Distanz zum Kutter.
Durch das Nachtsichtgerät sah er viel früher als die drei Insassen, daß hinter dem Heck des Kutters plötzlich ein großes Motorboot kurvte, das bereits hohe Fahrt aufgenommen hatte.
Die jungen Männer im Schlauchboot wurden vollkommen überrascht, wollten sich schleunigst absetzen und gingen ebenfalls auf volle Fahrt. Sie erkannten wohl, daß man ihnen eine Falle gestellt hatte. Sie hielten dummerweise auf den Strand zu und räumten dem starkpferdigen Motorboot alle Chancen ein, noch aktiver zu werden.
Es war schrecklich, was Parker zu sehen bekam, ohne eingreifen zu können.
Der Bug des Motorbootes hielt genau auf das Schlauchboot zu und zerschnitt es praktisch in zwei Teile.
Gischt schäumte auf und nahm die Sicht.
Das Motorboot lag bereits in einer Kurve und raste zurück zur Unglücksstelle. Parker dachte unwillkürlich an den tödlich verunglückten Mann, der draußen in der See von einer Motorjacht zusammengefahren worden war. Sollte das Spiel sich hier wiederholen? Warum griff man vom Kutter aus nicht ein?
Parker schwenkte das Nachtsichtgerät herum.
Der Kutter hatte abgedreht und lief hinaus in die See. Er hatte seine Aufgabe als Tarnung für das Motorboot und als Falle für die jungen Leute beendet und setzte sich ab.
Das Motorboot befand sich bereits wieder an der Unglücksstelle, die in Wirklichkeit ein Tatort war! Das Motorboot kreuzte fast wütend durch die im Wasser zappelnden jungen Männer und versuchte sie mit seiner Schraube zu überlaufen. Hier sollte absichtlich getötet werden!
Parker pfiff in dieser Situation auf seine eigene Sicherheit.
Für den Fall des Falles hatte er sich eine Leuchtpistole mit ausreichender Munition besorgt.
Parker feuerte den ersten Schuß ab, aber keineswegs hoch zum Himmel, sondern waagerecht in Richtung Mordstelle.
Das Geschoß orgelte aus dem Lauf, zischte über die Wasseroberfläche und zerplatzte dicht vor dem Motorboot.
Das Motorboot reagierte augenblicklich, kurvte herum und raste auf Parker zu, der sich etwas verloren vorkam.
Er ließ sich jedoch keineswegs aus seiner gewohnten Ruhe bringen.
Als er die leere Patronenhülse aus dem dicken Lauf ziehen wollte, zeigte sich, daß sie sich stark verklemmt hatte. Für einen zweiten Schuß stand die Leuchtpistole leider nicht mehr zur Verfügung.
Und das Motorboot raste heran!
Es galt, Augenzeugen für immer auszuschalten.
*
„Diesen Mann darf man aber auch keinen Moment allein lassen“, grollte Lady Simpson wütend.
Zusammen mit Kathy Porter stand sie vor ihrem Wohnwagen und sah auf die See hinaus. Natürlich hatte sie das laute Motorengeräusch gehört und wenig später dann auch die Leuchtpatrone gesehen. Wer sie abgefeuert hatte, war ihr klar.
Mylady hatte sich einen weit wallenden Frisiermantel übergeworfen, Kathy neben ihr trug ein kurzes Shorty. Der Alkoholschwips war verflogen, sie war ganz bei der Sache.
„Stehen Sie nicht herum und ziehen Sie sich war über“, raunzte sie Sechzigjährige. „Sie holen sich sonst noch den Tod.“
Kathy Porter gehorchte und lief schnell zurück zu ihrem Wohnwagen, um sich den Bademantel zu holen. Sie griff durch die geöffnete Tür und wollte nach dem Kleidungsstück greifen. In diesem Augenblick fühlte sie eine starke Hand, die ihr Handgelenk umspannte. Bevor sie einen Warnschrei ausstoßen konnte, wurde sie bereits nachdrücklich in den Wohnwagen gezerrt.
Kathy hätte schreien können, doch sie hütete sich, das zu tun. Sie sah in die Mündung einer Schußwaffe, die ihr so groß vorkam wie ein Ofenrohr.
Der Mann mit der Waffe war für sie kein Unbekannter. Er kaute auf einem Zahnstocher und sah sie aus kühlen Augen an.
„Gehen wir“, sagte er dann lakonisch. „Hinter dir steht mein Partner.“
Kathy fiel auf den Trick herein und wandte sich halb um. In diesem Moment schlug der Mann mit dem Lauf der Waffe zu. Kathy verspürte einen stechenden Schmerz seitlich am Kopf und wurde dann ohnmächtig.
