Friedrich Resch

13 Jahre


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Handschellen angelegt und musste in den Beiwagen eines Motorrades steigen. Vorne saß ein Unteroffizier und hinten ein Leutnant. Sie erreichten ohne Zwischenfälle die Temesch, wobei Fredi in seiner kurzen Hose und seiner dünnen Jacke fast erfror, denn es war bitterkalt und entlang des Ufers hatte sich schon eine dünne Eisschicht gebildet. Die beiden Securisten waren jedenfalls gar nicht begeistert, als sie erfuhren, dass das gesuchte Versteck am jenseitigen Ufer lag, es blieb ihnen jedoch nichts übrig, als ihre Stiefel abzulegen und mit Fredi durch das knietiefe eiskalte Wasser zu waten. Fredi fand den Platz, wo unser Versteck gewesen war, auf Anhieb, dieses war jedoch von besagtem Schäfer leer geräumt worden. Nach einer kurzen Durchsuchung der Schäferhütte wurde noch an Ort und Stelle eine Erklärung vorbereitet, die der Mann unterschrieb, und die Sache schien erledigt. Fredi zog sofort ein dickeres Hemd an, und sie fuhren zurück zur Securitate.

       Edis Verhaftung

      In der Nacht zum 14. September war Edi Szilagyi daheim verhaftet worden. Er wusste zu diesem Zeitpunkt bereits vom spurlosen Verschwinden Andreas’ und ebenso, dass Fredi und ich uns „vorläufig“ abgesetzt hatten. Dass wir allerdings zu diesem Zeitpunkt schon zusammen mit Dietmar, Harry und Franzi verhaftet waren, wusste er noch nicht. Vor dem Haus hielt ein Kleinlaster, eine Gruppe junge Männer sprangen ab, stürmten durch das Tor in den Hof und in das Haus. Edi wurde auf der Stelle verhaftet. Es erfolgte eine recht oberflächliche Hausdurchsuchung, bei welcher anfangs nicht einmal Edis bescheidene Schusswaffe gefunden wurde, obwohl sie in dem neben der Eingangstür hängenden Trenchcoat steckte. Einer der Häscher hatte das Kleidungsstück zwar abgetastet, die Pistole jedoch übersehen. Erst nach Ende der Durchsuchung und nach der ausdrücklichen Aufforderung durch den anwesenden Offizier, etwaige Waffen herauszurücken, wies Edi auf den bereits gefilzten Trenchcoat und meinte, er habe dort noch eine „Spielzeugpistole“ stecken. Das Erstaunen und der Ärger des Unteroffiziers, der den Mantel so oberflächlich abgetastet hatte, war groß, als im Nachfassen die Waffe noch auftauchte. Edi bekam Handschellen angelegt, musste sich im Lkw auf den Boden setzen und der Wagen fuhr los, während zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Soldaten ihn nicht aus den Augen ließen. Der Wagen rollte durch die Fabrikstadt und, wie Edi bald erkannte, in die Stefan-cel-Mare-Straße, wo er vor dem Haus Nr. 50 hielt. Sie suchten Herbert. Er war zu Hause und wartete eigentlich auf Anweisungen, ebenfalls ohne zu ahnen, dass mehrere von uns schon verhaftet waren. Zuletzt hatte er mich am Mittwoch gesehen, als ich ihm die beiden zu versteckenden Pakete übergeben hatte. Besonders eines der Pakete, welches unter anderem Anleitungen zum Fertigen pyrotechnischen Materials und Richtlinien für die Durchführung geheimer Einsätze enthielt, war brisant. Auch die Wohnung der Familie Winkler wurde durchsucht, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Später, als sich Herbert in einer der Zellen der Securitate wiederfand, stellte er fest, dass er in einem Teil der ehemaligen Waschküche seiner Tante Luise (Rieger) einquartiert war.

      Während der folgenden Verhöre gab Herbert zu, meiner Anweisung entsprechend ein Paket versteckt zu haben. Er wurde – gut gesichert – an den von ihm genannten Ort, ein damals noch unbebautes Gelände in der Verlängerung der Cermena-Straße, gefahren, wo die Securisten das pyrotechnische Material ausgruben. Das zweite Paket mit den Dokumenten „vergaß“ Herbert, und das war gut so. Auch mir wurden die aufgefundenen Gegenstände gezeigt, und ich musste den Aufbau und die verwendeten Stoffe der von uns gefertigten Rauchpatronen und Brandsätze einem mir bis dahin unbekannten Leutnant genau erklären. Nach seinen Fragen zu urteilen, muss es ein Fachmann, vermutlich ein Pionier gewesen sein. Nachdem er schon mit unseren Brandsätzen experimentiert hatte, kam er, um noch weitere Einzelheiten über den Aufbau der von uns gefertigten Kampfmittel zu erfahren. Er schien dabei von unserem Erfindergeist beeindruckt zu sein. Auf meine Frage, wie die Brandsätze funktioniert hätten, meinte er: „Zu gut für euch Banditen.“

      Ein Kapitel für sich war die Herkunft der verschiedenen Waffen, die als mein Eigentum erklärt waren. So hatte ich Harry bei unseren geheimen Besprechungen in den ersten Tagen nach unserer Festnahme versprochen, den Harington-Revolver auf mich zu nehmen. Als ich nach der Herkunft dieser Waffe und auch der Frommer-Baby befragt wurde, erklärte ich einfach, dass ich beide Waffen 1946 oder 1947 von einem unbekannten Mann gekauft hätte. Zuerst wollte man mir diese Erklärung nicht abnehmen, da ich aber trotz Drohungen und einiger Ohrfeigen dabei blieb, konnte ich Neda mehr oder weniger überzeugen, und er ließ mich fortan mit dieser Sache in Ruhe. Nach der Herkunft des Derringer gefragt gab ich ohne Umschweife zu, dass er ebenfalls mir gehörte und dass ich ihn schon seit der Kriegszeit besessen hatte. Der jüngere Bruder meiner Mutter hatte ihn mir einmal überlassen, weil er kaputt war, und es gelang mir später, als ich schon Schlossereikenntnisse hatte, ihn wieder instand zu setzen.

