nennen.
»Wie ist Ihr Name?«, fragt der Kaiser noch einmal, als hätte er nicht gut gehört. Der Veteran bleibt stumm.
»Aber ich bitt Sie«, redet ihm der Monarch zu, »ein Soldat wird doch keine Angst haben! So sagen Sie’s doch nur!«
Der Veteran würgt an der Antwort. Endlich kommt’s heraus: »Majestät, ich heiß auch Prohaska!«
Als »der alte Prohaska« im Herbst 1916 seine Augen schloss, herrschte Krieg. Und auch sein Nachfolger, Kaiser Karl I., war nicht davor gefeit, von der Bevölkerung in Witzen belächelt zu werden.
Der junge Monarch ließ, wie allseits kolportiert wurde, sofort seinen Kriegsminister zu sich kommen. »Exzellenz«, sagte der Kaiser, »teilen Sie Ihren Generälen mit, dass die Schlamperei ab sofort aufzuhören hat. Von jetzt an wird gesiegt!«
Da es leider nur ein Witz war, wurde auch weiterhin nicht gesiegt. Und so war aus dem mächtigen Kaiserreich bald eine kleine Republik geworden. Nach dem schwarzen Freitag, der am 25. Oktober 1929 an der New Yorker Börse zu nie da gewesenen Kursstürzen und zum Ende der amerikanischen Hochkonjunktur führte, waren die dramatischen Folgen auch in Europa spürbar. 200 000 Österreicher bezogen Ende des Jahres eine Arbeitslosenunterstützung, aber die tatsächliche Zahl der Menschen, die keine Beschäftigung hatten, war noch viel höher. Und Unternehmer lebten in ständiger Angst vor der möglichen Pleite.
»Fritz, ich muss dir etwas Ernstes mitteilen.«
»Mein Gott, was ist passiert?«
»Du weißt, dein Kassierer …«
»Ja, was ist mit ihm?«
»Ich habe ihn gestern im Hotel Orient gesehen, eng umschlungen mit deiner Frau!«
»Mein Gott, hast du mich erschreckt! Ich dachte schon, er ist mit der Kasse durchgegangen.«
Ein Kriminalfall wurde in diesen Tagen vor Gericht verhandelt.
RICHTER: Was ist Ihr Beruf?
ANGEKLAGTER: Versammlungsredner.
RICHTER: Bei welcher Partei?
ANGEKLAGTER: Bei den Kommunisten.
RICHTER: Und da haben Sie es notwendig, einbrechen und stehlen zu gehen?
ANGEKLAGTER: Ich hab’ halt auf eigene Faust mit dem Enteignen angefangen!
»Die Nächstenliebe beginnt bei sich selbst« Johann Nestroy, der Vater des österreichischen Humors
Wenn es so etwas wie einen Vater des österreichischen Humors gibt, dann ist es Johann Nestroy. Es mutet wie ein schlechter Witz der Geschichte an, dass gerade in den Tagen, als der bedeutendste österreichische Volksdichter seine zeitkritischen Werke verfasste, die Zensur besonders streng war. Nestroys bekannteste Possen und Lustspiele entstanden im Vormärz, in dem Staatskanzler Metternich ein ganzes Heer von Schnüfflern anstellte, die unbarmherzig jede Zeile strichen, die nicht ins Konzept passte. Nestroy musste sogar, weil er mit der Zensur in Konflikt geriet, mehrmals in den Arrest. Als er sich einmal auf der Bühne über die ewig zu klein geratenen Wiener Semmeln lustig machte, wurde er von der Bäckerinnung verklagt und vom Gericht zu einer 48-Stunden-Haft verurteilt. Bei seinem ersten – von den Wienern umjubelten – Auftritt nach verbüßter Strafe ließ er sich auf offener Bühne von einem Schauspielerkollegen befragen, wie die Verpflegung im Kerker gewesen sei. Nestroys Antwort lautete:
Das Hungern, Freunderl,
Braucht im Arrest net zu sein,
Man warf mir die Semmeln
Durchs Schlüsselloch rein!
