Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


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auf den Einstich, drückte Lady Agatha zurück in ihre Ecke und kümmerte sich weiter um seinen Partner Gus. Dies geschah nicht mehr so nachdrücklich wie noch vor wenigen Sekunden. Auch Lemmy war nämlich dem Gift der Hutnadel nicht gewachsen. Er wurde weich und schlaff und legte sich dann wie ein nasses Handtuch über die Rücklehne.

      „Was soll denn das, Lemmy?“ fuhr der seriös Gekleidete ihn wütend an, doch Lemmy lächelte nur glücklich wie ein Kleinkind, das gerade ausgiebig gefüttert, worden war, schloß die Augen und rührte sich nicht mehr.

      Der Fahrer war inzwischen nervös geworden.

      Er kam sich vorn am Steuer ziemlich allein vor und schien sich in den Praktiken einer Entführung überhaupt nicht auszukennen. Damm hatte er wohl die beiden Schlägertypen engagiert, die aber jetzt nicht mehr mitspielten.

      Hinzu kam die plötzliche Gesundung der älteren Dame.

      Von Herzbeschwerden war keine Rede mehr. Lady Agatha saß jetzt unternehmungslustig und straff auf dem Rücksitz und hielt ihre Lorgnette in der Hand. Sie hatte den Perlmuttgriff der Stielbrille abgezogen und verfügte über ein Stilett, daß sehr gefährlich aussah. Aus dem Griff war eine überzeugende Waffe geworden.

      „Nach Shepherd’s Market“, entschied sie mit grollender Stimme, „und gnade Ihnen Gott, wenn Sie Dummheiten machen, Sie Lümmel! Ich schneide Sie dann in handliche Streifen.“

      Der Fahrer spielte nervös.

      „Wird’s bald?“ fauchte Lady Simpson den Fahrer an und durchtrennte die Rückennaht des gutgeschnittenen Anzugs. Das rasiermesserscharfe Stilett zerschnitt allerdings auch das Oberhemd und die Unterwäsche, ja, es kitzelte sogar noch anschließend ein wenig die Haut des Fahrers.

      Der Seriöse stieß einen unterdrückten Schrei aus und warf sich nach vorn gegen das Steuerrad. Er rechnete fest damit, im nächsten Moment tatsächlich in Streifen aufgelöst zu werden.

      „Ich wiederhole mich nicht gern, Sie Flegel“, ließ Lady Simpson sich vernehmen. „Das habe ich besonders gern, eine alte und hilflose Frau zu erschrecken! Über dieses Thema werden wir uns noch ausführlich unterhalten!“

      Der Seriöse war wirklich nicht vom Fach.

      Er gehorchte und nutzte die nächstbeste Gelegenheit, Shepherd’s Market anzusteuern.

      „Nehmen Sie doch dieses schreckliche Messer weg“, bat er mit heiserer Stimme. „Sie werden mich ja noch umbringen, Madam.“

      „Dazu hätte ich wirklich die größte Lust“, gestand Lady Agatha grimmig. „Reizen Sie mich also nicht unnötig, sonst vergesse ich mich!“

      *

      Kathy Porter stand auf der anderen Seite der Tür und unterdrückte ein beschwipstes Kichern.

      Sie hatte den Mann vor der Tür genau erkannt. Es war dieser schreckliche Richie, dem sie doch gerade erst entwischt war. Der Gangster hatte keine Ahnung, daß er beobachtet wurde, wußte er doch nichts von den technischen Raffinessen dieses Hauses, die alle auf Kosten eines gewissen Josuah Parker gingen, der für sein Leben gern bastelte.

      Er wurde nicht müde, immer neue Konstruktionen zu ersinnen, die der Sicherheit der Hausbewohner dienten. Dazu gehörte in diesem Fall die versteckt angebrachte Fernsehkamera, die ein genaues Bild von dem Besucher lieferte. Trotz ihres Schwipses hatte Kathy sich an die Weisung Butler Parkers gehalten, vor Öffnen der Tür erst nachzusehen, wer Einlaß begehrte.

      Sie stand vor dem kleinen Fernsehapparat, der in einem Wandschrank in der Hausdiele installiert war. Kathy Porter kicherte und hatte überhaupt keine Angst. In diesem Haus fühlte sie sich so sicher wie in einer Festung. Sie dachte allerdings daran, diesem Killer eine derbe Lektion zu erteilen und zögerte keinen Moment.

