Michael Ermann

Psychotherapie und Psychosomatik


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rel="nofollow" href="#fb3_img_img_0d0ba19c-09ad-56ba-b78b-440bceaf5bc4.jpg" alt="image"/> Tab. 4.5). Bei diesem sog. pathologischen, malignen oder destruktiven Narzissmus handelt es sich jedoch um eine sehr viel breiter angelegte, grundsätzlichere Pathologie als bei den präödipalen narzisstischen Störungen auf mittlerem Niveau. Er ist mit weniger stabilen und weniger gut integrierten Objektbeziehungen verbunden.

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      Das wird am Beispiel der typischen Abwehr deutlich:

      • Spaltung auf niederem Strukturniveau bewirkt, dass anderen projektiv Eigenschaften zugeschrieben werden, die mit ihrem realen Verhalten überhaupt nichts zu tun haben. Sie werden aber von den Patienten als »wirklich« erlebt. Es handelt sich um eine recht unreife Form der Abwehr. Sie wird durch eine Schwäche der Fähigkeit, andere differenziert wahrzunehmen und zwischen sich und anderen zu unterscheiden, gefördert.

      • Dem steht auf mittlerem Strukturniveau die Abwehrformation Idealisierung und Entwertung gegenüber. Sie ist stärker an der Realität orientiert. So muss es für Entwertungen einer bis dahin idealisierten Person einen Anlass durch reales äußeres Verhalten geben. Zur Idealisierung oder Entwertung muss sich das Objekt eignen.

      Ähnlich ist der Unterschied in Hinblick auf die Bedeutung von Trennungen: Das niedere Strukturniveau setzt reale und phantasierte Trennungen gleich. Auf mittlerem Strukturniveau werden Trennungen unter der Voraussetzung aktuell, dass tatsächlich etwas Trennendes – eine Missstimmung, eine Absicht, eine Kränkung usw. – vorhanden ist.

      Die Weiterverarbeitung des präödipalen Autonomiekomplexes konzentriert sich bei Menschen, die durch Entbehrungen oder Verwöhnung oral abhängig geblieben sind, auf die Bedürfnisbefriedigung und die Funktion der Anderen als Versorgungsobjekt und bei der Loslösung. Durch Identifizierungsprozesse und Verleugnung ihrer Selbstbehauptung sowie durch Reaktionsbildungen verschaffen sie sich Befriedigung ihrer Bedürfnisse und Beschwichtigung ihrer Schuldgefühle im realen Erleben und in der Phantasie. Zur Stabilisierung entwickeln sich verschiedene Formen der Charakterabwehr (image Übersicht).

      Charakterabwehr bei depressiver präödipaler Pathologie

      • Verleugnung eigener Bedürfnisse und Frustrationen, Bescheidenheitsideologie

      • Anpassung an die Bedürfnisse anderer, Unterwerfung, Selbstaufgabe

      • Altruismus, Bedürfnisbefriedigung am anderen

      • Selbstvorwürfe, Schuldgefühle über eigene Ansprüche

      • Wiedergutmachungswünsche, Opferhaltungen, Helferideologie

      Bei der Betrachtung depressiver Persönlichkeiten fallen, ähnlich wie bei den narzisstischen, zwei Modi der Verarbeitung auf: der passive Modus führt zur abhängigen depressiven Persönlichkeit, der aktive zum vermeidenden Typ. Diese werden in der psychiatrischen Klassifikation als eigenständige Störungen genannt, nämlich als abhängige (dependente) Persönlichkeitsstörung (F60.7 nach ICD-10) (ICD-60.7) und als ängstlich-vermeidende (F60.6). DSM-IV spricht von dependenter Persönlichkeit.

      Der passiv-abhängige Typ (ICD-10: 60.7)

      Der passive, auch resignativ oder dependent genannte Modus ist von einer versteckten Vorwurfshaltung geprägt. Sie beruht auf der Vorstellung, ständig zu kurz zu kommen. Im merkwürdigen Widerspruch zu dieser Haltung steht die offen gezeigte Bescheidenheitsideologie. Sie besagt, man habe sich mit allem abzufinden, brauche nichts, habe »sowieso« nichts Besseres verdient. Dabei werden Versorgungswünsche und oral-aggressive (besitzergreifende) Ansprüche unterdrückt und verleugnet. Sie äußern sich jedoch in mehr oder weniger bewussten Neidgefühlen und in Schamgefühlen über die eigene Bedürftigkeit. Aus unterdrückter Frustrationswut entsteht die erwähnte Vorwurfshaltung, die den Betroffenen selbst nicht bewusst ist. Schuldgefühle über unbefriedigte Wünsche werden externalisiert, sodass man sich solchen Menschen gegenüber verpflichtet und schuldig fühlt. Dabei nehmen sie Angebote aus eigenem Schuldgefühl schwer an, lassen sich nur schwer helfen und auch nicht dazu bewegen, selbst für sich initiativ zu werden.

