eine robuste Theta Erhöhung (Zhang et al. 2019).
In früheren Studien wurden oft längere ununterbrochene Ruhe-EEGs von über 10 min Dauer gemessen, um daraus eine feste Zahl artefaktfreier EEG-Abschnitte auszuwerten (z. B. Clarke et al. 2003). Da Kinder mit ADHS oft auch mehr Bewegungsartefakte aufweisen, könnten bei Ihnen vermehrt spätere EEG-Abschnitte in die Auswertungen eingeflossen sein. Dies könnte zusätzliche EEG-Unterschiede vortäuschen. Anderseits fanden frühere Studien auch erhöhte TBR bei ADHS mittels kurzen EEG Messungen von 90 s (Monastra et al. 2001), was sich nicht als über längere Zeit zunehmende Regulationsschwierigkeiten erklären lässt.
Im Schlaf zeigen sich zwar verminderte Schlafeffizienz, mehr Einschlafschwierigkeiten und mehr Stadienwechsel, aber keine konsistenten Abweichungen der klassischen Schlafprofile und der Verteilung der Schlafstadien bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS. Hingegen ist die Topografie der langsamen Wellen im Tiefschlaf verändert. Vor allem frontale langsame Wellen sind bei ADHS vermindert, was einer mehr posterioren Topografie entspricht, wie sie sich auch bei jüngeren Kindern findet (Ringli et al. 2013). Diese verzögerte Frontalisierung kann auch als Entwicklungsverzögerung gedeutet werden, was sich mit einem Subtyp im Ruhe-EEG, mit Veränderungen bei der Antworthemmung (Doehnert et al. 2010) und mit strukturellen MRT-Befunden (Shaw et al. 2014) deckt.
EEG-basierte Klassifikation und klinische Translation
Der Nutzen dieser Befunde für die klinische Anwendung ist umstritten. Frühere Studien berichteten, dass die Erhöhung der langsamen Anteile im Spontan-EEG schon in einem einzelnen Kanal erfasst werden kann und dabei die TBR eine derart hohe Sensitivität (um 90 %) und Spezifizität (um 95 %) für Kinder und Jugendliche mit ADHS gegenüber gesunden Kontrollen aufweise, dass man damit die ADHS-Diagnostik zumindest sinnvoll ergänzen kann (Monastra et al. 2001; Snyder et al. 2008). Die meisten dieser quantitativen EEG (QEEG)-Studien weisen aber methodische Schwächen wie unübliche ADHS-Diagnostik, unklare EEG-Artefaktbehandlung, unklare Klassifikationsberechnung auf und sind deshalb mit Vorsicht zu interpretieren. Methodisch einwandfreie Arbeiten zeigten, dass die Klassifizierung von ADHS-Probanden gegenüber gesunden Kontrollen anhand des Ruhe-EEGs mit multivariaten Verfahren zwar eine Sensitivität von fast 95 %, aber eine Spezifizität von nur 40 % ergab (Magee et al. 2005). Eine Clusteranalyse verbesserte zwar die Klassifikation für Teilgruppen, was aber diagnostisch nicht nutzbar ist und eher die Heterogenität in der ADHS-Gruppe entsprechend der neueren Clusteranalyse (Clarke et al. 2011) belegt.
Inzwischen wird kaum mehr bestritten, dass die unzureichende diagnostische Validität von TBR keine eigenständige ADHS Diagnose erlaubt. Dennoch wurde der Ansatz, TBR als diagnostisches Hilfsmittel zu nutzen, mittels einer multizentrischen verblindeten Studie unter Beteiligung eines EEG-Geräteherstellers verfolgt, und vor kurzem von der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen (Snyder et. al. 2015). Dabei wurde argumentiert, dass bei einer ADHS Verdachtsdiagnose eine erhöhte TBR mit hoher Sicherheit auf »echtes« ADHS hinweise, während eine unauffällige TBR weitere Abklärung erfordere, da in diesem Fall andere Diagnosen ADHS vortäuschen könnten (DSM-Kriterium »E«).
Dieser mehrstufige Ansatz mag allenfalls eine homogene Teilgruppe mit ADHS identifizieren, aber lässt wesentliche Bestandteile einer sorgfältigen, leitliniengerechten ADHS-Diagnostik vermissen, und weder der klinische Nutzen noch die Validität und Reliabilität wurden unabhängig geprüft. Die FDA-Zulassung als EEG-basierte Diagnostikhilfe wurde dementsprechend breit kritisiert (Arns et al. 2016; Gloss et al. 2016). Zusammenfassend erlauben zurzeit neurophysiologische Masse keine klinische Translation. Sie sind weder für eigenständige ADHS-Diagnosen noch als diagnostische Hilfsmittel validiert und eine unabhängige Replikation durch ausgewiesene universitäre ADHS Zentren bleibt unerlässlich.
