Arno Boes

Rudern


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den großen Wettkämpfen poliert, um durch eine glatte Oberfläche möglichst wenig Widerstand im Wasser zu erzeugen. Das gilt aber überwiegend im Hochleistungssport, bei dem es um Medaillen und Titel geht. Auf den Regatten im unteren Leistungsbereich und vor allem im Freizeit- und Breitensport trägt ein pfleglicher Umgang der Aktiven mit dem vorhandenen Material dazu bei, die Nutzungszeit eines Boots so lang wie möglich zu erhalten.

      Im Topbereich sind es meist nur wenige Jahre, die ein Boot von einem Team genutzt wird. Spätestens beim Antritt zu den nächsten Olympischen Spielen steht meist neues Material zur Verfügung, auf das man sich im Training bereits einstellen kann. In den anderen Ruderbereichen kann ein Boot bei entsprechend guter Behandlung schon mal einige Jahrzehnte im Einsatz sein.

      Wenn man bedenkt, dass ein neuer Rennachter der modernen Art etwa den finanziellen Gegenwert eines PKW der gehobenen Mittelklasse hat, kann man verstehen, dass Neuanschaffungen nicht ständig möglich sind. Und wenn ein Boot mal bei einem großen Erfolg zum Einsatz kam, also in ihm Gold bei den Olympischen Spielen gewonnen wurde, dann wird es noch einmal so gut von den Aktiven gepflegt und behandelt. Für nachfolgende Generationen ist es dann eine gewisse Ehre, in einem solchen Boot fahren zu dürfen.

      3.3BEWEGUNG, KOORDINATION UND KOMMANDOS

      Nun sind die wichtigsten Grundbegriffe im Rudern erklärt und auch das Sportgerät – Boote, Skulls und Riemen – vorgestellt. Da braucht man sich also nur noch ans Wasser begeben, das Boot mit dem Material einsetzen und losfahren. Im Prinzip ja, aber ganz so einfach ist dann die Praxis doch nicht.

      Der Anfänger, der zum ersten Mal auf einem Rollsitz Platz genommen hat und versucht, das Boot mit Ruderschlägen zu bewegen, merkt schnell, dass dies doch einige Übung verlangt. Entweder sind die Beine im Weg, die Arme bewegen zwar die Skulls ins Wasser, aber beim Ziehen bewegt sich das Boot kaum, der Rollsitz rutscht mit dem Oberkörper hin und her, ist aber doch immer an der falschen Stelle, um Arme und Beine einsetzen zu können. Und überhaupt, alles wackelt hin und her, man hat das Gefühl, jeden Moment ins Wasser zu fallen und von Spaß ist man ein Stück weit entfernt.

      Aber, keine Angst, das ist alles völlig normal, denn Rudern sieht zwar zunächst einfach aus, hat aber doch einen etwas komplexeren Bewegungsablauf, den es mit ein paar Übungseinheiten zu erlernen gilt. Das ist wie mit dem Lernen des Fahrradfahrens bei Kindern. Die fahren am Anfang auch wackelig und Stützräder verhindern das Umkippen. Aber schnell sind die verschwunden und nach ein paar Runden klappt das mit dem Fahrradfahren ohne Probleme. Und das verlernt man dann sein Leben lang nicht mehr. Hat man dann mal längere Zeit nicht auf dem Sattel gesessen, sind die ersten Meter wieder etwas gewöhnungsbedürftig. Aber nach ein paar Minuten kommt die alte Sicherheit zurück und man kann das Fahren wieder genießen.

      Beim Rudern ist das ähnlich. Hat man einmal den Bewegungsablauf verinnerlicht, setzt man sich in jedes Boot zusammen mit anderen Ruderkameraden und fährt los. Und hat man auch da mal eine längere Pause gemacht, ist es am Anfang auch noch ein wenig wackelig, aber nach ein paar Schlägen kommt man direkt wieder hinein in die gekonnt ausgeführte Ruderbewegung.

      3.3.1Erste Phase – die Auslage

      Aber wie sieht diese nun aus? Zur Erklärung kann man den Ablauf eines Ruderschlags in vier Phasen zerlegen.

      Der Schlag beginnt mit der ersten Phase, dem Einsetzen des Blatts ins Wasser. Das gilt sowohl für das Skullen wie auch für das Riemenrudern. Dazu sitzt der Ruderer mit angezogenen Beinen etwas nach vorne gebeugt mit ausgestreckten Armen in der Auslage. Die Hände umfassen locker den Griff am Innenhebel, die Ruderblätter schwimmen knapp unterhalb der Oberfläche senkrecht im Wasser.

