Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman


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Ich kann mich gar net erinnern, daß die Lotti sich früher einmal so sonderbar verhalten hat.«

      »Ich lasse euch dann besser alleine. Ich gehe noch zum Xaver und trinke ein Bier.«

      Der Haltingerbauer holte seinen Hut mit der schönen Gamsbart und ging fort.

      Elli beobachtete ihre Tochter noch einen Augenblick. Dann stand sie auf und ging zu ihr. Sie legte den Arm um sie und nahm ihr den Besen aus der Hand.

      »So, Lotti! Jetzt kommst mit mir! Ich habe genug Sorgen mit den Zwillingen, den sturen Mannsbildern. Ich habe keine Kraft, mir auch noch Sorgen um dich zu machen.«

      Elli Haltinger ließ ihrer Tochter keine Wahl. Sie führte sie in den Garten. Dort setzten sie sich unter den Apfelbaum.

      »Es ist so ein wunderbarer Abend, Lotti! Schau, wie schön die Berge in der Abendsonne leuchten!«

      Lotti blickte kurz zu den Gipfeln hinauf. Die Sonne ließ die Felsen, Gletscher und Schneefelder in einem zarten Rosa bis zu einem glühenden Dunkelrot strahlen.

      »Also, was ist mit dir?«

      »Mutter, ich bin am Überlegen, ob ich morgen früh noch einmal hinauf zu Titus gehen soll.«

      »Dann ist doch was gewesen zwischen dem Titus und dir? Dabei habt ihr euch immer so gut verstanden.«

      »Naa, Mutter! Es ist nix mit dem Titus und mir!«

      »Was ist es dann? Dir liegt doch etwas auf der Seele! Du weißt, du kannst mir alles sagen, des weißt doch?«

      »Ja, Mutter!«

      »Also, ich höre!« Ellis Stimme nahm einen strengeren Klang an.

      Es dauerte einen Augenblick, dann sagte Lotti leise.

      »Ich muß etwas nachsehen! Das beschäftigt mich! Ich muß immer daran denken!«

      »Dann rufe doch den Titus an! Vielleicht kann er dir weiterhelfen.«

      Lotti zuckte mit den Schultern.

      »Ich weiß nicht! Es ist sicherlich nicht gut, wenn ich Titus ausfrage. Ich denke, es ist geschickter, wenn ich Titus morgen frische Wäsche hinaufbringe. Dann habe ich einen Grund, mich umzusehen.«

      Lotti errötete. Ihre Mutter schmunzelte.

      »Sag mal, mein Kind! Kann es sein, daß dir dort oben auf der Berghütte jemand gefallen hat, ein Bursche vielleicht?«

      Lotti schaute ihre Mutter an.

      »Das kannst du mir ansehen?« rutschte es Lotti heraus.

      Die Bäuerin legte ihren Arm um Lotti und drückte sie.

      »Kind, ich bin auch einmal jung gewesen! Ich frage mich schon lange, wann du dich mal verliebst.«

      »Verliebt bin ich nicht!« widersprach Lotti sofort heftig.

      »Gut, du bist nicht verliebt! Aber der Bursche gefällt dir?«

      »Ja! Er stand auf dem Heimweg plötzlich vor mir. Er wollte rauf zur Berghütte und ich runter zur Oberländer Alm. Wir sind genau an der engen Stelle zusammengetroffen, weißt, die Stelle, die Nadelöhr heißt.«

      »Wie schaut er denn aus?«

      »Wunderbar! Ganz wunderbar!« hauchte Lotti mit träumerischen Augen.

      Sie errötete aufs Neue.

      »Mutter! Er ist net von hier! Mußt dir keine Sorgen machen. Aber ich will wissen, wer er ist, wo er herkommt. Sicherlich ist er in festen Händen. So ein Bursche läuft net als Lediger herum. Das hat die Natur net vorgesehen.«

      Die Bäuerin schmunzelte.

      »Du machst dir ja richtig Gedanken. Dann scheint er ein wirklicher Adonis zu sein.«

      Mit träumerischen Augen beschrieb Lotti ihn ihrer Mutter.

      »Er ist groß, hat breite Schultern. Ein wirklich strammer Bursche, braungebrannt. Er muß viel im Freien sein. Er sah nicht aus wie die Leute, die sich die Farbe auf einer Sonnenbank holen. Er hat helle, ganz hellblonde Haare, so wie einer, der immer in der Natur ist, in der Sonne, draußen eben. Und große blaue Augen hat er mit langen Wimpern.«

      Sie hat ihn sich ja genau angesehen, dachte Lottis Mutter.

