Claudius Stein

Spannungsfelder der Krisenintervention


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alt="image"/> Kap. 3). Ich lege in meinen Ausführungen allerdings auf eine Betrachtungsweise Wert, die in allen Problemlösungsversuchen, auch wenn diese destruktive Folgen haben, den adaptiven Charakter sieht.

      Anmerkungen zu den notwendigen Rahmenbedingungen und ein kurzer Ausblick in die Zukunft schließen das Buch ab (image Kap. 6). Im Anhang findet sich eine Darstellung des Kriseninterventionszentrums Wien (image Anhang 1) und eines Weiterbildungslehrgangs in Krisenintervention (image Anhang 2) sowie nützliche Internetadressen (image Anhang 3).

      Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Personen, Lehrern und Lehrerinnen, Kollegen und Kolleginnen, Freunden und Freundinnen, die mich beim Entstehungsprozess dieses Buches praktisch und ideell unterstützt haben und von denen ich durch Austausch und kritische Diskussion in all den Jahren sehr viel gelernt habe, bedanken. Namentlich möchte ich dabei Harry von der Heyden (auch für die humorvollen Anmerkungen), Eva Paltinger, Ingrid Reichmann und Elisabeth Schnepf erwähnen. Danken möchte ich auch meinen Lektoren und Lektorinnen für deren Unterstützung und Vertrauen. Mein Dank gilt im Besonderen auch allen Klienten und Klientinnen, die ich in den vielen Jahren bei der Bewältigung ihrer Krisen begleiten durfte und die mich viel über den Charakter von Ausnahmesituationen gelehrt haben. Durch diese Begegnungen ist mein Respekt vor der Fähigkeit der Menschen auch mit schwierigsten Belastungen und Lebensumständen zurecht zu kommen immer mehr gewachsen und hilft mir bis heute, auch in sehr bedrohlichen Situationen Zuversicht und Hoffnung zu bewahren. Die Falldarstellungen sind fiktiver Natur. Sie wurden aus unterschiedlichen realen Kriseninterventionen zusammengestellt und so verfremdet, dass ein Rückschluss auf reale Personen nicht möglich ist. Die Umstände wurden zwar verändert, trotzdem könnte sich jede Krise exakt so zugetragen haben.

      Ein besonderer Dank gilt meiner Familie, meiner Mutter, meinen beiden Töchtern, Alina und Renuka, und vor allen Dingen meiner Frau, Cornelia Schnieder, die mich während dieses Jahres der Buchentstehung vorbehaltlos begleitet haben. Das Entstehen dieses Buches ist eng mit einer eigenen Entwicklungskrise verknüpft. Das Grundgerüst entstand im ersten Halbjahr 2008 während der Abwesenheit meiner Töchter. Die jüngere verbrachte ein halbes Jahr im Zuge eines Auslandsaufenthalts in Frankreich, die Ältere musste, um ihre Ausbildung zu beenden, ein Internat außerhalb Wiens besuchen. Durch diesen vorübergehenden Abschied war ich selbst mit einem Trauerprozess beschäftigt. Ich habe abseits der schmerzlichen Komponenten auch versucht, diesen in kreativer Weise zu nutzen. Daher widme ich dieses Buch auch meinen beiden Töchtern. Die Begleitung ihres Heranwachsens in schönen wie in krisenhaften Zeiten hat mein Leben in den letzten 18 Jahren sehr wesentlich geprägt und in vieler Hinsicht in ganz spezieller Weise zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen.

      Wien, im Januar 2009

      Claudius Stein

      ([email protected])

      1 Kurze Geschichte der Krisenintervention

      Wenn wir uns die Frage nach den Wurzeln der Kriseninterventionsarbeit stellen, so lassen sich im Wesentlichen fünf Entwicklungstendenzen finden, auf denen die aktuelle Theorie und Praxis aufbaut. Diese werden in einem kurzen historischen Rückblick dargestellt.

