(»Persönlichkeitsstrukturen«)
Die neurotische Persönlichkeitsorganisation (Persönlichkeiten auf höherem Strukturniveau)
• Die hysterische Persönlichkeit, auch histrionisch genannt, mit neurotischer Ziellosigkeit und Unbeständigkeit, Dramatisierung und Exaltiertheit, leichter Beeinflussbarkeit und naiver Unbefangenheit. Sie beruht nach psychoanalytischer Auffassung vornehmlich auf der Abwehr von ödipalen Phantasien durch Verdrängung. Sie wurzelt in einem widersprüchlichen Erziehungsstil, der keine hinreichende Orientierung vermitteln konnte. (
• Die zwanghafte Persönlichkeit, synonym: anankastische Persönlichkeit, mit neurotischer Überkontrolliertheit, Aggressionsgehemmtheit, Unflexibilität und Pedanterie. Sie steht im Dienst der Abwehr aggressiver und sexueller Trieb- und Beziehungskonflikte und der dazugehörigen Strafängste als Verarbeitung einer triebfeindlichen Erziehung (
Die präödipale Persönlichkeitsorganisation (Persönlichkeiten auf mittlerem Strukturniveau)
• Die depressive Persönlichkeit mit der Tendenz, sich abhängig zu machen, eigene (orale) Bedürfnisse schuldhaft zu erleben und zu verdrängen und sich anzupassen. Es bestehen Altruismus und Bescheidenheitsideologien. Im Zentrum steht die Abwehr von Konflikten zwischen expansiven und autonomen Tendenzen und Angst vor Liebesverlust (
• Die narzisstische Persönlichkeit, synonym: selbstunsichere Persönlichkeit, mit labiler Selbstwertregulation, Minderwertigkeitskomplexen und Größenphantasien. Die Betroffenen sind durch unsichere Bindung und mangelnde Spiegelerfahrung abhängig von Anerkennung und Bestätigung durch andere geblieben und deshalb leicht kränkbar und bereit zum Rückzug. Es liegen Selbstwertkonflikte und Verlustängste aus der gescheiterten Autonomieentwicklung zugrunde, die durch Identifizierung mit den Erwartungen anderer, Idealisierung und Entwertung abgewehrt werden. Es wird zwischen offen abhängiger und vermeidender (pseudounabhängiger) narzisstischer Persönlichkeit unterschieden (
Die Borderline- Persönlichkeitsorganisation (Persönlichkeiten auf niederem Strukturniveau)
• Die Borderline- Persönlichkeit (emotional-instabile Persönlichkeit) ist durch eine gravierende Unsicherheit des Selbstgefühls mit geringer Frustrationstoleranz, Affektlabilität und Impulsivität (Ichschwäche) gekennzeichnet. Sie beruht auf einer basalen Störung der Ichentwicklung mit Ichschwäche, Spaltungen und Identitätsdiffusion. Prägend sind schwer belastende Erfahrungen (Instabilität, Gewalt, Bindungsstörungen) in der frühesten Kindheit, die bisweilen das Ausmaß einer Entwicklungstraumatisierung haben. Im Hintergrund stehen paranoide, Fragmentierungs- und Verlassenheitsängste. Sie werden durch die Spaltungsabwehr bewältigt (
– Wenn Störungen des basalen Selbstgefühls und die Identitätsdiffusion dominieren, handelt es sich um eine narzisstische Borderline-Persönlichkeit (Narzissmus auf niederem Strukturniveau) (
– Wenn Agieren und Sexualisierung von Beziehungen vorherrschen, spricht man von einer hysteriformen Borderline-Persönlichkeit (
• Die schizoide Persönlichkeit ist eine Variante der Borderline-Persönlichkeitsorganisation mit neurotischer Kontaktstörung, Verleugnung von Gefühlen und Misstrauen. Im Hintergrund stehen Probleme der Nähe-Distanz-Regulierung und Verfolgungsängste aus der ganz frühen Individuationsentwicklung, die vor allem durch Spaltung, Projektionen und Gefühlsverdrängung abgewehrt werden (
3.2.4 Auslösesituation und Krankheitsmanifestation
Symptomentstehung bei der Entwicklungspathologie
Im Zentrum der Auslösesituation steht bei den Symptombildungen auf der Basis der Entwicklungspathologie der Verlust supportiver Beziehungen und Strukturen. Wenn die stützenden Funktionen wegfallen, kann ein Zustand von Orientierungslosigkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung entstehen. Der Betroffene stürzt ab.
Häufig sind es aber nicht äußere, sondern innere Herausforderungen, welche eine Dekompensation einleiten. So werden strukturelle Defizite offensichtlich, wenn übliche entwicklungsspezifische Schwellensituationen und Entwicklungsaufgaben bewältigt werden müssen, z. B. im Zusammenhang mit Beziehungsaufnahmen, Ausbildung oder Berufswahl. Das erklärt die Häufung von Dekompensationen in der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter.
Bisweilen kann man aber auch gar keine Auslösesituation ausmachen. Es besteht ein chronisches Missempfinden, eine Fremdheit gegenüber sich selbst, Plan- und Initiativlosigkeit verbunden mit Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen und auszuhalten und mit sich selbst »etwas anzufangen«. Diese Patienten sind aufgrund ihrer Ichschwäche und der unklaren Vorstellungen von sich selbst und anderen dem Leben und den Anforderungen des Alltags wie Prüfungen oder Partnerwahl nicht gewachsen.
In Symptomen wie Kontrollverlust, Depressionen, Panik und Ängsten und in körperlichen Störungen manifestieren sich Ichschwäche und Defizite von Ichfunktionen. Um den Symptomen und der dahinterstehenden Fragmentierungsangst zu begegnen und letztlich nicht den Kontakt zu sich selbst zu verlieren, greifen die Betroffenen auf Hilfsmittel wie Alkohol oder Drogen zurück, mit denen sie sich betäuben, um ihre Verlorenheit nicht zu empfinden. Ebenso können Verhaltensweisen entwickelt werden, mit denen sie versuchen, einem Selbstverlust entgegenzuwirken. Das geschieht z. B. durch selbstverletzendes Verhalten. Der Schmerz verstärkt das Körpergefühl und lässt die Haut als Grenze erleben. Das stärkt die Selbstkohäsion, d. h. das Empfinden von Abgegrenztheit.
Auf diese Weise entstehen komorbide neurotische Störungen (
Symptomentstehung bei der Konfliktpathologie
Bei