Günter Dönges

Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman


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oder im Laden. Aus Gründen der Einfachheit nahm er gleich drei dieser Masken mit, die er in eine große Tasche steckte.

      Je mehr er darüber nachdachte, desto brauchbarer schien ihm die Theorie von Lady Simpson. Sollte sie vielleicht auf Anhieb herausgefunden haben, worum es in diesem Fall ging?

      Parker hatte seinen Wagen erreicht und sah sich nach Lady Agatha um.

      Sie war nicht zu sehen.

      Parker kam ein schrecklicher Verdacht. Sollte sie etwa abgefangen worden sein? War auch sie entführt worden? Waren er und seine Herrin die ganze Zeit über beobachtet worden?

      Parker sah sich unauffällig nach allen Seiten um und hoffte immer noch, Lady Agatha würde im nächsten Moment auftauchen, hoffte dann aber, daß auch er gekidnappt würde. Doch nichts ereignete sich.

      Lady Agatha war und blieb, wie vom Erdboden verschluckt.

      Butler Parker hielt es für angebracht, Panik zu zeigen. Falls man ihn noch beobachtete, sollte der Eindruck entstehen, daß er jetzt schleunigst die Flucht ergriff.

      Er setzte sich für seine Begriffe schnell ans Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr rasant an. Dabei drehte und wendete er auffällig den Kopf, als fürchte er einen Angriff. Er fuhr auf die nächste Seitenstraße zu und riß den Wagen herum. Er täuschte ein Absetzungsmanöver vor und wartete darauf, daß sich im Rückspiegel endlich ein Verfolger zeigte.

      Es schien zu klappen.

      Als er in der Seitenstraße war, bog ein Ford um die Straßenecke und schloß zu ihm auf. Am Steuer saß ein Mann, der eine Sonnenbrille trug.

      War der erwartete Kontakt hergestellt?

      Leider war dem nicht so, wie sich Sekunden später herausstellte. Der Ford blieb vor einem Haus stehen und der Fahrer stieg aus. Parker fuhr weiter, entdeckte im Rückspiegel einen Motorradfahrer und schöpfte neue Hoffnung.

      Nun, der Motorradfahrer blieb ein paar Minuten lang hinter ihm, bog dann aber in eine schmale Seitenstraße ab. Wieder nichts. Man schien an seiner Verfolgung überhaupt nicht interessiert zu sein, man begnügte sich wohl mit Lady Simpson.

      Doch dann erschien wieder der Motorradfahrer im Rückspiegel. Er hatte wohl eine Abkürzung gewählt, um nicht aufzufallen. Der Fahrer sorgte jetzt für Abstand und blieb hinter dem Butler.

      Josuah Parker war zufrieden.

      Endlich war es doch noch zu einem ersten Kontakt gekommen. Jetzt galt es, diesen Motorradfahrer abzufangen und ihn zu befragen. Der Mann konnte sicher mit einigen wertvollen Auskünften dienen. Parker nahm sich vor, den Mann nach Shepherd’s Market zu locken. Im Haus der Lady Simpson konnte das geplante Interview in aller Ruhe und Intensität über die Bühne gehen.

      Um seine Herrin machte der Butler sich kaum Sorgen.

      Er kannte die Energie der Sechzigjährigen, aber auch ihre Listigkeit. Wer immer sie auch entführt haben mochte, ahnte nicht, was ihn an Überraschungen erwartete.

      *

      Zwei noch recht jung aussehende Männer hatten sich der Lady angenommen. Es handelte sich um Schlägertypen, die im Grund mit der älteren Dame recht wenig anzufangen wußten. Sie hatten Lady Agatha mit vorgehaltenen und schwingenden Fahrradketten gebeten, ihnen in einen Hausflur zu folgen.

      Normalerweise hätte die Detektivin sich widersetzt und es darauf ankommen lassen. Doch in diesem Fall suchte sie ja Kontakt mit der Gegenseite. Sie war bereit, dafür ein Risiko einzugehen. Natürlich gab Lady Simpson sich nicht kriegerisch, sondern spielte die leicht Vertrottelte, die überhaupt nicht begreift, was um sie herum vorgeht.

      Parker war mit dem Wagen bereits davongefahren.

      Agatha Simpson mimte einen leichten Schwächeanfall und taumelte gekonnt. Sie ließ sich schwer auf den größeren der beiden jungen Männer fallen und drückte ihn mit ihren nicht zu übersehenden Konturen gegen die Wand des Hausflurs. Ihr wogender Busen, der an den einer Wagner-Sängerin der alten Schule erinnerte, nagelte den Unglücklichen fest.

