aber er war schnell wieder da.
»Klärchen fragt, ob Jana zum Abendessen bleibt.«
»Heute muß ich heim, weil meine Freundin mir sicher berichten will, wie ihr erster Arbeitstag verlaufen ist.«
»Papi ist doch gar nicht da, aber wenn er zurück ist, werde ich ihm sagen, daß er nett sein soll zu deiner Freundin, damit sie nichts dagegen hat, wenn du nun so viel bei uns bist.«
»Bobby weiß für alles ein Rezept«, sagte Agnete lächelnd. »Wir sehen uns morgen, Jana. Ich freue mich.«
»Ich freue mich auch«, erwiderte Jana.
Bobby griff gleich nach ihrer Hand, ging mit ihr hinaus und begleitete sie bis zur Gartentür.
Er umarmte sie. »Ich habe dich lieb, Jana«, flüsterte er.
»Ich dich auch, Bobby«, erwiderte sie gerührt.
Agnete sah von der Tür aus, wie sich Jana zu Bobby herabbeugte und ihn auf die Stirn küßte. Tränen drängten sich in ihre Augen, aber ihren Mund umspielte ein glückliches Lächeln.
Ganz langsam kam Bobby zurück ins Haus, als müsse er sehr nachdenken. Er war auch eine ganze Weile still, und Agnete ließ ihn in der besinnlichen Stimmung.
»Weißt du, Granny, Jana ist doch ganz anders als Mami«, stellte er dann nachdenklich fest.
»Wie anders?«
»Das kann ich nicht erklären, ich bin ja auch noch klein und kann es nicht richtig sagen. Sie hatte wohl sehr viel Kummer.«
»Ich glaube schon.«
»Wie kann man sie bloß nicht liebhaben? Was waren das für Leute, die böse zu ihr waren?«
Er hatte doch wieder das meiste mitgekriegt und machte sich Gedanken.
»Das waren die Eltern von ihrem Mann, aber ihr Mann war gut zu ihr«, erklärte sie, um ihn zu beruhigen.
»Mamis Eltern waren auch nicht so lieb wie du. Kommen sie überhaupt nicht mehr her?«
»Wahrscheinlich nicht.« Sie hatte ja immer gehofft, daß sie sich fernhalten würden, denn zu ihnen hatte sie gar keinen Kontakt gefunden.
»Sie brauchen auch nicht kommen, ich habe ja dich und Papi und jetzt Jana.«
»Warum magst du sie eigentlich sosehr, Bobby?«
Er überlegte. »Weil sie aussieht wie das Christkind«, erwiderte er.
»Aber du hast doch das Christkind nie richtig gesehen.«
»Ich habe es mir aber so vorgestellt. Als ich Jana auf dem Friedhof gesehen habe, da kam die Sonne durch die Wolken und umleuchteten sie, ja, genauso war es, Granny. Ich weiß jetzt aber wirklich nicht mehr, warum ich dachte, es sei die Mami.«
»Du hast deine Mami sehr lieb gehabt, Bobby.«
»Sie hat immer gesagt, daß ich sie sehr lieb haben muß, und daß niemand so wichtig ist wie sie. Aber sie kommt nicht wieder, das weiß ich jetzt. Sie ist im Himmel und hat keine Schmerzen mehr. Warum war sie so krank, Granny?«
»Wenn man das wüßte, Bobby,«
»Ich weiß, daß ich zu klein bin, um das zu verstehen. Meinst du, daß mir Jana viel beibringen wird?«
»Das denke ich schon, sie ist klug und war tüchtig in ihrem Beruf.«
»Was ist das für ein Beruf?«
»Das muß dir Jana erklären, ich verstehe nichts davon.«
»Aber du weißt doch sonst alles.«
»Liebe Güte, ich weiß nicht alles.«
»Aber Klara sagt, daß ich dich fragen soll, weil du alles weißt.« Sie kannte diese Fragespiele zur Genüge, aber was sollte so ein intelligentes Kind sonst tun, wenn es keine Spielgefährten hatte. Unwillkürlich paßte es sich den Erwachsenen an. Julie hatte es so gewollt. Es sollte ein besonderes Kind sein, das sich von anderen unterschied, wie sie auch immer etwas Besonderes sein wollte. Wie gut hatte David sie eigentlich gekannt vor der Heirat?
