Susan Schwartz

Perry Rhodan 3078: Pluto


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jedoch nicht nur den produktiven Nutzen aus handwerklicher Tätigkeit; auch Philosophen und Künstler waren hochgeschätzt, speziell die Sänger.

      Obyns Vater war ein hochberühmter Acht-Terza-Sänger, ihre Mutter arbeitete als Architektin an der Modernisierung von Gefilde-1. Von allen Kindern war Obyn die Einzige, die überhaupt nichts von ihren Eltern geerbt zu haben schien. Schon früh wurde ihr Talent für die Kriegsführung erkannt, was zum ersten Mal in der Familie vorkam. Sie war eine herausragende Strategin und Kämpferin in allen Disziplinen, sodass ihr die Wahl der Ausbildung leichtfiel. Man sollte dem nachkommen, was man am besten konnte.

      Obyn fühlte sich verpflichtet, dem Schutz des Volkes zu dienen, und akzeptierte ihre Berufung. Es gab zwar die eine oder andere Allianz auf verschiedenen Gebieten mit den anderen drei Wüsten, aber diese waren brüchig.

      Es herrschte immer Knappheit an Ressourcen. Und deswegen gab es stets Krieg. Das Militär stellte die größte Gruppe innerhalb der Zivilisation und daher genossen alle seine Angehörigen, ob nun Stratege, Soldat, Waffenschmied oder Flugzeugkonstrukteur, die meisten Privilegien.

      Ihren größten Triumph erlebte Obyn im Siebenten Yacol-Yakurschen Krieg. Er machte sie zur Legende, und man erwartete von ihr als nunmehr alter Frau, dass sie, wenn sie schon nicht in der Großstadt bleiben wollte, von Gefilde zu Gefilde zog, um von dem großen Sieg zu erzählen und die Jugend dazu anzuhalten, die Yacol zu schützen und in eine moderne Zukunft zu bringen.

      *

      »Ich verstehe es immer noch nicht, Jinirali«, sagte Khyarat zwischen zwei Bissen. »Warum willst du ausgerechnet von Oase zu Oase ziehen?«

      Er schob mit einem Stock die Glut beiseite und holte das Fladenbrot heraus. Gleichzeitig stellte er eine kleine Kanne hinein, die er mit Wasser gefüllt und einige Kräuter hineingeworfen hatte.

      »Sie bedingen unser Überleben, mein Hilfesteller«, antwortete sie. »Dort leben Angehörige unseres Volkes, wie Verbannte, weil die Städter sie meiden, und sie brauchen Zuspruch. Wo wären wir ohne sie? Nicht in der Luft, ohne Holz, ohne Energie. Sie haben nur die Karawanen, um Kontakt zu uns zu halten. Da ist es das Mindeste, dass ich sie wenigstens einmal aufsuche und ihnen danke. Ohne sie wäre der Sieg nicht unser gewesen.«

      »Und deine Kinder willst du nicht besuchen?«

      »Das kann ich anschließend tun. Diese Reise wird kürzer sein und soll den Abschluss bilden, denn meine Kinder werden mir danken, wenn ich schnell weiterziehe. Sie haben Angst, ich würde ihnen zur Last fallen, weil ich gebrechlich werden könnte.« Obyn lachte glucksend. »Ich bin sehr stolz auf sie alle, was sie erreicht haben. Und ich will ihnen nicht zur Last fallen, aber ein letzter Besuch wäre schön. Wir könnten dies mit deinen Besuchen verbinden, Khyarat.«

      »Ja, ich habe meine Kinder lange nicht mehr besucht, das ist wahr.«

      »Wir vergessen unsere Ursprünge«, murmelte Obyn.

      Dass sie zu einer Yacol-Oase zog, war nur ein schwacher Trost für das, was sie eigentlich wollte: in die Wüste Yagerm reisen, denn dort sollten die Yenranko einst entstanden sein und sich anschließend ausgebreitet haben. Dies hatten die Wissenschaftler herausgefunden, allen voran Pyrest, auf den Obyn große Stücke hielt, und den sie leider nie persönlich getroffen hatte.

      Aber wie sollte sie es anstellen, nach Yagerm zu reisen? Sie benötigte dafür Ausrüstung, ein Flugzeug, Begleitung. Und damit würden ihre geheimen Gedanken offenbart, und sie würde in die Wüste hinausgeschickt, aber anders als gewünscht.

      »Die Lichthand Yomira hat uns am Tage der Glut aus Sand und Seelenlaib gebacken und mit dem Strahl der Einsicht versehen!«, dozierte Khyarat voller Eifer. »Wie könnten wir das als unseren Ursprung vergessen? Und die Lichthand leitet noch heute unsere Geschicke.«

      »Ich bin kein Lichthandreicher wie du, Khyarat, und ich werde nie einer sein.«

      »Aber ich bin gewiss, du wirst endlich überzeugt sein, wenn wir das nächste Mal von der Lichthand berührt werden. Das geschieht, und zwar exakt alle 58,83 Jahre, das ist wissenschaftlich erwiesen! Und du glaubst schließlich der Wissenschaft, oder? Du und ich, wir werden es erleben, denn bald ist es so weit!« Khyarat steigerte sich immer mehr in Begeisterung.

