Leben hält nur dem Fröhlichen Wort.
Ich bin nur ein Diener, aber wenn ich mein eigener Herr wär’, ich jaget mich selber fort.
Gewohnheit tötet unsere schönsten Freuden.
Geld ist das niedrigste, was wir beweinen können.
Ich hätte das Weib noch mal so gern, wenn s’ nur um das jünger war, was s’ zu alt ist, und um das besser, was s’ z’schlecht ist.
Du begehst die größte Sünde, die es gibt: Du kennst dich selber nicht.
Was die Weisheit für eine langweilige Sach’ ist, das hätt’ ich für mein Leben nicht gedacht.
Ich möchte mich selbst ohrfeigen – aber auf sein Gesicht.
Ferdinand Raimunds Psyche war nicht geschaffen, Erfolg, Popularität und Wohlstand genießen zu können. Der schauspielernde Dichter hatte sich in Toni Wagner, die Tochter eines Kaffeesieders, verliebt, doch da dieser mit dem »Gesindel vom Theater« nichts zu tun haben wollte, verweigerte der reiche Cafetier die Einwilligung zur Heirat. So nahm Raimund in seiner Depression eine Beziehung mit einer Theaterkollegin namens Louise Gleich auf, die ihm wenig Glück brachte. Ohne Louise zu lieben, wurde er in eine von ihrer Familie regelrecht inszenierte Heirat getrieben. Die Ehe scheiterte, wurde nach wenigen Monaten geschieden und fand Jahre später im Hobellied ihren literarischen Niederschlag:
Oft zankt mein Weib mit mir, oh Graus!
Das bringt mich nicht in Wut.
Da klopf ich meinen Hobel aus
Und denk: Du brummst mir gut!
Ferdinand Raimund kehrte nach der Scheidung zu seiner angebeteten Toni zurück, mit der er den Rest seines Lebens zubrachte. Doch die geltenden Gesetze erlaubten nicht, ein zweites Mal zu heiraten, womit er ein Schicksal erlebte, das dem seines Kontrahenten Nestroy nicht unähnlich war.
Am 29. August 1836 ereignete sich ein zunächst unbedeutend erscheinender Vorfall: Raimund war von einer erfolgreichen Gastspielreise auf seinen Besitz im niederösterreichischen Gutenstein zurückgekehrt und von seinem Hund im Spiel gebissen worden. Überzeugt, dadurch an Tollwut erkrankt zu sein, ließ er eine Kutsche anspannen, um seinen Arzt in Wien zu konsultieren. Bei einem Aufenthalt im Gasthof Zum goldenen Hirschen in Pottenstein verlor er die Nerven und jagte sich eine Kugel in den Kopf.
Dem schrecklichen Ende war ein Leben zwischen beruflichem Erfolg und persönlichem Leid vorausgegangen. Auch die Vergänglichkeit alles Irdischen und die Gleichheit der Menschen vor dem Tod hatte er in seinem Hobellied im Verschwender ausgedrückt:
Da streiten sich die Leut’ herum
Wohl um den Wert des Glücks;
Der eine heißt den andern dumm;
Am End’ weiß keiner nix.
Da ist der allerärmste Mann
Dem andern viel zu reich!
Das Schicksal setzt den Hobel an
Und hobelt alles gleich.
»Nichtswürdiger Herr Direktor!« Der Frosch-König Alexander Girardi
Es sind zwei Volksschauspieler, die im zwanzigsten Jahrhundert Raimunds und Nestroys Figuren in einzigartiger Weise verkörperten: Alexander Girardi und Hans Moser – jeder für sich eine Säule in der Geschichte des österreichischen Theaters und des österreichischen Humors.
