Kein Vermögen war so anständig, so rechtmäßig, so ehrenhaft erworben worden wie das seinige. Niemals hatte er zu hohe Preise gefordert, niemals sich zu Geschäften gedrängt. Zuletzt sah man ihn vor seiner Ladentür, wie er seine Pfeife rauchte, die Vorübergehenden beobachtete und der Arbeit seiner Kommis zusah. Als er sich im Jahre 1814 zurückzog, bestand sein Vermögen erstens aus sechsundsechzigtausend Franken, die ins Staatsschuldbuch eingetragen waren und ihm fünftausend und einige hundert Franken Rente brachten; dann aus vierzigtausend Franken, die, ohne Zinsen zu bringen, in fünf Jahren zahlbar waren, dem Preise für sein Geschäft, das er an einen seiner Kommis verkauft hatte. Dreißig Jahre hindurch hatte er bei einem Jahresumsatze von hunderttausend Franken sieben Prozent daran verdient und die Hälfte des Gewinns für seinen Lebensunterhalt verbraucht. So war sein Vermögensstand. Seine Nachbarn, die ihn um dieses mäßige Vermögen nicht sehr beneideten, rühmten seine Einsicht, ohne Verständnis dafür zu haben. An der Ecke der Rue de la Monnaie und der Rue Saint-Honoré befindet sich das Café David, wo mehrere alte Kaufleute ebenso wie Pillerault abends ihren Kaffee tranken. Hier war bisweilen die Adoption des Sohnes seiner Köchin der Gegenstand mancher Neckereien gewesen, aber nur solcher, wie man sie sich gegen eine geachtete Persönlichkeit erlaubt, denn der Eisenwarenhändler genoß eine respektvolle Achtung, ohne eine solche jemals erstrebt zu haben, da ihm seine Selbstachtung genügte. Als Pillerault daher jenen jungen Menschen verlor, gaben ihm mehr als zweihundert Personen das Geleite bis auf den Kirchhof. In dieser Zeit zeigte er sich heroisch. Sein beherrschter Schmerz, wie er für alle starken Männer, die ihn nicht zur Schau tragen, charakteristisch ist, vermehrte noch die Sympathie des Viertels für diesen ›braven Mann‹, wie Pillerault mit besonderer Betonung dieses Wortes, die seine Bedeutung unterstrich und erhöhte, genannt wurde. Claude Pilleraults zur Lebensgewohnheit gewordene Mäßigkeit hielt ihn von den üblichen Vergnügungen eines untätigen Lebens fern, als er nach dem Aufgeben seines Geschäfts in den Ruhestand getreten war, der so viele Pariser Bourgeois erschlaffen läßt; er setzte seine gewohnte Lebensweise fort und hielt auch im Alter an seinen politischen Überzeugungen fest, die, wie wir sagen müssen, diejenigen der äußersten Linken waren. Pillerault gehörte jener Arbeiterpartei an, die sich infolge der Revolution an die Bourgeoisie angeschlossen hat. Sein einziger Charakterfehler war die Wichtigkeit, die er dieser Errungenschaft beilegte; er hielt an seinen Rechten fest, an der Freiheit, an den Früchten der Revolution; er hielt seinen Wohlstand und seine bürgerliche Sicherheit für bedroht von den Jesuiten, deren geheime Macht die Liberalen verkündeten, die sich durch die Anschauungen, die der »Constitutionnel« dem Bruder des Königs zuschrieb, für gefährdet hielten. Wie in seiner Lebensweise so war er auch in seinen Ansichten konsequent; aber seine politische Anschauung war nicht engherzig, er beschimpfte seine Gegner nicht, er fürchtete eine Höflingswirtschaft und glaubte an republikanische Tugend; er hielt Manuel für frei von jeder Übertreibung, den General Foy für einen großen Mann, Casimir Périer für nicht ehrgeizig, Lafayette für einen politischen Propheten und Courier für einen guten Kerl. So umgab er sich mit idealen Trugbildern. Dieser schöne alte Mann genoß das Familienleben, indem er bei den Ragons, seiner Nichte, dem Richter Popinot, Joseph Lebas und den Matifats verkehrte. Seine sämtlichen Bedürfnisse bestritt er mit fünfzehnhundert Franken. Sein übriges Einkommen verwendete er auf Wohltätigkeit und auf Geschenke für seine Großnichte; viermal im Jahre lud er seine Freunde zum Diner bei Roland, in der Rue du Hasard, und ins Theater ein. Er führte das Leben der alten Junggesellen, auf die die jungen Frauen Sichtwechsel ziehen, um ihre Wünsche zu erfüllen: eine Landpartie, einen Besuch der Oper, einen Ausflug in die Berge von Beaujon. Pillerault war glücklich, wenn er ein Vergnügen bereiten und die Befriedigung der andern genießen konnte. Als er sein Geschäft verkauft hatte, wollte er das Viertel, an das er gewöhnt war, nicht verlassen und hatte sich in der Rue des Bourdonnais eine kleine Wohnung von drei Zimmern im vierten Stock eines alten Hauses gemietet.
