Rapports mit sich selbst habe, wie das Eisen im Magnetism«.148 In diesen Rapports erblickt er die Reflexion des Gegenstandes; wieweit er damit Goethes Meinung traf, muß hier dahingestellt bleiben. – Das Medium der Reflexion, des Erkennens und des Wahrnehmens fällt bei den Romantikern zusammen. Der Terminus der Beobachtung spielt auf diese Identität der Medien an; was im gewöhnlichen Experiment als Wahrnehmung und planmäßige Einrichtung des Versuchsverlaufs getrennt ist, ist in der magischen Beobachtung vereinigt, die ja selbst ein Experiment, nach dieser Theorie das einzig mögliche Experiment ist. Man darf diese magische Beobachtung im Sinn der Romantiker auch eine ironische nennen. Sie beobachtet nämlich an ihrem Gegenstand nichts Einzelnes, nichts Bestimmtes. Keine Frage an die Natur liegt diesem Experiment zugrunde. Vielmehr faßt die Beobachtung nur die aufkeimende Selbsterkenntnis im Gegenstand ins Auge, oder vielmehr, sie, die Beobachtung ist das aufkeimende Gegenstandsbewußtsein selbst. Mit Recht darf sie also eine ironische heißen, weil sie im Nicht-Wissen – im Zuschauen – besser weiß, – identisch mit dem Gegenstand ist. Es wäre also erlaubt, wenn es nicht richtiger wäre, diese Korrelation überhaupt aus dem Spiel zu lassen, von einer Koinzidenz der objektiven und der subjektiven Seite in der Erkenntnis zu sprechen. Simultan jeder Erkenntnis eines Gegenstandes ist das eigentliche Werden dieses Gegenstands selbst. Denn die Erkenntnis ist, nach dem Grundsatz der Gegenstandserkenntnis, ein Prozeß, der das zu Erkennende erst zu dem, als was es erkannt wird, macht. Daher sagt Novalis: »Der Beobachtungsprozeß ist ein zugleich subjektiver und objektiver Prozeß, ideales und reales Experiment zugleich. Satz und Produkt müssen zugleich fertig werden, wenn er recht vollkommen ist. Ist der beobachtete Gegenstand ein Satz schon und der Prozeß durchaus in Gedanken, so wird das Resultat … derselbe Satz nur in höherem Grade sein«.149 Mit dieser letzten Bemerkung geht Novalis über die Theorie der Naturbeobachtung zur Theorie der Beobachtung geistiger Gebilde über. Der »Satz« in seinem Sinne kann ein Kunstwerk sein.
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Zweiter Teil:
Die Kunstkritik
~I. Die frühromantische Theorie der Kunsterkenntnis~
Die Kunst ist eine Bestimmung des Reflexionsmediums, wahrscheinlich die fruchtbarste, die es empfangen hat. Die Kunstkritik ist die Gegenstandserkenntnis in diesem Reflexionsmedium. In der folgenden Untersuchung ist also darzustellen, welche Tragweite die Auffassung der Kunst als eines Reflexionsmediums für die Erkenntnis ihrer Idee und ihrer Gebilde sowie für die Theorie dieser Erkenntnis hat. Die letzte Frage ist durch alles Vorhergehende soweit gefördert, daß es nur einer Rekapitulation bedarf, um die Betrachtung von der Methode der romantischen Kunstkritik zu deren sachlicher Leistung überzuführen. Selbstverständlich wäre es völlig verfehlt, bei den Romantikern nach einem besonderen Grund zu suchen, aus dem sie die Kunst als ein Reflexionsmedium betrachten. Für sie war diese Deutung alles Wirklichen, also auch der Kunst, ein metaphysisches Credo. Es ist, wie schon in der Einleitung angedeutet wurde, nicht der zentrale metaphysische Grundsatz ihrer Weltanschauung gewesen, dazu ist sein spezifisch metaphysisches Gewicht bei weitem zu gering. Aber wie sehr auch dieser Zusammenhang darauf angewiesen ist, diesen Satz nach Analogie einer wissenschaftlichen Hypothese zu behandeln, ihn nur immanent klar zu legen und an seiner Leistung für die Auffassung der Gegenstände zu entfalten, so ist nicht zu vergessen, daß in einer Untersuchung der romantischen Metaphysik, des romantischen Geschichtsbegriffs, diese metaphysische Anschauung alles Wirklichen als eines Denkenden noch andere Seiten an den Tag legen würde, als es mit Beziehung auf die Kunsttheorie geschieht, für welche ihr erkenntnistheoretischer Gehalt vor allem ins Gewicht fällt. Seine metaphysische Bedeutung dagegen wird in dieser Abhandlung nicht eigentlich erfaßt, sondern nur in der romantischen Kunsttheorie berührt, welche freilich ihrerseits unmittelbar und mit ungleich größerer Sicherheit die metaphysische Tiefe des romantischen Denkens erreicht.