EEG – Wirkung von Stimulanzien und anderen Behandlungen
Die oben beschriebenen EEG Abweichungen normalisieren sich zum Teil unter einer Therapie mit Methylphenidat (MPH) und anderen Stimulanzien (Clarke et al. 2002a). Eine ähnliche EEG Normalisierung wird auch nach Abschluss von EEG-Biofeedback (»Neurofeedback«) Behandlungen berichtet (Heinrich et al. 2007; Monastra et al. 2002). Allerdings bleibt mangels Kontrollbedingungen unklar, ob diese Befunde für Neurofeedback oder für die begleitenden Behandlungen spezifisch sind. Trotz guter Erfolge der Stimulanzien Behandlung auf die Symptomatik bleibt ein Anteil von ADHS-Kindern, die nicht auf diese Behandlung ansprechen. Deshalb sind Studien, die diese Gruppen anhand von EEG-Merkmalen unterscheiden, von klinischer Bedeutung. Das quantitative EEG konnte in frühen Studien eine positive Therapieantwort auf Stimulantien wie MPH mit fast 75 % Klassierungsgenauigkeit vorhersagen (Steinhausen et al. 1984), wobei in weiteren Studien vor allem Kinder mit erhöhter langsamer Aktivität wie erhöhter TBR, Theta-EEG-Aktivität, oder Alpha-Verlangsamung gut anzusprechen schienen (Clarke et al. 2002b).
Aufgrund dieser vielversprechenden ersten Befunde wurden EEG-Masse als mögliche prädiktive Biomarker für gutes Ansprechen auf Stimulanzien gehandelt. Ernüchternde neuere Befunde aus größeren prospektiven Studien zeigen inzwischen, aber dass diese Marker nur sehr begrenzte Voraussagen bei Teilgruppen wie männlichen Jugendlichen erlauben (Arns et al. 2018). Zusätzlich scheinen genetische Varianten im Dopamin-System sowohl das EEG als auch die Therapieantwort zu beeinflussen. So ergab MPH nur bei denjenigen ADHS Patienten mit einer bestimmten Variante des Dopamin-Transporter-Gens (DAT1 10/10 repeat) eine klare Verbesserung der CPT-Leistung und des EEGs bei Ruhe und im CPT mit Abnahme der Theta-Leistung und des Theta/Beta Verhältnisses (Loo et al. 2004).
Anhand von EEG- und ERP-Befunden ließ sich auch das Ansprechen auf Neurofeedback teilweise voraussagen, wobei weniger starke Alpha Aktivität und stärkere CNV zusammen fast 30 % des Therapieerfolgs erklärten (Wangler et al. 2011). Dennoch fehlt auch hier eine unabhängige Validierung und die Befunde erlauben zurzeit keine klinische Anwendung.
Familiäre Einflüsse auf das EEG ergaben sich in einer Studie von Kindern mit ADHS, deren Alpha während einer CPT Aufgabe (nicht bei Ruhe) vor allem frontal vermindert war, wenn auch ein Elternteil von ADHS betroffen waren (Loo und Smalley 2008).
6.4 ERP-Befunde bei ADHS
Kinder mit ADHS schneiden besonders schlecht in Tests ab, welche Aufmerksamkeit, Antwortkontrolle, Motivation und Ausdauer erfordern, während ihre grundlegenden Fähigkeiten zur Wahrnehmung und Motorik intakt scheinen. Entsprechend werden für die meisten neurophysiologische ERP-Studien ähnliche Tests verwendet. Allerdings wird dabei meist versucht, die Verhaltensunterschiede zwischen ADHS und Kontrollgruppen zu minimieren, und Fehler werden von der Auswertung ausgeschlossen, um »verdeckte« neurophysiologische Defizite trotz korrekter Verarbeitung zu erfassen. Neurophysiologisch lassen sich nun Aufmerksamkeit und Antworthemmung als parieto-frontale und als fronto-striatale Netzwerke darstellen, welche beide mit ADHS in Verbindung gebracht werden.
Manche Tests, die auf ADHS ansprechen, können auch neurophysiologische Defizite von Aufmerksamkeit und Antwortkontrolle unterscheiden. Dazu zählen bestimmte Formen des CPT wie der CPT A-X oder O-X, welche einen Go/NoGo Test enthalten (van Leeuwen et al. 1998) sowie Stopp- oder Go/NoGo Aufgaben, welche die Hemmung vorbereiteter Antworten erfordern (Rubia et al. 1998). Die verminderte Inhibition oder Antwortkontrolle wurde – neben verminderter Motivation – lange als Kerndefizit betrachtet (Sonuga-Barke 2002). Sie stellt aber vermutlich wie die Aufmerksamkeitsprobleme und die beeinträchtigte energetische Zustandsregulation (Sergeant 2000) nur einen Aspekt dar (Banaschewski und Brandeis 2007; Banaschewski et al. 2004).
Grundverarbeitung und frühe Aufmerksamkeit
Ein wesentlicher neurophysiologischer Befund ergibt sich aus der Tatsache, dass die ERPs zu unbeachteten Reizen nur geringe und wenig konsistente Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne ADHS und so eine weitgehend intakte Grundverarbeitung anzeigen. Hingegen belegt eine Vielzahl von ERP-Studien mit aktiven, Aufmerksamkeit fordernden Versuchsanordnungen, dass schon frühe Aufmerksamkeitseffekte im ERP bei ADHS je nach Versuchsanordnung vermindert oder verstärkt sind, während die ERP-Marker von späten Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen durchwegs verminderte Aktivität anzeigen (Banaschewski und Brandeis 2007; Barry et al. 2003b).
Verminderte