Logik reicht«.98 Mit diesem Satze aus dem Jahre 1796 kombiniere man den gleichzeitigen: »Die Mitteilbarkeit des wahren Systems kann nur beschränkt sein; das läßt sich a priori beweisen«,99, um zu erkennen, wie bewußt Schlegel sich schon frühe als Mystiker fühlte. In den Vorlesungen ist dann dieser Gedanke zum unverhülltesten Ausdruck gekommen: »Das Wissen geht bloß nach innen, ist an und für sich selbst unmitteilbar, wie dann auch nach dem gewöhnlichen Ausdruck der Nachdenkende sich in sich selbst verliert … Erst durch die Darstellung kommt … die Gemeinsamkeit … Es läßt sich freilich annehmen, daß es ein inneres Wissen gibt vor aller Darstellung oder jenseits derselben; aber dies ist … in dem Grade unverständlich, als es darstellungslos ist«.100 Novalis ist hierin mit Schlegel einig: die Philosophie »ist eine mystische … durchdringende Idee, die uns unaufhaltsam nach allen Richtungen hineintreibt«.101 – In seiner Terminologie hat sich die mystische Tendenz von Friedrich Schlegels Philosophieren am klarsten ausgeprägt. Im Jahre 1798 schreibt sein Bruder an Schleiermacher: »Die Randglossen meines Bruders rechne ich auch zu dem Gewinn; denn sie gelingen ihm weit besser als ganze Briefe, sowie Fragmente besser als Abhandlungen und selbstgeprägte Wörter besser als Fragmente. Am Ende beschränkt sich sein ganzes Genie auf mystische Terminologie«.102 Wirklich hat das, was A. W. Schlegel sehr treffend als mystische Terminologie bezeichnet, den genauesten Zusammenhang mit Friedrich Schlegels Genie, mit seinen bedeutendsten Konzeptionen und seiner eigentümlichen Denkweise. Diese nötigte ihn, zwischen dem diskursiven Denken und der intellektuellen Anschauung eine Vermittlung zu suchen, da das eine seiner auf intuitives Begreifen gerichteten Intention, die andere seinem systematischen Interesse nicht genügte. Er fand sich also, da sein Denken nicht systematisch entfaltet, wohl aber durchaus systematisch orientiert war, vor das Problem gestellt, mit äußerster Eingeschränktheit des diskursiven Denkens das Maximum an systematischer Tragweite der Gedanken zu verbinden. Was insbesondere die intellektuelle Anschauung betrifft, so ist Schlegels Denkweise im Gegensatz zu derjenigen vieler Mystiker ausgezeichnet durch Indifferenz gegen Anschaulichkeit; er beruft sich nicht auf intellektuelle Anschauungen und entrückte Zustände. Vielmehr sucht er, um es in eine Formel zusammenzufassen, eine unanschauliche Intuition des Systems, und er findet sie in der Sprache. Die Terminologie ist die Sphäre, in welcher jenseits von Diskursivität und Anschaulichkeit sich sein Denken bewegt. Denn der Terminus, der Begriff enthielt für ihn den Keim des Systems, war im Grunde nichts anderes als ein präformiertes System selbst. Schlegels Denken ist ein absolut begriffliches, d. h. sprachliches. Die Reflexion ist der intentionale Akt absoluter Erfassung des Systems und die adäquate Ausdrucksform dieses Aktes ist der Begriff. In dieser Anschauung liegt das Motiv der zahlreichen terminologischen Neubildungen Friedrich Schlegels und der tiefste Grund seiner ständig erneuerten Benennungen des Absoluten. – Für das frühromantische Denken ist dieser Denktypus charakteristisch, er findet sich auch bei Novalis, obschon weniger ausgeprägt als bei Schlegel. Der letzte hat die Beziehung des terminologischen Denkens auf das System in den Vorlesungen klar ausgesprochen: »der Gedanke eben, worin man die Welt in eins zusammenfassen und den man wieder zu einer Welt erweitern kann, … ist, was man Begriff nennt«.103 »… so wäre sehr wohl ein System vielmehr nur ein umfassender Begriff zu nennen.«104 Aber auch wenn im Athenäum gesagt wird: »Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschließen müssen, beides zu verbinden«105, kann als Organon dieser Verbindung wieder nichts anderes als der begriffliche Terminus gedacht sein. Im Begriff allein kann auch die individuelle Natur, die Schlegel, wie gesagt, dem System vindiziert, zum Ausdruck gelangen. – Ganz allgemein heißt es von den sittlichen Menschen: »Ein gewisser Mystizismus des Ausdrucks, der bei einer romantischen Phantasie und mit grammatischem106 Sinn verbunden etwas sehr Reizendes und etwas sehr Gutes sein kann, dient ihnen oft als Symbol ihrer schönen Geheimnisse«107. Ähnlich schreibt Novalis: »Wie oft fühlt man die Armut an Worten, um mehrere Ideen mit einem Schlage zu treffen«.108 Und umgekehrt: »Mehrere Namen sind einer Idee vorteilhaft«.109