      Einmal, als ich bereits im Zimmer Leutnant Nedas auf diesen wartete, erschien der junge Unterleutnant Tiberiu Simand, den ich noch als Kollegen aus der Gewerbeschule kannte und von dem ich nun erfuhr, dass er zwischenzeitlich Offizier der Securitate geworden war. Er sprach mich freundlich an und gab mir sogar die Hand, wobei er mir sagte: „Ich habe gehört, dass du hier bei uns bist. Was hast du dir vorgestellt, als du solche Dummheiten getan hast? Dachtest du, dass wir dich nicht erwischen? Es tut mir leid, dich hier zu sehen. Sicher wirst du deine verdiente Strafe bekommen. Wie viel, weiß ich nicht, aber es wird viel sein.“

      In der Folgezeit war ich auch noch einige Male bei „Goldzahn“, welcher immer wieder die früheren Verhörprotokolle durchging, ohne jedoch Wesentliches zu finden. Über diesen Offizier habe ich, solange ich bei der Securitate war, nichts erfahren, weder seinen Namen noch dass er Deutscher war. Erst später erfuhr ich durch meine Kameraden, dass er, Martin Schnellbach, sich – obwohl illegales KP-Mitglied – zur Waffen-SS gemeldet hatte, dort jedoch schon bald fahnenflüchtig geworden und ins Banat zurückgekehrt war. Er tauchte unter und schloss sich einer Gruppe kommunistisch eingestellter Ungarn und Rumänen an, die den ersten Partisanenverband in den Banater Bergen bildeten und schon bald Sabotage- und Kampfeinsätze gegen das rumänische Militär und die Polizei durchführten. Nach der Machtergreifung der Kommunisten wurde er Securitate-Offizier und brachte es bis zum Generalmajor. Jahrzehnte später, als Rentner, wollte er sich in der Bundesrepublik niederlassen, wogegen der Schriftsteller Hans Bergel mit Erfolg protestierte und seine Ausweisung erwirkte.

      Etwa Anfang November öffnete eines Abends der Unteroffizier vom Dienst meine Zellentür und teilte mir mit, dass ein weiterer Häftling in meine Zelle käme, der ein wenig „feucht“ sei. Ich solle auf ihn achten und, falls er versuchen sollte, Selbstmord zu begehen, ihn daran hindern und an die Tür um Hilfe klopfen. Seine Mitteilung überraschte mich dermaßen, dass ich vorerst sprachlos blieb. Gleich darauf brachte er den Mann. Dieser war etwa von meiner Statur. Ich schätzte sein Alter auf ungefähr 40 Jahre, seine athletische Figur verriet die Kraft und Härte eines Bauern. Ich reichte ihm die Hand und nannte meinen Namen, worauf er jedoch nicht antwortete. Bekleidet war er mit einer Drillichhose, Hemd und einer alten Jacke. Seine Jacke stand offen und so konnte ich sehen, dass sein Hemd vorne an der Brust von frischem Blut durchtränkt war. Nachdem er anfangs noch stumm und teilnahmslos auf dem freien, unteren Bett der Zelle gesessen hatte, brach er sein Schweigen und stellte sich als Milan Disics vor, ein serbischer Kleinbauer, der wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet worden war. Man hatte ihn beim Verhör schlimm misshandelt. Ich fragte ihn, ob das Blut an seinem Hemd von diesen Misshandlungen stamme? Er verneinte und sagte mir, dass man ihn hauptsächlich auf die Fußsohlen und das Gesäß geschlagen hätte, wollte ansonsten aber nicht näher auf meine Frage eingehen. Erst später, ich war schon halb eingeschlafen, stand er plötzlich vor mir und erklärte, dass er diese dummen Schweine, er meinte damit die Securisten, doch reingelegt habe! Dabei zeigte er grinsend in Richtung seines Herzens. „Ich werde ihnen ein Schnippchen schlagen. Wenn sie mich noch einmal prügeln, werde ich mich selbst töten.“ Dabei öffnete er sein über und über mit geronnenem Blut getränktes Hemd und wies auf seine linke Brustseite. Bei dem schlechten Licht in der Zelle konnte ich vorerst außer Blut nichts erkennen und sah erst beim näheren Hinschauen etwas aus der Wunde herausragen. Er griff hin und zog mit triumphierendem Blick ein etwa sieben Zentimeter langes Stück Draht heraus. „Ich habe diesen Draht geklaut und zugespitzt. Mit ihm habe ich mich einige Mal in die Brust gestochen. Es hat sehr geblutet, aber ich habe mein Herz nicht getroffen, deshalb bin ich noch am Leben. Ich möchte den Draht weiter aufheben, nur fürchte ich, dass die Securisten