Girardi kam am 5. Dezember 1850 in Graz zur Welt und musste vorerst gegen seinen Willen das Schlosserhandwerk erlernen. Erst nach dem Tod des strengen, aus Cortina d’Ampezzo eingewanderten Vaters, der selbst Schlosser war, ging »Xandl«, ohne jede Schauspielausbildung, zum Theater. Er debütierte auf einer Grazer Dilettantenbühne, verbrachte seine Wanderjahre an Provinztheatern und nahm dann ein Engagement am Wiener Strampfer-Theater an. Als er 1874 ins Theater an der Wien kam, war seine Begabung bereits erkannt, die er von nun an in zahlreichen Rollen unter Beweis stellen konnte. Seine Popularität steigerte sich im Lauf der Zeit zum Girardi-Kult, jeder Wiener, der auf sich hielt, trug Girardi-Hut, stützte sich auf einen Girardi-Stock, sprach und bewegte sich wie Girardi, kurzum: Österreich war im Girardi-Fieber. Unsterblich wurde Girardi in der Darstellung des Fortunatus Wurzel im Bauer als Millionär und als Valentin im Verschwender. Er kreierte den Zsupán im Zigeunerbaron und war als Dritter-Akt-Komiker maßgeblich für den Erfolg der Strauß-Operetten verantwortlich. So war es Girardi, der der ursprünglich bedeutungslosen Figur des Gefängnisdieners Frosch in der Fledermaus jenes Leben einhauchte, mit dem sie bis heute zur Glanzpartie großer Komödianten wurde. Einzigartig die Szene, in der der besoffene Frosch seinem nicht minder angeheiterten Gefängnisdirektor Frank vorspielt, dass er nüchtern sei.
FROSCH (erblickt Frank schlafend in seinem Arbeitszimmer): Herr Direktor ist schon da! Er scheint sehr vertieft in seine Lektüre (bemüht sich, stramme Haltung anzunehmen). Ich muss ihm meinen Rapport machen (sehr laut): Herr Direktor, ich komm zum Rapport.
FRANK (fährt auf): Was gibt’s? Nun Frosch, quake deinen Rapport. Komm näher.
FROSCH (verlegen, da er sich nicht zu rühren wagt): Näher soll ich kommen?
FRANK: Ja, freilich (Frosch macht zwei wankende Schritte; Frank spricht zu sich): Der verdammte Champagner! Alles hüpft mir vor den Augen. Auch der Frosch hüpft (laut): Was gibt’s Neues?
FROSCH: Nichtswürdiger Herr Direktor …
FRANK: Was?
FROSCH (korrigiert sich): Nichts – würdiger – Herr Direktor. Nur Numero 12 verlangt einen Advokaten.
FRANK: Der Herr von Eisenstein? Meinetwegen, das ist sein gutes Recht … Warum schwankst du denn so?
FROSCH (schwankend): Ich schwanke ja nicht!
FRANK (für sich): Verfluchter Champagner! Alles schwankt mir vor den Augen.
FROSCH (hat an einem Sessel Halt gefunden): Sehen Sie, Herr Direktor, ich schwanke nicht.
FRANK: Wer sagt denn, dass du schwankst?
FROSCH: Niemand, Herr Direktor, niemand sagt es. (Für sich) Mir kam es so vor, als ob er’s gesagt hätte.
FRANK: Wie gefällt es dir in diesem Gefängnis?
FROSCH: Wie es mir hier gefällt? Sehr gut. Recht fidel ist es. Wahrhaftig, ein so fideles Gefängnis ist mir noch nicht vorgekommen …
So glanzvoll seine Karriere verlief, so dramatisch entwickelte sich Girardis Privatleben. Von Millionen geliebt, machte er auf dem Höhepunkt seiner Popularität die Hölle auf Erden durch. Der im Grunde seines Herzens schlicht gebliebene ehemalige Schlosser aus Graz hatte sich in die Schauspielerin Helene Odilon, die man als »Wiens gefährlichste Frau« bezeichnete, verliebt und sie im Mai 1893 geheiratet. Zwei Jahre später wollte sie ihn wegen eines anderen Mannes »loswerden« und heckte, um die Scheidung zu erreichen, einen teuflischen Plan aus. Sie bestellte beim berühmten Psychiater Professor Julius Wagner-Jauregg eine Expertise, der zufolge Girardi »vom Kokainwahn befallen, irrsinnig und gemeingefährlich« wäre und ließ ihn daraufhin von Irrenwärtern abholen. Der Coup wäre – obwohl Wagner-Jauregg den Schauspieler nie untersucht hatte – beinahe aufgegangen, hätte Girardis Nachbar, ein hoher Staatsbeamter, nicht wie die meisten Wiener