Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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um ins Hotel zu kommen.«

      Er schüttelte den Kopf. Und bevor er es verhindern konnte, sagte er: »Da hat auch mitgespielt, daß ich Sie gerne wiedersehen wollte, Frau Wagner.« Sofort erschrak er heftig über sich, daß er das wirklich gesagt hatte. So deutlich hatte er sich ihr gegenüber bisher noch nie geäußert.

      Sie errötete und senkte den Kopf, ging aber nicht direkt auf seine Worte ein. »Trotzdem!« beharrte sie. »Sie haben sich gegenüber Frau Markwart nichts vorzuwerfen, finde ich.«

      Er widersprach ihr nicht mehr. Heftige Enttäuschung überkam ihn, weil sie auf seine Bemerkung nicht reagiert hatte, wenn man einmal von ihrem Erröten absah. Warum hatte er das überhaupt gesagt? Er wußte doch, daß sie einen Freund hatte. Schließlich hatte er sie einmal zusammen gesehen, und das war ganz eindeutig gewesen…

      Das Essen war ihm verleidet, und er hatte Mühe, sie das nicht allzusehr merken zu lassen. Auf einmal wollte er nur noch nach Hause.

      Aber irgendwie schaffte es Stefanie, ihn doch wieder aufzuheitern mit allerlei Geschichten aus dem Hotel, über die er lachen mußte. Und als er sie schließlich nach Hause brachte, hatte er nur den einen Wunsch, sie möglichst bald wiederzusehen.

      *

      Felicitas lag wach in ihrem Bett. Es war früher Morgen, und sie überlegte wieder und wieder, wie sie ihr Gespräch mit Lukas beginnen sollte. »Hallo, ich bin’s, Feli. Lukas, es tut mir leid…« So ungefähr? Es hörte sich ziemlich blöd an, fand sie. Aber wahrscheinlich hörte sich alles so an, weil sie sich eben blöd benommen hatte.

      Es klopfte leise. Bevor sie sich fragen konnte, wer zu dieser Zeit schon etwas von ihr wollte, wurde auch schon die Tür geöffnet. »Hallo, Feli!« sagte eine zärtliche Stimme, und für einen Augenblick dachte sie, nun sei sie endgültig verrückt geworden. Es war völlig unmöglich, daß Lukas, an den sie gerade eben gedacht hatte, jetzt auf einmal vor ihr stand – in voller Größe.

      Aber er stand schon nicht mehr, sondern er hatte sich bereits über sie gebeugt und sie in die Arme genommen. Er küßte sie zärtlich auf jeden Zentimeter ihres Gesichts und murmelte dabei: »Warum hast du kein Vertrauen zu mir gehabt, Feli? Ich bin fast verrückt geworden vor Angst und Sorge! Ich hatte sogar schon einen Detektiv angeheuert, der dich finden sollte, als dieser Anruf kam…«

      »Welcher Anruf, Lukas?« fragte sie, während sie gleichzeitig ganz fest ihre Arme um ihn schloß.

      »Von einem Herrn Laufenberg«, berichtete er.

      »Den kenne ich gar nicht«, wunderte sie sich.

      »Er hat mir die ganze Geschichte erzählt – auf eine sehr nette und einfühlsame Weise, muß ich sagen. Zuvor hatte er deine Eltern angerufen und sie informiert. Dann hat er gefragt, ob sie mit mir sprechen wollen oder ob er das tun soll. Sie waren noch so erschüttert, daß sie ihm meine Nummer gegeben und ihn gebeten haben, das zu übernehmen.«

      »Sind sie auch hier?«

      Lukas nickte. »Sie warten draußen. Sie wollten uns beiden nur ein bißchen Zeit lassen.«

      »Sie sollen hereinkommen«, bat Feli leise. »Ich habe euch soviel Kummer bereitet, das tut mir sehr leid.«

      »Du hattest auch Kummer, Feli«, sagte er und strich ihr sanft über das Gesicht. »Man soll so etwas nicht allein mit sich herumtragen. ›In guten wie in schlechten Tagen‹ heißt es – das muß man ernst nehmen. Sonst braucht man nicht zu heiraten.«

      Sie verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. »Ich weiß«, flüsterte sie. »Jetzt weiß ich das alles, Lukas. Ich habe viel nachgedacht in den letzten Tagen, das kannst du mir glauben.«

      »Ich auch«, versicherte er. »Willst du mich heiraten, Feli? Immer noch?«

      »Klar«, antwortete sie. »Was dachtest du denn?«

      Er küßte sie, dann stand er auf und ging zur Tür. Gleich darauf kam er mit Marianne und Gerd Markwart zurück. Mit Tränen in den Augen schlossen sie ihre Tochter in die Arme. In dem anschließenden Gespräch, das sehr lange dauerte, fiel kein Wort des Vorwurfs.