      Der aktive, ängstlich-vermeidende Typ (ICD-10: 60.6)

      Beim aktiven, ängstlich vermeidenden Modus, auch als altruistisch bezeichnet, steht die Reaktionsbildung gegen oral-expansive Versorgungsbedürfnisse im Vordergrund. Sich etwas zu gönnen oder offen für sich zu beanspruchen und zu erkämpfen, erzeugt Schuldgefühle. Zur Abwehr kümmern sich diese Menschen übermäßig viel um die Bedürfnisse anderer, übernehmen Pflichten und überfordern sich oft selbst mit Verantwortung. Das geschieht z. B. bei der Berufswahl, indem helfende und womöglich schlecht bezahlte Berufe gewählt werden. Diese altruistische Bedürfnisbefriedigung erhält eine bevormundende Note, der man sich schwer entziehen kann. Sie wird durch Helferideologien abgesichert. Der andere wird gebraucht, um an ihm die Schuld für die eigene unbewusste Gier wiedergutzumachen. Insofern ist diese Art der depressiven Charakterabwehr stark interaktionell ausgerichtet.

      Symptomentstehung

      Grundsätzlich sind Menschen mit einer depressiven Pathologie gefährdet, wenn sie von oralen und oral-expansiven Themen betroffen sind. Dazu gehört die Teilhabe an Verlust und Gewinn, das Loslassen oder Teilen von Besitz und Dingen. Bevorzugung anderer bringen sie in Gefahr, neurotische Störungen zu entwickeln. Allerdings ist die Charakterabwehr der depressiven Persönlichkeit relativ stabil.

      • Beim passiv-abhängigen Typ können Versorgungskonflikte krankheitsauslösend werden: Erbschaftskonflikte, Rivalität, Situationen, die Neid hervorrufen oder Verzicht fordern. In solchen Situationen entstehen depressive und Angststörungen, die auch somatisiert werden können. Das größere Risiko besteht darin, dass sich auf der Grundlage des untergründigen subjektiven Empfindens andauernder Entbehrungen Abhängigkeitsstörungen und Suchterkrankungen entwickeln.

      • Der ängstlich-vermeidende Typ zeigt mit seinen Ideologien eine besonders große Beständigkeit. Dennoch kann die Charakterabwehr versagen, wenn die Menschen, die in die Abwehr einbezogen werden, sich der Bevormundung und Überfürsorge entziehen. Persönlichkeitsspezifische oral-aggressive Auslösesituationen sind nicht so häufig. Typisch ist hingegen eine langsame Erschöpfung der Abwehr, vor allem wenn die körperlichen Kräfte nachlassen oder Gesundheitsschäden eintreten, z. B. in Pflegeberufen. Typische Syndrome auf der Basis solcher Dekompensationen sind depressive Störungen, Schmerzsyndrome und andere Somatisierungsstörungen.

      Das höhere Strukturniveau ist die reifste Form der neurotischen Persönlichkeitsorganisation. Die Disposition besteht in einer Störung der Konfliktbewältigung in der relativ späten kindlichen Entwicklung. Sie ist durch eine gute Ichintegration, stabile und effiziente Ichfunktionen und die Dominanz der Verdrängungsabwehr geprägt. Selbst- und Objektvorstellungen sind gut integriert und stabil.

      Die neurotische Konfliktpathologie ist durch eine habituelle Verdrängung von ungelösten Konflikten nach dem Vorbild der klassischen Neurosen gekennzeichnet. Im Zentrum steht die Abwehr von Konflikten, die aufgrund verinnerlichter Werte und Normen (Idealvorstellungen und Verbote) nicht verarbeitet werden können und deshalb verdrängt werden. Während man früher vor allem die libidinöse und aggressive Triebdynamik neurotischer Konflikte betrachtet hat, stehen heute Beziehungskonflikte der ödipalen und späten präödipalen Entwicklung im Zentrum. Das sind vor allem Rivalitäts-, Liebe-Hass- und Schuldkonflikte aus dem Ödipuskomplex, aber auch aggressive und Loyalitätskonflikte aus der Triangulierungsdynamik