      Die ersten beiden Entwicklungslinien finden sich in der theoretischen und praktischen Beschäftigung mit akuten Traumatisierungen und den Folgen schwerwiegender Verluste (image Kap. 3.1 und image Kap. 3.4.2). Dementsprechend sind heute die Begriffe Trauer und Traumatisierung eng mit Konzepten zum theoretischen Verständnis von Krisen und Krisenintervention verknüpft. Eric Lindemann (1944), der 1942 nach der Brandkatastrophe von Coconut-Grove, bei der 140 Menschen in einem Tanzlokal umkamen, Hinterbliebene und Überlebende betreut und untersucht hat, kann diesbezüglich als einer der Pioniere gelten. Seine dabei gewonnenen Erfahrungen ließen ihn zu der Überzeugung gelangen, dass Menschen, die von derart schwerwiegenden Belastungen betroffen werden, unbedingt ein gezieltes psychiatrisches, psychologisches oder psychotherapeutisches Hilfsangebot benötigen. Gerald Caplan (1964) entwickelte diese Ansätze in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts weiter. Sein sozialpsychiatrisch-präventiver Ansatz zielte vor allen Dingen auf die Vermeidung unnötiger psychiatrischer Krankenhausaufenthalte ab. Auf der Basis ihrer Erfahrungen vertraten Lindemann und Caplan die Auffassung, dass im Sinne sekundärer Prävention Krisen möglichst frühzeitig bearbeitet werden sollten, und gründeten folgerichtig das erste Community Crisis Center.

      Erik H. Erikson stellte in seinem 1959 erschienenen Buch »Identity and the Life Cycle« (deutsch: Identität und Lebenszyklus 1966) sein Konzept der Entwicklungskrise vor, das sich vorwiegend mit der Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung des Individuums beschäftigt. Erikson stellt fest, dass jeder Mensch während seines Lebens bestimmte kritische Phasen durchlebt, in denen er mit existenziellen, neuen Aufgaben konfrontiert wird. Nur eine erfolgreiche Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben ermöglicht Reifung und Wachstum (image Kap. 3.3.1).

      Da Suizidalität neben Gewalthandlungen die dramatischste Zuspitzung von Krisen darstellt, waren Konzepte zur Suizidprävention von Beginn an eng mit denen der Krisenintervention verknüpft, wobei Einrichtungen zur Suizidprophylaxe lange vor den ersten Kriseninterventionszentren gegründet wurden. Diese wurden zunächst von nichtärztlichen, karitativen Einrichtungen betrieben. Die erste Telefonseelsorge entstand 1895 in London. 1906 richtete die Heilsarmee in London eine Stelle zur »Selbstmordbekämpfung« ein. In den USA gilt der New Yorker Pfarrer Warren als der erste, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts einen Notruf für Suizidgefährdete gründete. 1927 wurden in Wien vom Fürsorgeamt der Wiener Polizeidirektion Maßnahmen für Menschen nach einem Suizidversuch entwickelt. Der Philanthrop Wilhelm Börner, Leiter der »Ethischen Gemeinde«, gründete kurz darauf ebenda eine Lebensmüdenstelle mit 60 ehrenamtlichen Mitgliedern (u. a. Viktor E. Frankl). Diese war Vorbild für ähnliche Einrichtungen in mehreren Ländern Mitteleuropas (Sonneck et al. 2008). 1938 verboten die Nationalsozialisten nach dem Anschluss Österreichs die Tätigkeit der Lebensmüdenstelle. In dieser Zeit galt der »Selbstmord« als »gesunder Reinigungsprozess des Volkes von minderwertigen Elementen«. Anstrengungen zur Suizidverhütung waren somit unerwünscht.

      Erst 10 Jahre später (1948) wurde im Rahmen der Caritas der Erzdiözese Wien von Erwin Ringel wieder ein Selbstmordverhütungszentrum