      „Lemmy, Hilfe“, keuchte der Schläger verzweifelt und versuchte, Lady Simpson von sich zu drücken.

      „Das hat uns gerade noch gefehlt“, meinte der angesprochene Lemmy, der nietenübersäte Lederkleidung trug. „Warte, Gus, ich wuchte sie hoch.“

      Lemmy und Gus mühten sich redlich und verzweifelt ab, die gewichtige Dame wieder auf die stämmigen Beine zu bringen. Da Lady Simpson sich besonders schwer machte, schufteten die beiden Schläger wie Schwerarbeiter.

      „Mein kleines dummes Herz“, keuchte Lady Agatha und verdrehte die Augen.

      „Hilfe“, gurgelte Gus und wuchtete die Frau zurück. Er litt unter Luftnot, denn sein Gesicht war unter Myladys Busen geraten. Lemmy zog und zerrte an Agatha Simpsons Schultern, bis sie es endlich geschafft hatten.

      Die ältere Dame stand wieder auf ihren Beinen, wirkte aber sehr unsicher und hilflos. Sie war gespannt, wie es weitergehen würde.

      „Endlich“, stieß Lemmy hervor und wies nach draußen auf die Straße. Ein alter Ford erschien vor dem Haus und wartete auf seine Fahrgäste. Agatha Simpson gab sich willenlos, als man sie zu diesem Wagen schob und dann auf den Rücksitz bugsierte. Sie keuchte wie unter einer Riesenanstrengung, als sie endlich saß.

      Sie sah sich den Mann am Steuer genau an.

      Er mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, trug einen seriösen und gut geschnittenen Anzug und eine randlose Brille. Die beiden jungen Schläger behandelten ihn respektvoll.

      „Was ist denn mit ihr los?“ fragte der Mann am Steuer irritiert, als die beiden Schläger in den Wagen stiegen.

      „Herzanfall“, behauptete Lemmy.

      „Die ist klapprig wie’n Oldtimer“, fügte Gus grinsend hinzu und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Wenn wir nicht aufpassen, kratzt sie uns ab.“

      Er hatte neben Lady Agatha Platz genommen und musterte sie kritisch. Er schöpfte verständlicherweise keinen Verdacht, als sie ihren Topfhut abnahm und nach dem Losfahren schon in der nächsten Kurve gegen ihn fiel.

      „Autsch“, sagte er allerdings, als er einen Stich über seiner Hüfte verspürte. Er rückte von der Frau ab und rieb sich die nur schwach schmerzende Stelle. Dann sah er, daß er von der großen Hutnadel gepiekt worden war, was ihn im Augenblick aber nicht sonderlich nervös machte.

      Innerhalb der nächsten Minuten fühlte er sich sogar recht wohl. Ihn erfaßte eine stille Heiterkeit und Gelassenheit. Ein recht freundliches Lächeln umspielte seine Lippen. Er schloß die Augen, um sich den bunten Farben hinzugeben, die er jetzt deutlich sah, und räkelte sich in seiner Sitzecke zusammen.

      Er konnte selbstverständlich nicht ahnen, daß die Spitze der Hutnadel präpariert war und diese Hutnadel eine gefährliche Waffe seiner Gegnerin darstellte. Parker hatte sich dieses unauffällig aussehende Verteidigungsmittel für Lady Simpson ausgedacht und sich von Chemikern und Ärzten beraten lassen. Die präparierte Hutnadelspitze enthielt eine Art Lähmungsmittel von größter Wirkungsbreite.

      „He, Gus, was is’ denn mit dir los?“ fragte Lemmy überrascht. Er saß vorn neben dem seriös gekleideten Fahrer und hatte sich gerade nach seinem Freund umgedreht. Lady Simpson drückte sich bereits wieder in ihre Wagenecke und hechelte wie ein Hund. Sie schien ihren Herzanfall noch immer nicht überstanden zu haben und reagierte nicht, als Lemmy seinen Partner erneut anrief, diesmal schärfer und drängender.

      Gus konnte gar nicht antworten, denn das Gift der Hutnadel kreiste bereits in seiner Blutbahn.

      „Da stimmt doch was nicht“, stellte Lemmy scharfsinnig fest, drehte sich vollends herum, kniete hoch und beugte sich über die vordere Sitzlehne nach hinten. Seine beiden Hände rüttelten an Gus’ Schultern.

      In diesem Moment mußte der Fahrer scharf bremsen.

      Prompt nutzte die listige Dame ihre Chance. Sie verlor erneut das Gleichgewicht, wurde aus ihrer Wagenecke nach