Frank Baumann

Single in 365 Tagen


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      Wenn die Fahne in der Sonntagsposition steht, also ganz knapp am Bunker, ist der Strandbesuch dann eben programmiert. Und schon knirscht es zwischen den Zehen. Und den Zähnen.

       Der Stromboli-Effekt

      Frieda Muggli, 93 Kilogramm Lebendgewicht (relativ mittig auf 161 Zentimeter Körperlänge verteilt), klebt am Lochrand, hält die Fahnenstange und wartet freudig darauf, dass ihr Mann den Drei-Meter-Putt zum Bogey einlocht. Wäre sie eine Ballerina aus der Ballettkompanie der Dresdener Semperoper, wäre alles kein Problem. Frau Muggli hat andere Qualitäten: Sie verantwortet mit ihrer stämmigen Fahnenbedienung den Stromboli-Effekt, der wesentlich dazu beiträgt, dass wir die Zahl der Dreiputts lockerflockig nach oben schrauben können.

      Menschen wie die Mugglis sind es, die dafür verantwortlich sind, dass sich um die Löcher auf den Grüns Krater bilden, die jeden langsamen Putt kurz vor dem Fallen ausbrechen lassen. Klar erkennt der Profi bei genauer Inspektion, dass das Loch wie ein Vulkan aussieht – puttet er aber zu positiv und verzieht den Schlag nur um ein µ (physikalisch: das Müh, eine im Golf vergleichsweise verbreitete Einheit), dann isser halt weg. Und wenn er zu vorsichtig ans Werk geht, dann gerät der Ball an den Stromboli-Kraterrand und geniert sich erst recht am Loch vorbei.

      Vermutlich ganz unbewusst macht Frau Muggli das einzig Richtige, um all jenen zu helfen, die ihr Handicap auf keinen Fall spielen können möchten. Jenen also, die die Fairways nur vom Hörensagen her kennen, weil sie dauernd irgendwo im Kakao rumturnen. Golfer, die sich Schlag um Schlag aus dem Semi-Rough, aus Wasserhindernissen und absurden Bunkern heraus aufs Grün arbeiteten, werden vor Freude ausflippen, wenn die Putts nach dem ganzen heiteren Scrambeln kurz vor dem Loch wegstrombolieren. Trampeltieren Sie also bitte weiter übers Grün, stehen Sie gopferteli möglichst nahe am Lochrand, und halten Sie die Fahnenstange dicht am Körper, Frau Muggli – es hilft!

       Die Lieblingsdistanz

      Welches ist eigentlich Ihre Lieblingsdistanz? Hundertachtzig Meter? Bei welcher Entfernung zur Fahne fühlen Sie sich am sichersten? Bei hundertachtzig Metern? Angeber! Nein, jetzt mal im Ernst: bei hundertzehn oder hundert Metern? Bei sechzig oder vierzig? Das war natürlich eine Fangfrage, denn wer mit Lieblingsdistanzen operiert, versucht den Ball im Spiel zu halten, und wer das anstrebt, will ihn »in regulation« auf dem Grün landen lassen.

      Aber exakt das wollen Sie ja vermeiden. Sie wollen vor allem die Natur genießen, die Gegend erkunden, auf benachbarten Fairways freundliche Menschen kennen lernen, Pilze und Beeren sammeln und möglichst viele Schläge machen und den Ausflug im Kreise von Freunden und mit einem Getränk nach Wahl begießen. Und Sie haben recht. Tatsächlich ist es ja eine kolossale Schnapsidee, die wirklich nur aus Schottland kommen kann, unbescholtenen Bürgern die Freizeit mit einem grotesk komplizierten Konzept zu vermiesen, dessen Endziel ein Zustand der Perfektion ist.

      Wobei nicht einmal ganz sicher ist, dass das Golfspiel von schottischen Männern in Röcken erfunden wurde. Schon die alten Ägypter, die Römer und die Japaner, ja sogar die Koreaner – um 1400, vermutlich Kim Jong Il – sollen mit Ball und Schlägern rumhantiert haben. Die Chinesen gar schon ab 1000 – damals hieß das Spiel noch Gorf (!), aber weil das kein Schinese aussplechen konnte, wurde aus dem R der Einfachheit halber ein L.

      Erst im 15. Jahrhundert tauchte Golf in Schottland auf und sorgte auf Anhieb für ziemlich viel Diskussionsstoff im Parlament. Dokumentiert ist, dass König James II. (ein Nichtgolfer) im Jahre 1457 das Spiel verbieten ließ, weil es ihn wahnsinnig nervte, dass seine Soldaten, statt mit Pfeil und Bogen zu üben, ein weißes Bäläli durch die Gegend schossen.

