sodass er nicht mehr in der Lage war, die Oberaufsicht über die Truppen zu führen. Das Kommando übernahm zunächst Charles III. von Bourbon, ein französischer Überläufer, der aber – völlig machtlos – zusehen musste, wie sich die Söldner in ungeordneten Haufen zunächst auf die Stadt Florenz zu bewegten. Dort waren allerdings starke Truppenverbände der Liga von Cognac stationiert, denen es gelang, nicht nur die Stadt zu halten, sondern auch die Söldner davon zu überzeugen, dass das reiche Rom ein besseres Angriffziel wäre als das ohnehin durch viele Missernten ausgehungerte Florenz. Sengend und brennend zogen die 24 000 Mann durch die oberitalienischen Dörfer und Städte, bis sie endlich, ohne die Anordnungen ihres bourbonischen Führers zu akzeptieren, vor den Toren der ewigen Stadt standen. Bevor man sich aber auf die sagenhaften Reichtümer der römischen Bevölkerung stürzte, wollte man zuerst einmal den Papst gehörig schröpfen. Deshalb sandte man eine Abordnung zu Clemens VII., die von ihm 250 000 Dukaten forderte. Der Papst schätzte die prekäre Situation, in der er sich und die Stadt befanden, völlig falsch ein. Mit einem Handstreich verweigerte er die Zahlung. Daraufhin begannen am 6. Mai 1527 die Truppen mit der Erstürmung der Stadt von zwei Seiten. Einer der ersten Gefallenen war der völlig überflüssige Heerführer Charles III., dem die Kontrolle längst entglitten war. Angeblich rühmte sich der Künstler Benvenuto Cellini, den Bourbonen mit einer Kugel getroffen zu haben.
Die Verteidiger Roms waren chancenlos. Völlig entfesselt fielen die kaiserlichen Truppen über die Stadt her, töteten wahllos Männer, Frauen und Kinder, sodass ein Zeitgenosse berichtete, dass man »beim Gehen auf den Straßen vor lauter Leichen das Pflaster nicht mehr sah«. Wer sofort niedergemetzelt wurde, konnte fast noch dem Schicksal dankbar sein, denn die geldgierigen Söldner folterten die meisten Besitzenden so lange, bis sie die Verstecke ihrer Geld- und Goldschätze preisgaben, um sie dann ebenfalls umzubringen. Ein Hauptziel der Soldateska waren die Kirchen und Kathedralen, wo sie es vor allem auf die Goldpokale abgesehen hatte. Man riss die kostbaren Gemälde von den Wänden und zertrampelte sie, wenn man anderweitig zu wenig fand, womit man sich bereichern konnte. Unschätzbare Werte aus Jahrhunderten wurden so für die Menschheit durch rohe Brutalität vernichtet, lediglich die Vatikanische Bibliothek konnte im letzten Moment vor den vandalischen Horden gerettet werden. Man schreckte nicht davor zurück, Gräber aufzubrechen, um nach Juwelen zu suchen, und schleppte die goldbestickten schweren Messgewänder auf die Straßen, hängte sie Huren um, die dann grölend auf Eseln inmitten von Landsknechten, die als Kardinäle verkleidet waren, durch die Stadt zogen. Man schändete als Scherz die Apostelhäupter, raubte die Spitze der heiligen Lanze, die von einem Söldner auf seinen Spieß gesteckt wurde, sowie den Strick, an dem sich angeblich Judas aufgehängt hatte. Ein deutscher Landsknecht nahm ihn als Souvenir aus Rom mit nach Hause. All dies war aber der in einen wahren Rausch geratenen Soldateska noch viel zu wenig: Man zog einem Esel geistliche Gewänder an, um dann einen Priester zu zwingen, dem auf Knien liegenden Esel die Hostie zu geben. Der Geistliche verschluckte in seiner Panik die Hostie, bevor er zu Tode gequält wurde.
Als man in der total verwüsteten Stadt keine beweglichen Gegenstände mehr fand, die man den unglücklichen Besitzern hätte rauben können, kam man auf die Idee, dass sich jeder Gefangene – und beinahe alle Bewohner der Stadt Rom waren in Gefangenschaft geraten – freikaufen müsse, ob er konnte oder nicht. Während die Söldner rund um die Uhr die wüstesten Orgien feierten, setzten sie in volltrunkenem Zustand die Höhe des Lösegeldes fest oder würfelten über die Summe, die einer zahlen musste, um Leib und Leben doch noch zu erhalten. Denn die Hälfte der Bevölkerung war in nur einer Woche ohnedies schon ermordet worden.
Es war die schrecklichste Plünderung der ewigen Stadt in der Geschichte. Wie durch ein Wunder überlebte der Papst dieses entsetzliche Massaker, das er vielleicht hätte verhindern können. Inwieweit Karl V. über die Vorgänge in Rom informiert war, bleibt dahingestellt. Aber die Großen der Zeit arrangierten sich, der Papst, der durch die kaiserlichen Truppen in Lebensgefahr geraten war, weigerte sich nicht, als es für ihn opportun erschien, König Karl wenige Jahre später zum Kaiser zu krönen. Allerdings fand diese Zeremonie am 24. Februar 1530 nicht in Rom statt, sondern in Bologna. Der neue Kaiser hätte sich wahrscheinlich in