seitlich zur Tür und baute sich hier erwartungsvoll auf.
Sie sehnte sich geradezu nach Gangstern.
Die Schritte näherten sich der Tür zum Büro, verharrten, waren dann wieder zu hören und kamen noch näher.
Die nur halb geöffnete Tür quietschte in den Angeln, als sie vollends aufgestoßen wurde.
Die Detektivin hatte ihren perlenbestickten Pompadour bereits erhoben, um ihn auf den Eintretenden niederdonnern zu lassen. Ihre Augen funkelten vor Freude. Sie schien doch noch auf ihre Kosten zu kommen!
Sekunden später erschien der von Lady Agatha so sehnsüchtig erwartete Gangster.
Es handelte sich um einen Jungen von etwa zehn Jahren, der eine Schildkröte in der Hand hielt und neugierig ins Büro schaute.
*
Kathy Porter fühlte sich sehr wohl.
Sie saß in der Baubude der Arbeiter und ließ sich nach allen Regeln der Kunst verwöhnen. Die Männer kümmerten sich intensiv um die langbeinige junge Frau und hatten ihr selbstverständlich Kleidung zur Verfügung gestellt.
Kathy trug einen mehr als knapp sitzenden Overall, der ihre Brust nur unvollkommen bedeckte, was die Männer nicht ungern sahen. Sie hatten sich um sie geschart und wollten wissen, wer sie herumgehetzt hatte.
Kathy war vorsichtig und sagte nicht die ganze Wahrheit. Sie gab sich als Mannequin aus, das sich auf eine Zeitungsannonce hin gemeldet habe.
„Man sucht ein Modell für Schaufensterpuppen“, schwindelte sie, „und dann geriet ich an diese schrecklichen Typen da drüben im Haus. Was die wollten, können Sie sich ja vorstellen.“
Und ob sie das konnten! Sie hatten Kathy ja vor sich und genossen ihre Figur und ihren Charme.
„Es war schrecklich“, erinnerte sich Kathy gekonnt und senkte züchtig die Augen. „Sie rissen mir die Kleider vom Leib und wurden zudringlich. Ich konnte mich gerade noch im letzten Moment retten. Und wenn Sie nicht gewesen wären, ich weiß nicht, was die mit mir gemacht hätten.“
Die Arbeiter, die Kathy mit Brandy und Bier erfrischten, kamen schnell zu dem Schluß, diesen elenden Burschen eine Lektion zu erteilen. Sie schauten sich bereits nach handlichen Schlaginstrumenten um.
„Wer wohnt denn nun wirklich drüben in dem Haus?“ lenkte Kathy sie schleunigst mit ihrer Frage ab.
„Das is’ ’n Lagerhaus von irgendeinem Supermarkt“, hörte Kathy die erste Version.
„Supermarkt? Nee, das ist ein Lager von einem Warenhaus in der City“, bekam sie danach zu hören. „Harrod’s heißt das Kaufhaus, weiß ich ganz genau. Ich hab’ vor ein paar Monaten da mal gearbeitet.“
„Sind Sie sicher? Harrod’s?“ Kathy staunte, denn dieser Name hatte einen guten Klang. Sie kannte das Unternehmen, in dem es von Lebensmitteln bis zum Einfamilienhaus alles zu kaufen gab. Dieses Warenhaus konnte ihrer Ansicht nach niemals der Deckmantel für irgendwelche Gangstergeschäfte sein.
Die Arbeiter hatten sich inzwischen verständigt und wollten mit den Sittenstrolchen, von denen Kathy ausgiebig berichtet hatte, abrechnen. Sie waren nicht mehr zu halten. Fünf Männer, mit Schraubenschlüsseln und Rohrteilen bewaffnet, machten sich sofort auf den Weg, um die Ehre ihres Gastes zu rächen. Kathy dachte an die Schußwaffen der Gangster und versuchte die Männer zu stoppen, doch sie konnte ihre Kampfeslust nicht mehr bremsen. Sie verließen die Baubude und erschienen kurz danach oben auf der Planke und stürmten den Dachgarten. Dann konnte Kathy sie nicht mehr sehen.
Sie kamen schneller zurück als erwartet, erfreulicherweise unversehrt. Kathy ahnte, was passiert war.