      »Aber er trug keine Tracht! Keine Lederhosen! Er war in kurzen Shorts und in einem enganliegenden T-Shirt. Es war blau. Das sah gut aus zu seinen blauen Augen. Es stand etwas darauf. Aber ich kann mich nicht erinnern, was es war. Zu dumm!«

      Elli lächelte.

      »Wenn er auf dem Weg hinauf zu der Berghütte war, dann muß er Titus auch aufgefallen sein. Diesen Burschen kann nach deiner Beschreibung niemand übersehen.«

      »Nein, den kann niemand übersehen!«

      »Rufe Titus an und frage ihn!«

      »Mutter! Das kann ich unmöglich tun! Wie schaut das aus? Was soll Titus von mir denken? Außerdem muß ich ihn mir aus dem Kopf schlagen. So wunderbar er auch ist. Wie sagst du immer? Man kann im Leben nicht alles haben, was man will. Man muß zufrieden sein mit dem, was man hat. Ich werde mich damit begnügen, von ihm zu träumen. Gern würde ich ihn noch einmal sehen – und wenn es nur aus der Ferne ist.«

      »Ein Mann in der Ferne, der nützt dir nix, Lotti!«

      »Stimmt auch wieder, Mutter!«

      »Die Ungewißheit bringt nur Unruhe in dein Leben! Also gehst morgen rauf auf die Berghütte und bringst dem Titus frische Wäsche. Vielleicht siehst du ihn.«

      »Wenn er nicht wandern ist oder bergsteigen ist. Ich kann mir gut vorstellen, wie er eine Felswand hinaufklettert. Er wirkt so kraftvoll, so durchtrainiert.«

      »Lotti! Lotti! Dich hat es ganz schön erwischt.«

      »Meinst wirklich, Mutter?«

      »Ja! Du hast dich verliebt! Du wirst immer an diesen Mann denken, wenn du es nicht klärst. Du mußt dir Gewißheit verschaffen.«

      »Du meinst, ich soll ihm wirklich nachlaufen?« staunte Lotti.

      »Nachlaufen net! Du kannst dich in seiner Nähe aufhalten. Dann wirst schon sehen!«

      »O ja!« hauchte Lotti.

      Elli Haltinger stand auf.

      »Ich bin müde. Ich gehe schlafen! Vorher richte ich noch einen Rucksack mit frischer Wäsche. Ich lasse ihn in Titus’ Zimmer stehen. Du kannst dich ja noch entscheiden. Denke ein bissel drüber nach. Bleib’ hier sitzen. Schaue in die Sterne. Die Sonne ist gleich untergegangen. Träume von dem Burschen und höre auf dein Herz. Einen anderen Rat, als auf dein Herz zu hören, kann ich dir nicht geben, Lotti. Mütter, Eltern, können vieles regeln für ihre Kinder. Irgendwann ist es damit vorbei. Buben müssen sich allein für das Madl entscheiden, das sie wollen und

      Madln sich ihren Burschen alleine aussuchen. Sie müssen damit leben und lieben und gemeinsam die Höhen und Tiefen im Leben bewältigen. Raten sollte man als Eltern da net. Die Verantwortung, die kann keine Mutter und kein Vater wirklich übernehmen. Vielleicht verstehst du jetzt meine Worte noch nicht so ganz. Aber eines Tages hast du selbst Kinder, die dann in deinem Alter sind und sich die Fragen stellen, die du dir jetzt stellst. Sicherlich wirst du dann so mit ihnen reden, wie ich mit dir.«

      »Mutter, wie bist du dir sicher gewesen, daß Vater der Richtige ist? Kann man sich nicht irren?«

      »Die Liebe irrt nie! Aber es kommt leider vor, daß sich Menschen verändern. Man wird älter, damit ändert sich auch die Sicht auf viele Dinge und der Blick auf das Leben. Da kann es schon möglich sein, daß die beiden es nicht mehr schaffen, sich jeden Tag neu zu verlieben. Das ist das Geheimnis eines langen schönen und glücklichen Lebens. Zwei, die zusammengehören, müssen sich jeden Tag neu in den anderen verlieben. Jeder Mensch hat Ecken und Kanten. Schau, Thomas ist schwierig. Trotzdem lieben ihn dein Vater und ich genauso wie dich und Titus. Er ist sicherlich auch nicht glücklich. Er würde gern anders sein, aber