Die allgemeinste Rolle hat diese mystische Terminologie in der Frühromantik in der Form des Witzes gespielt. Neben Friedrich Schlegel haben sich auch Novalis und Schleiermacher für dessen Theorie interessiert; sie nimmt in den Fragmenten des ersten einen breiten Raum ein. Im Grunde ist sie keine andere als die Theorie der mystischen Terminologie. Diese ist der Versuch, das System beim Namen zu nennen, d. h. in einem mystischen individuellen Begriff so zu erfassen, daß die systematischen Zusammenhänge in ihm inbegriffen sind. Die Voraussetzung eines stetigen medialen Zusammenhanges, eines Reflexionsmediums der Begriffe liegt dabei vor. Im Witz tritt, wie im mystischen Terminus, jenes begriffliche Medium blitzartig in Erscheinung. »Ist aller Witz Prinzip und Organ der Universalphilosophie und alle Philosophie nichts anderes als der Geist der Universalität, die Wissenschaft aller sich ewig mischenden und wieder trennenden Wissenschaften, eine logische Chemie, so ist der Wert und die Würde jenes absoluten, enthusiastischen, durch und durch materialen Witzes, worin Baco und Leibniz … jener einer der ersten, dieser einer der größten Virtuosen war, unendlich.«110 Wenn der Witz bald als »logische Geselligkeit«111, bald als »chemischer … Geist«112, als »fragmentarische Genialität«113, oder als »prophetisches Vermögen«114 charakterisiert, wenn er bei Novalis als ein »magisches Farbenspiel in höheren Sphären«115 bezeichnet wird, so ist dies alles von der Bewegung der Begriffe in ihrem eigenen Medium gesagt, welche im Witz bewirkt und im mystischen Terminus bezeichnet wird. »Witz ist die Erscheinung, der äußere Blitz der Phantasie. Daher … das Witzähnliche der Mystik.«116 In dem Aufsatz »Ueber die Unverständlichkeit« will Schlegel zeigen, »daß die Worte sich selbst oft besser verstehen, als diejenigen, von denen sie gebraucht werden, … daß es unter den philosophischen Worten … geheime Ordensverbindungen geben muß; … daß man die reinste und gediegenste Unverständlichkeit gerade aus der Wissenschaft und aus der Kunst erhält, die ganz eigentlich aufs Verständigen und Verständlichmachen ausgehen, aus der Philosophie und Philologie«.117 Gelegentlich hat Schlegel von einer »dicke(n), feurige(n) Vernunft« gesprochen, »welche den Witz eigentlich zum Witz macht und dem gediegenen Stil das Elastische gibt und das Elektrische«. Indem er diese dem »was man gewöhnlich Vernunft nennt« gegenüberstellte118, hat er offenbar seine Art zu denken höchst treffend bezeichnet. Es war, wie schon gesagt wurde, die eines Menschen, dem jeder einzelne Einfall die ganze ungeheure Ideenmasse in Bewegung setzte, der Phlegma mit Glut im Ausdruck seiner geistigen wie seiner leiblichen Physiognomie vereinigte. Es soll schließlich im Vorbeigehen die Frage aufgeworfen werden, ob nicht jener terminologischen Tendenz, die bei Schlegel so klar und bestimmend hervortritt, für alles mystische Denken eine typische Bedeutung zukomme, deren nähere Untersuchung sich verlohnen und schließlich auf das a priori, das der Terminologie jedes Denkers zugrunde liegt, führen würde.
Nicht sowohl aus polemischen und rein literarischen Motiven, als vielmehr auf Grund der dargestellten tieferen Tendenzen ist die romantische »Kunstsprache«119 gebildet worden, von deren »hypertrophische(r) Ausbildung«120 Elkuß spricht. Aber er verkennt dabei nicht: »Jene Spekulationen werden ja für das Bewußtsein jedes Einzelnen durchaus eine reale Funktion besessen haben, und es entsteht die schwierige Aufgabe, den Inbegriff von Bedürfnis … und Erkenntnis zu entwickeln, den die romantische Schule in allen jenen Hieroglyphen von der Transzendentalpoesie bis zum magischen Idealismus zu besitzen meinte«.121 Groß ist in der Tat die Anzahl jener hieroglyphischen Ausdrücke; für einige von ihnen, wie den Begriff der Transzendentalpoesie und der Ironie, wird sich eine Erklärung im Laufe der Arbeit ergeben, andere, wie die Begriffe des Romantischen und der Arabeske, können hier nur ganz kurz, wieder andere, wie z. B. der der Philologie, gar nicht behandelt werden. Dagegen ist der romantische Begriff der Kritik selbst ein exemplarischer Fall mystischer Terminologie, und aus diesem Grunde ist denn auch diese Arbeit nicht Wiedergabe einer romantischen Theorie der Kunstkritik, sondern die Analysis ihres Begriffs. Diese kann hier noch nicht seinen Gehalt, sondern nur seine terminologischen Beziehungen treffen. Sie führen über die engere Bedeutung des Wortes Kritik als Kunstkritik hinaus, und es muß daher ein Blick auf die merkwürdige Verkettung fallen, durch welche der Begriff der Kritik zum esoterischen Hauptbegriff der Romantischen Schule, neben jenem Terminus, der ihr den Namen gibt, wurde.
Von allen philosophischen und ästhetischen Fachausdrücken