Der Mann hob sie auf und verschwand mit ihr zwischen den Wohnwagen. Er trug sie auf einen dreirädrigen Milchwagen zu, an dessen Steuer sein Partner saß.
„Ab geht die Post“, sagte der Mann und verstaute Kathy im Laderaum. „Was sind das doch alles für blutige Laien, man schämt sich ja direkt.“
Er ging nach vorn und wollte einsteigen, aber er schien eine gewisse Agatha Simpson bereits völlig vergessen zu haben. Und das sollte sich für ihn als noch besonders peinlich erweisen.
Nun gut, er konnte nicht wissen, daß Mylady in jungen Jahren äußerst sportlich gewesen war. Ihm war unbekannt, daß sie sich nach wie vor in Form hielt und zum Beispiel auf Golfplätzen eine gefürchtete Gegnerin war.
Mylady hatte sich in jungen Jahren in zwei Fällen an den Britischen Leichtathletikmeisterschaften beteiligt, und es war vor allen Dingen der Diskuswurf, den sie noch gut beherrschte. Vom Bogenschießen ganz zu schweigen, dessen Sport sie erst in den letzten zehn Jahren intensiv pflegte.
Welches Format sie als Diskuswerferin aufwies, sollte der Profi am eigenen Leib verspüren, denn plötzlich klebte an seinem Hinterkopf der solide Boden einer Thermoskanne. Da dieses Küchengerät mit viel Schwung in Bewegung gesetzt worden war, kippte der Profi sofort um und ging benommen zu Boden.
Der Mann am Steuer des Dreirads hatte die Thermoskanne natürlich nicht gesehen. Er wunderte sich nur über den Schwächeanfall seines Partners und war einen Moment lang ratlos. Er verzichtete darauf, aufs Gaspedal zu treten und die Flucht zu ergreifen. Nun riß er erst mal seine schallgedämpfte Waffe aus der Schulterhalfter und stieg aus. Er wollte sich um seinen Partner kümmern.
In diesem Augenblick befand sich bereits ein Campingsessel auf der Flugbahn.
Als der junge Profi das zischende Geräusch dieses seltsamen Flugapparates hörte, war es für ihn bereits zu spät. Das Sitzmöbel knallte ihm in den Nacken und warf ihn gegen den hinteren Aufbau des Dreirads. Die Lehne des Sessels streichelte dabei sein linkes Ohr und legte es in krause Falten.
Der Profi ahnte, aus welcher Richtung das Geschoß kam.
Trotz des ausdrücklichen Verbots seines Herrn und Meisters feuerte er zwei Geschosse ab, hielt sie aber bewußt hoch, um kein Unheil anzurichten. Dann riß er seinen immer noch benommenen Partner hoch und warf ihn hinten auf die Ladefläche zu Kathy, rannte nach vorn und setzte sich ans Steuer.
Als der Mann rasend startete, knallte eine Teekanne gegen die kleine Windschutzscheibe und zertrümmerte sie. Der Profi hielt sich nicht damit auf, die Größe dieses Schadens festzustellen, sondern fuhr weiter, als säße ihm der Teufel im Nacken.
Agatha Simpson erschien zwischen den Wohnwagen und sah dem davonjagenden Fahrzeug grimmig nach. Sie hatte das Gefühl, nicht nachdrücklich genug gewesen zu sein, worüber sie sich schrecklich ärgerte.
*
Parker, der stets auf korrekte Kleidung in allen Lebenslagen hielt, trug selbst im Schlauchboot seinen üblichen Anzug. Zur gestreiften dunklen Hose gehörten einfach diese Weste und der schwarze Zweireiher. Diese Korrektheit zahlte sich jetzt aus, daß sich in den zahlreichen Westentaschen Kugelschreiber aller Art befanden, die zwar regulär aussahen, es aber in Wirklichkeit keineswegs waren.
Da er mit der Leuchtpistole nichts mehr anfangen konnte, ließ er sie über Bord gehen und griff nach einem Kugelschreiber. Er wußte natürlich genau, wo der geeignete zu finden war.
Parker verdrehte die beiden Kugelschreiberhälften gegeneinander und richtete die Spitze auf den Bug des heranrasenden Bootes, das von Sekunde zu Sekunde immer größer und drohender wurde. Er behielt die Nerven und wartete den richtigen Moment genau ab.
Dann drückte der Butler auf den Haltclip,