      *

      »Sollen Ihre Besuche bei mir zur Dauereinrichtung werden, Herr Dr. Winter?« erkundigte sich Thomas Laufenberg mit ernster Miene. »Allmählich finde ich das richtig beunruhigend, wie oft wir uns in letzter Zeit sehen.«

      »Keine Sorge«, erwiderte Adrian. »Dies ist das letzte Mal für längere Zeit, Sie können sich darauf verlassen.«

      »Haben Sie mir das nicht schon einmal versprochen?« erkundigte sich der Verwaltungsdirektor und tat, als würde er angestrengt nachdenken.

      »Hab’ ich das? Daran kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls dachte ich mir, daß ich Ihnen zur Abwechslung ja auch einmal ein Lob aussprechen könnte – Ehre, wem Ehre gebührt.«

      »Ein Lob?« Thomas Laufenberg war sichtlich verdutzt. »Nun sagen Sie bloß, eine meiner verwaltungstechnischen Maßnahmen findet Gnade vor Ihren Augen!«

      »Eigentlich nicht«, gab Adrian zu.

      »Oder habe ich Sie etwa überzeugen können, daß wir an einem Strang ziehen, was die Klinik betrifft? Das wäre wirklich ein völlig unerwarteter Erfolg.«

      »Darum geht es überhaupt nicht«, entgegnete Adrian. »Ich rede von Ihren Anrufen bei den Eltern und dem Verlobten von Felicitas Markwart. Das fand ich ziemlich mutig – und gefallen hat es mir auch. Hätte direkt eine Idee von mir sein können.«

      Es erschien jenes breite Lächeln auf dem Gesicht des Direktors, das ihm um Jahre verjüngte, das er aber nur äußerst selten sehen ließ – zumindest, wenn er im Dienst war. »Freut mich, daß Sie das so sehen. Ehrlich gesagt, ich war auch recht zufrieden mit mir.«

      »Das war’s schon«, sagte Adrian und wandte sich zum Gehen. »Da ich bisher immer nur zu kritisieren hatte, wollte ich es jetzt einmal anders machen.«

      »Vielen Dank«, erwiderte Thomas Laufenberg förmlich.

      »Aber wenn ich schon einmal hier bin«, sagte Adrian listig, »dann kann ich Sie ja auch gleich daran erinnern, daß wir in der Notaufnahme nach wie vor chronisch unterbesetzt sind. Die Dienstpläne müßten meiner Meinung nach so geändert werden, daß uns pro Schicht mehr Leute zur Verfügung stehen. Wir häufen nämlich nach wie vor Überstunden an, Herr Direktor!«

      Thomas Laufenberg seufzte lautlos. Dieser Dr. Winter war ein Nagel zu seinem Sarg mit seiner Hartnäckigkeit. Er bewunderte den anderen insgeheim, weil er so für seine Abteilung kämpfte, aber er fand ihn auch sehr anstrengend. Er holte zu einer wohlgesetzten Erwiderung aus, doch der Arzt kam ihm zuvor.

      »Keine Sorge, Sie müssen jetzt nichts dazu sagen. Ich bin ja diesmal nur gekommen, um Ihnen ein Lob auszusprechen – da wollen wir über die anderen Sachen gar nicht reden! Auf Wiedersehen, Herr Laufenberg!«

      »Aber bitte nicht so bald!« rief Thomas ihm nach. Immer sollte der Notaufnahmechef auch nicht das letzte Wort haben.

      *

      »Und morgen ist also die Operation?« fragte Carola Senftleben und setzte Adrian eine Portion gekochtes Rindfleisch mit Meerrettichsauce vor.

      »Ja, morgen«, bestätigte er und begann zu essen. »Einer unserer Hirnspezialisten übernimmt sie, und ich assistiere. Auf diesem Gebiet arbeite ich sehr selten, deshalb bin ich froh, daß ich dabei sein kann. Hochinteressant ist das für mich. Und ich hoffe natürlich, daß alles gut geht für die Patientin.«

      »Wie geht es ihr denn jetzt?«

      »Sie scheint ein anderer Mensch geworden zu sein, seit sie sich die ganze Geschichte von der Seele geredet hat und seit ihr Verlobter und ihre Eltern da sind.«

      »Ist der Verlobte der richtige Mann für sie?« Carola Senftlebens Stimme klang besorgt. »Nach allem, was sie durchgemacht hat, kann man ihr das nämlich nur wünschen.«

      »Ganz sicher!« sagte Adrian voller Überzeugung. »Ich hatte auch Angst, was das angeht, aber er liebt sie, das sieht