Genau so wie sich das Wesen Molineux’ in seinem eigenartigen Mobiliar widerspiegelte, so war Pilleraults reine und einfache Lebensweise an der inneren Einrichtung seiner Behausung zu erkennen, die aus einem Vorzimmer, einem Salon und einem Schlafzimmer bestand. Bis auf die Größenverhältnisse hätte man sie die Zelle eines Karthäusermönchs nennen können. Das Vorzimmer mit rotem gebohntem Fußboden hatte nur ein Fenster mit Vorhängen aus Perkal mit rotem Besatz und Mahagonistühle, die mit rotem Leder bezogen und mit vergoldeten Nägeln beschlagen waren; auf der olivengrünen Tapete hingen »Der Eid der Amerikaner«, das Porträt Bonapartes als Erster Konsul und die »Schlacht bei Austerlitz«. Der sicher vom Tapezierer arrangierte Salon hatte gelbe Möbel mit Rosetten, einen Teppich, eine unvergoldete bronzene Kamingarnitur, einen gemalten Kaminschirm, eine Konsole mit einer glasüberdeckten Blumenvase und einen runden Tisch mit einer Decke, auf dem ein Likörkasten stand. Die Neuheit dieses Zimmers zeigte zur Genüge, daß der alte Eisenwarenhändler, der selten Besuch hatte, den gesellschaftlichen Gebräuchen ein Opfer gebracht hatte. In seinem Schlafzimmer, das so einfach ausgestattet war wie das eines Geistlichen oder eines alten Soldaten, die das Leben am richtigsten zu schätzen wissen, überraschte ein Kruzifix mit einem Weihwasserbecken, das in seinem Alkoven aufgestellt war. Dieses Bekenntnis zu seinem Glauben war wahrhaft rührend bei einem republikanischen Stoiker. Eine alte Frau besorgte ihm die Wirtschaft, aber seine Achtung vor weiblichen Wesen war so groß, daß er sich nicht die Schuhe von ihr putzen ließ, die im Abonnement von einem Putzer gereinigt wurden. Seine Kleidung war einfach und immer die gleiche. Er trug ständig einen Überrock und ein Beinkleid von blauem Tuch, eine bunte baumwollene Weste, eine weiße Krawatte und sehr hoch hinaufgehende Schuhe; an Feiertagen legte er einen Frack mit Metallknöpfen an. Sein Aufstehen, sein Frühstück, seine Ausgänge, sein Mittagessen, seine Abendbesuche und sein Nachhausekommen waren auf das genaueste geregelt, denn nur die Regelmäßigkeit der Lebensgewohnheiten verbürgt Gesundheit und langes Leben. Zwischen Cäsar, den Ragons, dem Abbé Loraux und ihm wurde nie über Politik gesprochen, denn die Mitglieder dieser Gesellschaft kannten einander zu genau, als daß sie unter sich Proselyten zu machen versucht hätten. Wie sein Neffe und die Ragons hatte er großes Vertrauen zu Roguin. Ein Pariser Notar war für ihn immer ein verehrungswürdiges