Daphne Niko

DAS ORAKEL


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32

       Kapitel 33

       Kapitel 34

       Kapitel 35

       Kapitel 36

       Kapitel 37

       Kapitel 38

       Kapitel 39

       Kapitel 40

       Kapitel 41

       Kapitel 42

       Kapitel 43

       Kapitel 44

       Kapitel 45

       Kapitel 46

       Kapitel 47

       Kapitel 48

       Kapitel 49

       Kapitel 50

       Kapitel 51

       Kapitel 52

       Kapitel 53

       Kapitel 54

       Kapitel 55

       Kapitel 56

       Kapitel 57

       Epilog

       Über die Autorin

      Kapitel 1

      Livadia, Mittelgriechenland, 393 n. Chr.

      Wie ein Tier auf der Flucht hetzte die Priesterin durch den Wald. Die Männer, die nach ihr suchten, waren Feinde der schlimmsten Art: Sie würden sie bei lebendigem Leib häuten und dabei die Loblieder der Rechtschaffenen singen.

      Die abgefallenen Blätter der Muttereichen lagen in Schichten auf dem Waldboden, zerfielen unter ihren flinken Schritten und verrieten ihre Position, während sie auf die Rettung zurannte. Sie spürte das wütende Schlagen ihres Herzens. Die Schatten, die ihr folgten, kamen näher.

      Sie flehte Apollon um einen silbernen Faden Mondlichts an. Als sie nach Luft für ihre eingeschnürte Lunge rang, teilten sich die blaugrauen Wolken. Ein Lichtstrahl blitzte zwischen den Zweigen der Bäume hindurch und beschien vereinzelte Erdflecken. Dort, entlang des Berghangs, jenseits der kahlen Eichen, standen die immergrünen Pflanzen, die den Pfad zum Fluss Herkyna säumten. Obwohl sie es über ihren eigenen, hastigen Atem nicht hören konnte, stellte sie sich das Flüstern der heiligen Wasser vor, und das verlieh ihr Stärke.

      Nur noch ein paar Schritte bis zur Höhle.

      Würden ihre Brüder dort warten? Oder hatten sie sie aufgegeben? Es war so lange her, dass sie entführt und in das Lager der Barbaren verschleppt worden war, die das Banner eines neuen Gottes schwangen. War ihr Volk ihr treu geblieben, ihren gemeinsamen Prinzipien? Oder hatten sie ein ähnliches Schicksal erlitten und sich in alle vier Winde zerstreut?

      Bald würde sie die Antwort wissen. Sie ignorierte den Protest ihres Körpers und befahl ihren Beinen, schneller zu laufen.

      Nur noch ein paar Schritte …

      «Aristea von Delphi.» Das Flüstern einer Männerstimme verspottete sie. War er Freund oder Feind? Ohne ihr Tempo zu drosseln, blickte sie über ihre Schulter. Dort war niemand.

      Er wiederholte ihren Namen, diesmal mit einem Zischen, das ihr die feinen Härchen auf den Armen zu Berge stehen ließ. Sie spürte eine durchdringende Präsenz und sah vor ihrem geistigen Auge das rotglühende Eisen, mit dem sie gebrandmarkt worden war, als sei sie das Eigentum jenes verabscheuenswürdigen Tempels. Der Gedanke entmutigte sie.

      Die kühle Luft mit gierigen Zügen einatmend rannte Aristea weiter auf die Pinien zu. Ihre Kapuze verfing sich in einem tief hängenden Ast, und entblößte ihr kurz geschorenes Haar, als sie ihr vom Kopf gerissen wurde. Die Mönchskutte, die sie zur Tarnung trug, war schweißgetränkt und der Leinenflor der Tunika darunter klebte an ihrer Haut.

      Nichts davon spielte eine Rolle. Sie trachtete einzig danach, den Wahnsinnigen zu entkommen, die sie jagten, denjenigen, die ihre Gräueltaten damit rechtfertigten, dass sie sich einer höheren Macht beugten. Sie wusste, dass sie zu allem fähig waren. Sie war der Adressat ihrer Abscheulichkeit gewesen.

      «Aristea.» Stimmen verhöhnten sie jetzt aus mehreren Richtungen, als hätten sie sie umzingelt. «Du kannst dich nicht verstecken.»

      Abermals warf sie einen Blick über ihre Schulter und abermals sah sie nichts. Sie drehte sich gerade rechtzeitig wieder nach vorn, um zu sehen, wie sie auf die abblätternde Rinde eines Nadelbaums zulief. Der Aufprall ließ sie rückwärts umfallen und sie landete mit dem Steißbein auf einem gezackten Stück Kalkstein. Der Schmerz durchzuckte sie wie Zeus' Blitzschlag.

      Aus den Schatten erklang grausames Gelächter. Keuchend stand Aristea wieder auf. Ihre Knie zitterten vor Erschöpfung so sehr, dass sie fürchtete, sie würden ihr den Dienst verweigern. Sie biss die Zähne zusammen und sagte sich, dass sie unbezwingbar war, die Tochter der Götter.

      Sie war das Orakel von Delphi.

      Der Gedanke erfrischte ihren Geist. Humpelnd zwang sie sich vorwärts, auf den Eingang der Höhle zu. Sie konnte die Messingpfähle der Einfriedung im Mondlicht funkeln sehen.

      Nur … noch … ein paar … Schritte …

      Die Stimmen verstummten. Hatte Aristea sie sich nur eingebildet? Nein, das war keine gewöhnliche Stille. Es war das Zähnefletschen vor dem Angriff. Der Windstoß vor dem sintflutartigen Regenfall.

      Den Schmerz ignorierend hüpfte Aristea über ein Gewirr herabgefallener Äste hinweg und landete auf allen vieren vor dem Messingobelisken, der das Tor öffnete. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie drehte den Pfahl zweimal rechts herum, einmal nach links, und halb wieder zurück.

      Die Erde tat sich auf.

      Mit zitternden Händen tastete Aristea nach der Strickleiter. Ihr Herz machte einen Satz, als ihre Finger über die raue