Nestroy war am 7. Dezember 1801 als Sohn eines Notars in Wien zur Welt gekommen, brach das vom Vater verordnete Jusstudium ab, wurde Opernsänger, wandte sich dann aber dem Schauspiel zu. Da er keine geeigneten Stücke fand, begann er sich die Rollen auf den Leib zu schreiben.
Mit der Obrigkeit geriet Nestroy schon mit seinem ersten großen Erfolg, dem 1833 im Theater an der Wien uraufgeführten Zauberspiel Lumpazivagabundus, in Konflikt. Er selbst spielte den Schuster Knieriem, der Theaterdirektor Karl Carl den Tischler Leim und der Komiker Wenzel Scholz den Schneider Zwirn. Scholz baute in die Szene, in der das »liederliche Kleeblatt« auf Wanderschaft geht, einen kleinen Floh ein und sagte, als er das lästige braune Tier in seiner Hosentasche zu finden schien, zum Publikum gewandt: »Es is a Kapuziner!«
Da Verunglimpfungen staatlicher oder kirchlicher Stellen mit harten Strafen geahndet wurden, ging Wenzel Scholz wegen der Anspielung auf die braunen Kutten des Kapuzinerordens für acht Tage ins Gefängnis.
Wieder in Freiheit, strömten die Wiener ins Theater – schon, weil sie begierig waren, zu erfahren, wie sich der populäre Komödiant für die einwöchige Freiheitsberaubung revanchieren würde. Die Szene kam, das Spiel wiederholte sich, Wenzel Scholz suchte den Floh, fand ihn und sagte in den Zuschauerraum hinein: »Es is der nämliche!«
Jeder wusste, was gemeint war, aber die Behörde konnte nicht einschreiten.
Das berühmte Couplet Die Welt steht auf kan Fall mehr lang aus Lumpazivagabundus beruht auf der Tatsache, dass in dieser Zeit wirklich alle Welt glaubte, »der Komet« würde kommen und die Erde vernichten. Ein k. k. Hauptmann namens Wilhelm von Biela hatte einen Kometen entdeckt, der seit 1826 in der Monarchie für große Aufregung sorgte, weil er angeblich demnächst alles zerstören würde. Zur Musik von Adolph Müller sang Nestroy als trunksüchtiger Hobbyastronom Knieriem das Kometenlied – und damit das wohl populärste seiner Couplets.
Es is kein Ordnung mehr jetzt in die Stern,
D’ Kometen müssten sonst verboten wern;
Ein Komet reist ohne Unterlass
Um am Firmament und hat kein Pass;
Und jetzt richt a so a Vagabund
Uns die Welt bei Butz und Stingel z’grund;
Aber lass ma das, wie’s oben steht,
Auch unten sieht man, dass ’s auf ’n Ruin losgeht.
Abends traut man ins zehnte G’wölb sich net hinein
Vor Glanz, denn sie richten s’ wie d’ Feentempel ein;
Der Zauberer Luxus schaut blendend hervua,
Die böse Fee Krida sperrt nacher ’s G’wölb zua.
Da wird einem halt angst und bang,
Die Welt steht auf kein Fall mehr lang.
Nestroy schuf mehr als fünfzig Stücke, auf Lumpazivagabundus folgten Zu ebener Erde und erster Stock, Der Talisman und Das Mädl aus der Vorstadt, in denen er zum ungekrönten Meister pointierter Sprachkunst wurde, wie zahllose, oft bis heute gültig gebliebene Weisheiten belegen.
Der Mensch ist gut, die Leut’ sind ein Gesindel.
Spionieren ist eine schöne Sache: Man verschafft sich die Genüsse des Diebes und bleibt dabei ein ehrlicher Mensch.
Geld macht nicht glücklich, sagt ein Philosoph, der Gott gedankt hätt, wenn ihm wer eins g’liehen hätt.
Ich habe nie eine Frau geküsst, ohne zu erröten.