„Ausgeflogen“, berichtete der stämmige Anführer des Stroßtrupps enttäuscht, „weit und breit von den Kerlen nichts zu sehen. Wir hätten uns früher auf die Socken machen sollen.“
„Der ganze Laden ist leer“, sagte ein zweiter Mann verärgert, „nichts als Kisten und Schaufensterpuppen.“
„Das Lager gehört zu Harrod’s Warenhaus“, sagte der Anführer. „Ich hab’ mich da drüben in ein paar Räumen mal umgesehen. Vielleicht sollten wir die Polizei verständigen.“
„Lieber nicht“, erwiderte Kathy schnell, die an einen gewissen Chefinspektor Sounders dachte, „mein Bedarf an Aufregungen ist gedeckt. Hauptsache, ich bin den Kerlen gerade noch entwischt. Wenn Sie mir jetzt ein Taxi besorgen könnten, wäre alles in bester Ordnung.“
Sie wollten sie natürlich noch nicht gehen lassen. Kathy mußte noch einige ordentliche Drinks zu sich nehmen, bevor sie endlich in einem Taxi saß. Sie merkte, daß sie einen leichten bis mittelschweren Schwips hatte, und fühlte sich sehr wohl und war gespannt, was Mister Parker und Lady Agatha zu ihrem aufregenden Abenteuer zu sagen hatten. Leider merkte sie nicht, daß ihr Taxi beschattet wurde.
Der Alkohol hatte ihre sonstige Vorsicht nachhaltig gedämpft.
*
„Wo sie aussteigt, wird sie ja auch wohl wohnen“, sagte der dickliche Melvin. Er saß neben dem schlanken Killer, der den Morris steuerte. Auf dem Hintersitz befand sich Richie, der sich den weißen Arztkittel längst abgestreift hatte.
„Und dann?“ wollte Richie wissen.
„Die Kleine weiß zu viel“, stellte Melvin fest. „Die ziehen wir aus dem Verkehr.“
„Unbedingt“, sagte Paul, der junge Killer. „Das Biest hat’s faustdick hinter den Ohren.“
„Die hat sich wie’n Profi benommen“, erinnerte sich Melvin. „Wir müssen wissen, wer sie ist.“
„Müssen wir nicht endlich den Chef informieren?“ fragte Paul.
„Sobald wir wissen, wer die Frau ist, Paul“, pflichtete Melvin dem Killer bei, „danach wird der Chef uns in jedem Fall fragen.“
„Erst schießen, dann fragen“, schlug Richie vor. „Ich weiß schon jetzt, daß sie uns Ärger machen wird.“
„Wohl wahnsinnig geworden, wie?“ Melvin drehte sich zu seinem Partner um und maß ihn mit verächtlichem Blick. „Als ob wir nicht schon genug Blödsinn gemacht hätten.“
„Halt dich an Paul, nicht an mich“, widersprach Richie, „er hat schließlich das kleine Biest im Spital abgefangen.“
„Hast du nicht mitgemacht?“ wehrte sich Paul ärgerlich. „Du hast sie doch unten im Keller betäubt. Warum hast denn du nichts gemerkt, du Wunderknabe?“
„Streiten könnt ihr euch immer noch“, dämpfte Melvin die Auseinandersetzung. „Hauptsache, wir fangen die Kleine wieder ein.“
„Während Helen Winters längst über alle Berge ist“, meckerte Richie weiter.
„Auch die bekommen wir noch“, sagte Melvin optimistisch. „Achtung, Paul, ich glaube, wir sind soweit.“
Das Taxi befand sich bereits in Shepherd’s Market und bog in einem kleinen quadratischen Platz ein, der von ehrwürdigen Fachwerkhäusern umsäumt war, und hielt dann vor einem besonders schönen und alten Haus.
Das Opfer der drei Killer stieg aus, redete kurz mit dem Taxifahrer und ging dann zur Haustür.
„Jetzt können wir sie abknipsen“, sagte Paul eifrig, „die steht wie auf ’nem Schießstand.“
„Finger weg von den Kanonen, ihr Idioten“, fuhr Melvin die beiden Killer an. „Fahr doch weiter, Paul, sie schöpft sonst Verdacht!“
„Wieso wohnt die Puppe in solch ’ner Bleibe?“ wunderte sich Richie ehrlich. „Dahinter scheint ’ne Menge Kies zu sein.“
Paul gab vorsichtig Gas und fuhr langsam weiter. Richie verrenkte sich fast den Kopf, bis er nichts mehr sah.
„Stop“, kommandierte Melvin, „sobald das Taxi abgehauen ist, fahren wir zurück, du kannst schon mal wenden, Paul.“