      Hier ist schon mal der erste Punkt, auf den man achten sollte: Rudern hat zwar mit Kraft und Durchzug zu tun, aber die Hände liegen dazu nicht fest umschlossen und quasi krampfartig um den Griff, sondern fassen diesen ganz locker nur mit den Fingern. Die Handfläche liegt ohne Druck auf dem Griff, bei den Skulls liegt der Daumen außen auf der runden Fläche am Ende des Griffs. Beim Ruderriemen liegen beide Hände auf dem Griff, die wasserseitige Hand umfasst das Ende des Innenhebels, die andere Hand liegt etwa auf Mitte des Oberkörpers.

      3.3.2Zweite Phase – der Durchzug

      Der Schlag, also das Durchziehen der Blätter durch das Wasser, ist die zweite Phase. Sie beginnt mit dem leichten Aufrichten des Oberkörpers. Der Körper liegt in der Auslage auf den angezogenen Oberschenkeln auf. Die Rückenmuskeln spannen sich leicht an, dadurch kommt der Oberkörper in die aufrechte Position. Auch das erfolgt nicht ruckhaft oder mit großer Kraft, sondern nur so ganz leicht, als ob man auf einem Stuhl sitzend sich langsam um wenige Zentimeter aufrichtet. Der Rücken soll dabei nicht völlig steif gehalten werden, sondern locker und beweglich bleiben.

      Dann beginnen die Beine mit dem Schub, sie werden also gestreckt. Auch hier sollte die Bewegung kontrolliert, also nicht ruckartig sein. Mit dem Strecken der Beine drückt man sich vom Stemmbrett, auf dem die Füße einen möglichst festen Sitz haben sollten, ab und bewegt damit den Rollsitz mit dem Oberkörper nach hinten.

      Dadurch senken sich die Knie nach unten, geben also den Raum vor dem Oberkörper frei, damit man die Arme anziehen und damit die Hände mit dem Griff auf seinen Körper zuziehen kann. Die Blätter am anderen Ende des Ruders bewegen sich durch das Wasser und schieben das Boot vorwärts.

      Was sich hier so in einzelne Bewegungen der Körperteile zerlegt kompliziert anhört, ist in der Praxis nach einiger Übung ein flüssiger Ablauf der Schlagbewegung. Am Anfang wird man sich noch auf jede Einzelbewegung von Körper, Armen und Beinen konzentrieren müssen, nach ein paar Übungen spürt man dann aber die Reaktion von Boot und Rudern auf die einzelnen Bewegungen und kann diese nahtlos aneinanderreihen. Daraus ergibt sich der reibungslose und effektive Ruderschlag.

      3.3.3Dritte Phase – die Rücklage

      Die Anatomie des Körpers begrenzt den Ruderschlag. Sind die Beine gestreckt, die Arme angezogen und der Rollsitz am Ende der verfügbaren Rollbahn angekommen, geht der Schlag über in die dritte Phase, die Rücklage. Dies ist der hintere Umkehrpunkt des Ruderschlags.

      Dabei wird der Oberkörper leicht nach hinten gelegt, aber auch hier locker und unverkrampft. Die Rücklage ist auch nur wenige Zentimeter weit, also so, als ob man sich an die Rückenlehne des heimischen Sofas anlehnt. Dabei ist die Körperhaltung weiter aufrecht, der Rücken ist nicht rund und die Schultern bleiben gerade, sacken also nicht in Richtung Körpermitte ab oder werden in Richtung Ohren hochgezogen

      Die Hände sind beim Skullen etwa eine Daumenlänge vom Körper entfernt und auf Höhe des unteren Rippenbogens und werden auf dieser Höhe bei richtiger Einstellung des Stemmbretts seitlich neben den Körper gezogen. Beim Riemenrudern endet die Bewegung der Arme kurz vor dem Körper ebenfalls auf Höhe des unteren Rippenbogens.

      Man zieht beim Skullen und Riemenrudern die Griffe also nicht mit Kraft nach oben zum Hals oder Kopf, sondern lässt sie ganz locker an den Körper herankommen. Durch diesen Weg der Hände ergibt sich, dass das Ruderblatt am Ende des Skulls nicht tief ins Wasser hineingezogen wird, sondern den gesamten Durchzug über knapp unter der Wasseroberfläche bleibt. So kann man die meiste Kraft hinter den Ruderschlag bringen, also den meisten Vortrieb erzeugen. Durch die Lage der Blätter im Wasser und den Platz, den man nun vor dem Oberkörper hat, kann man nun die Hände leicht nach unten drücken und das Blatt so aus dem Wasser herausheben.

      Dieser Bewegungsablauf macht am Anfang wohl noch ein paar Probleme, denn hat man die Hände zu hoch an den Oberkörper geführt und ist damit das Ruderblatt doch tiefer im Wasser drin, fängt man sich schnell einen Krebs. So nennt es der Fachmann, wenn das Blatt im Wasser hängen bleibt, durch die Vorwärtsbewegung des Boots sich dann gerne im Wasser verkeilt und der Ruderschlag abrupt gestoppt wird. Aber auch das ist mit ein wenig Übung schnell erlernt und die Erfahrung zeigt dann