      »Ich glaube eher, dass diese Berührung eine Massenhysterie ist, du mögest mir verzeihen«, erwiderte Obyn.

      »Ach ja? Und wieso ist dann dieser exakte Zeitraum in der Historie verzeichnet?«

      »Vielleicht liegt es an einer Periodizität unseres Lebensspenders? Ein besonderer Glutsturm, oder diese seltsamen Flecken ...«

      »Die Lichthand Yomira ist unser Lebensspender, wie du sagst, ganz ohne Zweifel muss es damit zusammenhängen! Doch wir werden zu dem Zeitpunkt auf besondere Weise berührt, und ich bin froh, dabei zu sein, wenn auch du es erlebst und bekehrt wirst!«

      »Dann ist es ja gut, dass wir zwischen den Oasen unterwegs sind, denn, ich darf zitieren, die Wege der Weisheit führen durch die Wüste.«

      »Oh! Jinirali, mich mit meinen Waffen zu schlagen, ist nicht nett!«

      »Ich bin nicht nett, Hilfesteller, der du einst mein Erster Offizier gewesen bist. Wäre ich je nett gewesen, hätte ich niemals eine Waffe in die Hand genommen.«

      Ich habe gekämpft und Blut vergossen, nur um am Ende zu erkennen, wie sinnlos das alles ist, und dass unser Volk nicht dadurch groß werden kann, indem wir unter unseresgleichen zu Feinden werden, indem wir Kriege führen und uns dezimieren, anstatt weiterzuwachsen und mehr Technik zu entwickeln. Nur so kann Khyarats Glaube Wirklichkeit werden, nach Höherem zu streben und berührt zu werden.

      Sie sagte ihrem Begleiter nicht, welche Albträume von den Schlachtfeldern sie nachts quälten; als Kriegsheldin war das ausgeschlossen. Ums Überleben zu kämpfen, damit hatte sie kein Problem, auch nicht mit dem Töten. Aber die Gründe für einen Krieg waren zumeist absurd und die Konflikte meist auf friedliche Weise lösbar.

      Dass die glühende Lichthand dort oben all dies zulassen sollte, war ein Grund für Obyn, sich von ihr abzuwenden, denn sie sah keinen Sinn darin. Und sie glaubte auch nicht, geformt und gebacken worden zu sein wie Fladenbrot. Es gab Hinweise, Überreste aus uralter Zeit, die zeigten, dass die Yenranko sich einst aus einem einzigen Stamm entwickelt hatten, bevor sie die Wüsten unter sich aufteilten und Grenzen zogen.

      Die Welt war keineswegs so einfach, wie sie meist dargestellt wurde, sondern ein komplexes Gefüge, das eines Tages auseinanderbrechen konnte, sollte es je eine Störung von außen geben. Und ausgerechnet wegen der herbeigesehnten Berührung hegte Obyn diesbezüglich Befürchtungen. Sie konnte aber nicht erklären, warum das so war.

      Es musste wohl damit zusammenhängen, dass sie von Kindheit an, seit sie bewusst denken konnte, das seltsame Gefühl gehabt hatte, am Rand zu stehen. Sie hatte sich stets mittendrin aufgehalten durch ihre Wahl des Militärs und ihren rasanten Aufstieg, doch nie hatte sie den Eindruck gehabt, dazuzugehören. Als gäbe es eine hauchdünne, unsichtbare Wand zwischen ihr und der Welt.

      Sie hatte es nie in Worte kleiden können und hätte es ohnehin nie gewagt, darüber zu sprechen. Yacol waren eine Einheit, das durfte niemals infrage gestellt werden.

      Deshalb war sie auf dieser ungewöhnlichen Reise unterwegs und suchte nach einem Weg aus ihrem lebenslangen Konflikt, endlich ihre wahren Gedanken offenbaren zu dürfen. In all der langen Zeit hatte sie nie jemanden getroffen, der auch nur den Hauch einer Andeutung gemacht hätte, dass er so ähnlich dachte wie sie. Nicht einmal in der Wissenschaft hatte sie Hilfe gefunden.

      Was war es, das sie von ihrem eigenen Volk trennte? Fand sie die Antwort in einer der Oasen? Das waren schließlich geheimnisvolle Orte, die nur von Karawanen bereist wurden, und wer sich dort niederließ, war von seltsamem Charakter. Schließlich verbrachte man den Großteil seines Lebens auf dem Sand, nicht darunter. Dafür waren nicht alle geschaffen.

      »Das Brot schmeckt ebenfalls sehr gut«, sagte Obyn versöhnlich und brach ein Stück ab.

      »Aber wohl kaum ohne Tee.« Khyarat goss zwei kleine Tonbecher aus dem Kännchen voll und reichte ihr das dampfende