      Knapp fünfzig Jahre später kam erfreulicherweise die Wende, als Schottland und England beschlossen, sich nicht mehr auf die Mütze zu geben. Das Säbelrasseln war gegessen, dem Golfspiel stand nichts mehr im Wege – und siehe da, auf dem Latrinenweg sickerte durch, dass der regierende King James IV. (nicht der II.) himself ein leidenschaftlicher Golfer war! Eine Rechnung über für ihn angefertigte Golfschläger tauchte im offiziellen Etat des Hofes auf und wurde prompt von einem Whistleblower an die Medien gewhistleblowt. Dumm gelaufen.

      Der erste bürgerliche Golfer soll übrigens 1527 ein gewisser Sir Robert Maule gewesen sein. In St. Andrews begann man offiziell 1552 die Schläger zu schwingen, und ein Jahr später erließ der Erzbischof sogar ein Dekret, das der lokalen Bevölkerung das Spiel auf den Links gestattete. Maria Stuart, die Königin von Schottland (und zufolge der Heirat mit Franz II. auch Königin von Frankreich), exportierte den Sport zu den Franzosen.

      Aus dem Jahre 1567 wird überliefert, dass die Single-Handicapperin unmittelbar nach der Ermordung ihres zweiten Gatten durch (ihr wohl nicht ganz unbekannte) Komplottisten munter auf den Golfplatz ging, wofür sie vor allem von den Nichtgolfern massiv kritisiert worden sein soll – was kein Golfer verstehen kann.

      Historisch unklar ist, wo die Wohlfühldistanz von Maria Stuart lag, ja ob sie überhaupt eine solche hatte. Tatsache ist, dass Sie sich auf das Konzept der Lieblingslänge nicht einlassen sollten. Schon deshalb nicht, weil Sie Ihr Vorhaben, möglichst viele Schläge zu machen, gehörig vermasseln würden. Das können Sie gut überprüfen, wenn Sie sich die Übertragungen von den Profiturnieren der PGA Tour anschauen.

      Für Kaymer und Co. ist die Wohlfühldistanz ein wichtiger Teil ihrer Strategie. Nicht so weit, sondern so präzise wie möglich zu spielen, lautet ihre Devise. Darum reizen die Kollegen eher selten ihre ganze Schlaggewalt aus, sondern spielen den Ball auch einmal mit einem kleineren Eisen ein Stückchen kürzer. Und zwar auf eine Distanz, die ihnen gut liegt. Von wo aus sie den Ball mit dem nächsten Schlag dicht an die Fahne ran kriegen können.

      Die Wohlfühldistanzen der einzelnen Pros sind übrigens ganz unterschiedlich. Und selbstverständlich haben sie nicht nur eine, sondern mehrere. Die meisten guten Klubspieler schießen sich zum Beispiel auf eine Pitching-Distanz von hundert Metern ein, versuchen also, wenn immer möglich in der Nähe des Hunderterpfostens zu landen. Darum üben sie auf der Driving Range auch immer und immer und immer wieder diese Schläge. Und obendrauf noch die Annäherungen von sechzig, vierzig oder zwanzig Metern. Öde. Ermüdend. Lassen Sie sich niemals auf solche Späßchen ein. Sie haben ja einen anständigen Beruf und eine intakte Beziehung und wollen sich nicht mit einer Strategie über den Platz tigerwoodsen, die all diese Dinge aufs Spiel setzt.

       Linksgewickelt

      Der Links-Course heißt nicht Links-Course, weil er nach links dreht, sondern weil die einzelnen Spielbahnen, einer Perlenkette gleich, der Küste entlang aneinandergelinkt sind. Das ist wohl die häufigste Erklärung, die man zu hören bekommt. Und obwohl sie total einleuchtend ist, ist sie selbstverständlich auch total falsch.

      Links hat nichts mit verlinken zu tun, sondern kommt vermutlich vom Altenglischen »hlinc«, was so viel wie unfruchtbar oder dürr bedeutet. Könnte stimmen. Das meist karge Gelände zwischen Meer und Ackerland eignet sich tatsächlich in den seltensten Fällen für den Anbau von Getreide oder Gemüse, und auch als Weidefläche für Tiere ist es schließlich alles andere als optimal. Umso geeigneter sind die öden Sandböden fürs Golfspiel. Die harten Fairways lassen die Bälle weit ausrollen und sind dennoch so elastisch, dass man gut unter den Ball kommt.

      Links-Courses müssen nicht zwingend am Meer liegen, sagen die einen Golfplatz-Architekten, auch im Landesinneren gibt es Flächen, die linksy aussehen und vom Spielerischen her durchaus vergleichbar sind. Andere Fachleute beharren darauf, dass es keine »Inland-Links« geben könne, da sich echtes Linksland nur da bilde, wo die typische Dünenlandschaft entstand, weil sich das Meer vor zigtausend Jahren zurückzog. Für den Single-Handicap-Vermeider sind Linksplätze eine Offenbarung. Der Wind pfeift wie Anton über die weiten Fairways. Die Sandbunker sind nicht selten absurd tief und das Rough so schütter