*
Das fragte sich David auch, als er mit Marcel Dubois sprach. Das heißt, er hörte vorher zu, denn Julies Vater redete wie ein Wasserfall, pries seine eigene Geschäftstüchtigkeit an und welcher Gewinn es für Davids Firma wäre, die seine zu übernehmen.
David ließ ihn reden, denn Jürgen war ja anwesend, wenn er sich auch diplomatisch im Hintergrund hielt. Er registrierte bestimmt, wenn etwas Wichtiges gesagt wurde.
Julie hatte es tunlichst vermieden, ihn mit ihren Eltern zusammenzubringen, bevor die Heirat noch nicht geplant war, aber sie hatte es um so geschickter verstanden, ihn schnell zu einem Heiratsantrag zu bringen. Sie war so ganz anders als die Frauen, denen er vorher begegnet war. Viel Gelegenheit, andere kennenzulernen hatte er nicht gehabt. Julie war bezaubernd, kapriziös, charmant. Die Art, wie sie ihm zeigte, daß er der einzige und wichtigste Mann der Welt für sie sei, hatte ihm geschmeichelt. Sie war eine anspruchsvolle, aber zugleich auch bequeme Frau, hatte keinen eigenen Willen, ließ alles ihn bestimmen, kannte keinen Widerspruch und keine Kritik. Erst als ihm ihre Krankheit bewußt wurde, dachte er darüber nach, daß er für sie Stärke und Leben bedeutete und sie sich deshalb an ihn klammerte.
Marcel Dubois war indessen die Puste ausgegangen.
David tauschte einen langen Blick mit Jürgen, und der nickte, was seine Zustimmung zu diesem Vertrag bedeutete. Sie waren so aufeinander eingespielt, daß sie sich mit Blicken verständigen konnten.
»Es ist in Ordnung, Marcel«, sagte David. »Dr. Stern wird den Preis mit dir aushandeln. Du weißt ja selbst, wieviel ich investieren muß, um den Betrieb wirtschaftlich zu gestalten.«
»Eliette verlangt zwei Millionen Abfindung«, jammerte Marcel.
»Wieso eigentlich? Sie ist schon mit einem anderen Mann liiert und du auch mit einer anderen Frau. Da ist doch eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen angebracht.«
»So siehst du das, aber Eliette ist hartnäckig.«
»War sie es auch, die dafür war, mir Julies Krankheit zu verschweigen?« fragte David.
Marcel zuckte zusammen und wurde blaß.
»Wir hatten keine Ahnung, daß es so schlimm werden könnte! Es schien alles in Ordnung zu sein, als ihr euch kennenlerntet. Hättest du sie etwa nicht geheiratet, wenn du eine Ahnung gehabt hättest? Du hast sie doch geliebt. Ihr wart wie die Turteltauben.«
»Irgendwie habe ich mich schon hintergangen gefühlt.«
»Aber Julie hatte keine Ahnung.«
»Warum hat sie sich nicht von unserem Hausarzt betreuen lassen während der Schwangerschaft?«
»Das weiß ich nicht. Sie war überaus sensibel, wahrscheinlich wollte sie sich nicht von einem Mann untersuchen lassen. José war eine sehr gute Gynäkologin und lange mit uns befreundet. Müssen wir jetzt noch darüber reden? Julies Tod hat uns hart getroffen und letztlich auch zu unserer Trennung geführt.«
Er war unsicher und konnte Davids Blick nicht standhalten. »Warum rührst du das alles auf?« fragte er zittrig.
»Ich wollte nur endlich Klarheit haben. Ahnst du, welche Ängste ich ausstehe, daß mein Sohn diese Krankheit auch in sich haben könnte? Habt ihr ihn deshalb gemieden, weil ihr auch so etwas denkt?«
»Wir denken, daß es für ihn besser ist, wenn er nicht hin und her gezogen wird. Es ist auch nicht in deinem Sinne. Julie hat dich förmlich angebetet. Du warst für sie der einzige Mann überhaupt. Sie lebte wahrscheinlich in ständiger Angst, daß du sie verlassen würdest wegen ihrer Krankheit.«
»Ich hatte großes Mitleid mit ihr, aber ich war ihr niemals untreu.«
»Sie hat uns mit eurer Heirat vor die Tatsache gestellt. Es war eine Überraschung für uns, aber was hätten wir tun sollen? Du bist immerhin