An einer Stelle der Windischmannschen Vorlesungen ist noch der schwache Nachklang des Gedankens zu vernehmen, der Schlegel zur Athenäumszeit mächtig bewegte und seine Theorie der Kunst bestimmte. »Es gibt … eine Art des Denkens, die etwas produziert und daher mit dem schöpferischen Vermögen, das wir dem Ich der Natur und dem Welt-Ich zuschreiben, große Ähnlichkeit der Form hat. Das Dichten nämlich; dies erschafft gewissermaßen seinen Stoff selbst«.150. An jener Stelle hat der Gedanke keine Bedeutung mehr. Er ist jedoch der klare Ausdruck von Schlegels älterem Standpunkt, daß nämlich die Reflexion, welche er früher als Kunst dachte, absolut schöpferisch, inhaltlich erfüllt sei. So kannte er denn in der Zeit, auf welche sich diese Untersuchung bezieht, auch noch nicht jenen Moderantismus im Reflexionsbegriff, demzufolge er in den Vorlesungen der Reflexion den sie begrenzenden Willen gegenüberstellt (s. o. p.37). Früher kannte er nur eine relative, autonome Begrenzung der Reflexion durch sich selbst, die, wie sich ergeben wird, in der Kunsttheorie eine wichtige Rolle spielt. Die Schwäche und Gesetztheit des späteren Werkes beruht auf der Einschränkung der schöpferischen Allmacht der Reflexion, welche einst für Schlegel in der Kunst sich am deutlichsten offenbart hatte. Mit ähnlicher Deutlichkeit, wie an jener Stelle der Vorlesungen, hat er in der Frühzeit die Kunst als ein Reflexionsmedium nur in dem berühmten 116. Athenäumsfragment bezeichnet, in dem es von der romantischen Poesie heißt, daß sie »am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden151 frei von allem … Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen« kann. Von dem produktiven und rezeptiven Verhältnis zur Kunst sagt Schlegel: »Das Wesen des poetischen Gefühls liegt vielleicht darin, daß man sich ganz aus sich selbst affizieren … kann«152. Das heißt: Der Indifferenzpunkt der Reflexion, an dem diese aus dem Nichts entspringt, ist das poetische Gefühl. Ob in dieser Formulierung eine Beziehung auf Kants Theorie vom freien Spiel der Gemütsvermögen liegt, in welchem der Gegenstand als ein Nichts zurücktritt, um nur den Anlaß einer selbsttätigen, inneren Stimmung des Geistes zu bilden, wird sich schwer entscheiden lassen. Übrigens liegt die Untersuchung des Verhältnisses der frühromantischen zu der Kantischen Kunsttheorie nicht im Rahmen dieser Monographie über den romantischen Begriff der Kunstkritik, weil von hier aus jenes Verhältnis nicht erfaßt werden kann. – In vielen Wendungen hat auch Novalis zu verstehen gegeben, daß die Grundstruktur der Kunst die des Reflexionsmediums sei. Der Satz: »Dichtkunst ist wohl nur willkürlicher, tätiger, produktiver Gebrauch unserer Organe – und vielleicht wäre Denken selbst nicht viel etwas anderes – und Denken und Dichten also einerlei«153 ähnelt sehr dem oben angezogenen Schlegelschen Ausspruch in den Vorlesungen, und weist in jene Richtung. Ganz deutlich faßt Novalis die Kunst als das Reflexionsmedium κατ’ ἐξοχὴν auf, verwendet das Wort Kunst geradezu als terminus technicus für dasselbe, wenn er sagt: »Der Anfang des Ich ist bloß idealisch … der Anfang entsteht später als das Ich; darum kann das Ich nicht angefangen haben. Wir sehen daraus, daß wir hier im Gebiet der Kunst sind«.154 Und wenn er fragt: »Gibt es eine Erfindungskunst ohne Data, eine absolute Erfindungskunst?«,155 so ist dies einerseits die Frage nach einem absoluten neutralen Ursprung der Reflexion und andererseits hat er selbst in seinen Schriften oft genug die Dichtkunst als jene absolute Erfindungskunst ohne Data gekennzeichnet. Er legt gegen die Theorie der Brüder Schlegel von der Künstlichkeit Shakespeares Verwahrung ein und erinnert sie, daß die Kunst »gleichsam die sich selbst beschauende, sich selbst nachahmende, sich selbst bildende Natur ist«.156 Dabei ist weniger die Meinung, daß die Natur das Substrat der Reflexion und der Kunst sei, als daß die Integrität und Einheit des Reflexionsmediums gewahrt bleiben solle. Für diese scheint Novalis an dieser Stelle Natur ein besserer Ausdruck als Kunst, und so soll man es nach ihm auch für die Erscheinungen der Poesie bei dieser Bezeichnung, die doch nur für das Absolute steht, belassen. Oft aber wird er ganz übereinstimmend mit Schlegel die Kunst für den Prototyp des Reflexionsmediums halten und dann sagen: »Die Natur zeugt, der Geist macht. Il est beaucoup plus commode d’être fait que de se faire lui-même (sic!)«.157. Also ist Reflexion das Ursprüngliche und Aufbauende in der Kunst wie in allem Geistigen. So entsteht Religion nur, indem »das Herz … sich selbst empfindet«,158 und für die Poesie gilt, daß sie »ein sich selbst bildendes Wesen ist«.159
Die Erkenntnis in dem Reflexionsmedium der Kunst ist die Aufgabe der Kunstkritik. Für sie gelten alle diejenigen Gesetze, welche