      Die junge, langbeinige Sekretärin griff nach dem Schaltbrett neben dem Fernsehgerät und legte einen Kipphebel herum. Sie wußte, daß der Messingknopf jetzt unter Strom stand, wie er in Weidezäunen mit elektrischer Sicherung vorhanden ist. Und Kathy wartete voller Spannung darauf, daß dieser Killer Richie erneut seinen ungeschützten Zeigefinger auf den Knopf legte. Er tat ihr freundlicherweise diesen Gefallen.

      Im gleichen Moment hüpfte Richie senkrecht hoch und befand sich für Bruchteile von Sekunden etwa zwanzig Zentimeter über dem Steinboden. Dazu verzog sich sein Gesicht, und er stieß unverständliche Laute aus. Er riß den Finger vom Klingelknopf und landete dann wieder auf den Schuhsohlen. Jetzt sah sein Gesicht maßlos verblüfft und dumm aus.

      Kathy freute sich riesig. Die kleine Überraschung war also geglückt. Sie beobachtete weiter. Würde Richie noch mal den Klingelknopf betätigen?

      Neugierig war der Killer ohne Zweifel.

      Er sah sich den Messingknopf eingehend an, doch er riskierte es nicht, ihn noch mal zu berühren. Sein Bedarf an Aufmunterung war offensichtlich reichlich gedeckt. Er wandte sich ab und winkte aus dem Bild hinaus. Wenig später erschien neben ihm der zweite Killer, der junge Mann mit den grünlich schillernden Augen. Da Kathy auch die Sprechanlage eingeschaltet hatte, bekam sie jedes Wort der Unterhaltung genau mit.

      „Mach bloß nicht so ’n Theater“, sagte der junge Mann gereizt. „Was war denn los? Machst du neuerdings auf Grashüpfer?“

      „Blöder Hund!“ gab Richie gereizt zurück. „Drück doch du mal auf den Klingelknopf!“

      „Und wozu soll das gut sein?“ Der junge Gangster wartete die Erklärung seines Partners erfreulicherweise nicht ab, sondern läutete nachdrücklich.

      Worauf auch er einen elektrischen Schlag bekam. Er übertraf seinen Partner Richie in der Sprunghöhe um schätzungsweise drei Zentimeter, was Kathy als Rekord registrierte. Bisher war noch kein ungebetener Gast derart hoch gesprungen.

      „Weißt du jetzt, wozu das gut ist, Paul?“ erkundigte sich Richie schadenfroh, als der Killer wieder auf seinen Füßen stand.

      „Was war denn das?“ fragte Paul und rieb sich die noch schmerzende und prickelnde Hand.

      „Strom, was sonst?“

      „Das wird die Kleine büßen“, regte sich Paul auf und trat wütend gegen die Tür. „Dafür dreh ich die durch den Wolf.“

      „Erst mal haben, Paul! Schaffst du die Tür?“

      „Kleinigkeit“, behauptete Paul optimistisch und kam überhaupt nicht auf den Gedanken, daß auch das Türschloß vielleicht unter Strom stehen könnte. Er griff in seine Hosentasche und holte einen flachen Dietrich hervor, mit dem er sich dem sehr einfach aussehenden Türschloß näherte.

      Einen Augenblick später bemühte er sich, den eben erst aufgestellten Sprungrekord zu brechen. Er hüpfte noch höher und schaffte es tatsächlich. Dann fiel er gegen Richie und schnappte verzweifelt nach Luft.

      „Strom, wie?“ fragte Richie interessiert, nachdem Paul sich von seinem Rekordhüpfer etwas erholt hatte.

      „Saudumme Frage!“ knurrte Paul, „ich glaube, wir sollten abschieben, die da im Haus wissen doch längst, was hier läuft.“

      „Seid ihr eigentlich noch zu retten?“ mischte sich jetzt eine dritte Stimme ein. Melvin war nachgekommen und erschien auf dem Bildschirm. „Was soll denn die Springerei? Trainiert ihr für die Olympiade?“

      „Der Bau hier ist wie verhext“, sagte Richie.

      „Steht unter Strom“, fügte Paul hinzu.

      „Quatsch“, entschied Melvin. „Was soll denn hier unter Strom stehen?“

      „Der Klingelknopf“, sagte Richie.

      „Das Türschloß“, erklärte Paul und rieb sich die Hand.

      „So was gibt’s doch nicht!“ Melvin legte spontan seinen Finger auf den Messingknopf, worauf hinter der Haustür das Klingeln deutlich zu hören war. Mehr passierte nicht! Melvin erhielt zum sichtlichen Bedauern der beiden Killer keinen elektrischen Schlag, konnte ihn auch nicht bekommen, weil Kathy den bewußten Kipphebel wieder umgelegt hatte.