das Wort ›Haselnuß‹ fallen lassen, darin ist alles enthalten. Das Nußöl ist das einzige, das eine Wirkung auf das Haar ausübt, daran hat noch kein Parfümeriehaus gedacht. Beim Anblick des Stiches von Hero und Leander habe ich mir gesagt: Wenn die Alten soviel Öl für ihr Haar verbrauchten, so mußten sie irgendeinen Grund dafür haben, denn die Alten bleiben die Alten, trotz aller modernen Prätentionen, darin stimme ich Boileaus Ansicht über die Alten bei. Hiervon bin ich ausgegangen und auf das Nußöl gekommen, dank dem kleinen Bianchon, dem Studenten der Medizin, deinem Verwandten; der hat mir erzählt, daß seine Schulkameraden Nußöl gebrauchten, um ihren Bart schneller wachsen zu lassen. Es fehlt uns nur noch die Bestätigung des berühmten Herrn Vauquelin. Wenn er uns die Sache klar gemacht hat, werden wir auch das Publikum nicht betrügen. Ich war eben in der Markthalle bei einer Nußhändlerin, um erst mal das Grundmaterial zu haben; und jetzt werde ich gleich vor einem der größten Gelehrten Frankreichs stehen und von ihm erfahren, wie wir die Quintessenz daraus ziehen. Die Sprichwörter sind nicht so töricht, die Gegensätze berühren sich wirklich. Siehst du, mein Junge, der Handel ist das Bindeglied zwischen den vegetabilischen Erzeugnissen und der Wissenschaft. Angelika Madou sammelt die Früchte, Herr Vauquelin zeigt, wie man den Extrakt daraus macht, und wir verkaufen dann eine Essenz. Die Nüsse kosten fünf Sous das Pfund, Herr Vauquelin wird ihren Wert verhundertfachen und wir leisten vielleicht der Menschheit einen Dienst, denn da die Eitelkeit den Menschen große Qual bereitet, ist ein gutes Kosmetikum eine Wohltat.«
Die andächtige Bewunderung, mit der Popinot dem Vater Cäsarines zuhörte, stachelte Birotteaus Beredsamkeit noch mehr an, der sich in den wildesten Phrasen, die ein Bourgeois erdenken kann, erging.
»Sei recht ehrerbietig, Anselm,« sagte er, als sie in die Straße einbogen, in der Vauquelin wohnte, »wir werden gleich in das Heiligtum der Wissenschaft eintreten. Stelle das Bild so, daß man es sieht, aber nicht zu auffällig, auf einen Stuhl im Eßzimmer. Wenn ich nur nicht bei dem, was ich zu sagen habe, den Faden verliere«, rief Birotteau naiv aus. »Dieser Mann, Popinot, wirkt auf mich wie ein Chemikale, der Ton seiner Stimme verursacht mir eine innere Hitze und bewirkt sogar eine leichte Kolik bei mir. Er ist mein Wohltäter, und in wenigen Augenblicken wird er auch der deinige sein, Anselm.«
Diese Worte ließen Popinot erschauern, der wie auf Eiern ging und mit unruhiger Miene die Mauern anstarrte. Herr Vauquelin war in seinem Arbeitszimmer, als man Birotteau anmeldete. Der Akademiker, der den Parfümhändler als Beigeordneten und sehr in Gunst stehenden Mann kannte, nahm den Besuch an.
»Sie haben mich also doch nicht vergessen, obwohl Sie ein großer Mann geworden sind?« sagte der Gelehrte, »aber vom Chemiker zum Parfümfabrikanten ist ja nur ein Schritt.«
»Ach, verehrter Herr, zwischen einem Genie wie Sie und einem simplen Mann wie ich liegt ein unendlicher Zwischenraum. Was Sie mein Großsein nennen, das habe ich ja Ihnen zu verdanken, und das werde ich weder in dieser noch in jener Welt vergessen.«
»Oh, in jener sind wir ja, wie es heißt, alle gleich, die Könige und die Schuhflicker.«
»Das heißt, wenn die Könige und die Schuhflicker fromme Menschen gewesen sind«, sagte Birotteau.
»Ist das Ihr Sohn?« sagte Vauquelin und betrachtete den kleinen Popinot, der verblüfft war, daß er in dem Arbeitszimmer, wo er Ungeheuerlichkeiten, riesige Maschinen, flüchtige Metalle, belebte Stoffe, zu finden geglaubt hatte, gar nichts Ungewöhnliches sah.
»Nein, Herr Vauquelin, aber ein junger Mensch, den ich lieb habe und der sich an Ihre Güte, die Ihrem Genie gleichkommt, wendet; und ist die nicht unbegrenzt?« sagte er mit schlauer Miene. »Wir kommen, um ein zweites Mal Ihren Rat zu erbitten, nach einem Zwischenraum von sechzehn Jahren, und zwar in bezug auf einen wichtigen Gegenstand, über den ich so unwissend bin wie ein Parfümhändler.«
»Und welcher ist das?«
»Ich weiß, daß die Haaruntersuchungen Ihre Nächte in Anspruch nehmen und daß Sie mit der Analyse der Haare beschäftigt sind; aber während Sie sich damit um Ihres Ruhmes willen befassen, befasse ich mich damit des Geschäfts wegen.«
»Also, mein verehrter Herr Birotteau, was wünschen Sie von mir? Eine Analyse des Haars?« Er griff nach einem kleinen Stück Papier. »Ich werde in der Akademie der Wissenschaften über diesen Gegenstand einen Vortrag halten. Das Haar besteht aus einer ziemlich großen Quantität Schleim, einem kleinen Quantum weißen Öls, einer großen Menge schwarzgrünen Öls, Eisen, einigen Spuren Mangansäure, phosphorsaurem Kalk, einem ganz kleinen Quantum kohlensauren Kalkes, Kieselerde und viel Schwefel. Die verschiedenen Verhältnisse, in denen diese Stoffe zueinander stehen, bedingen die Farbe der Haare. So enthalten die roten viel mehr schwarzgrünes Öl als die andern.«
Cäsar und Popinot machten so große Augen, daß sie zum Lachen reizten.
»Neun Bestandteile«, rief Birotteau aus. »Wie? In einem Haare stecken Metalle und Öle? Wenn Sie, ein Mann, den ich so hoch verehre, mir das nicht sagten, würde ich es nicht glauben. Das ist ja außergewöhnlich! Gott ist groß, Herr Vauquelin.«
»Das Haar ist das Produkt eines balgartigen Organs,« fuhr der große Chemiker fort, »eine Art an beiden Enden offener Tasche; an dem einen Ende hängt sie mit den Nerven und den Gefäßen zusammen, aus dem andern sprießt das Haar hervor. Nach der Ansicht einiger meiner gelehrten Kollegen, unter ihnen Herr von Blainville, ist das Haar ein von dieser Tasche oder Gruft abgestoßener toter Teil, den eine breiige Materie ausfüllt.«
»So, wie wenn Schweiß in einem Stock wäre«, rief Popinot aus. Der Parfümhändler gab ihm einen leichten Tritt auf die Hacke.
Vauquelin mußte über Popinots Vergleich lächeln. »Er ist nicht unbegabt, nicht wahr?« sagte Cäsar und blickte Popinot an. »Aber verehrter Herr, wenn das Haar ein totgebornes Ding ist, dann kann man es doch nicht wieder lebendig machen und dann sind wir verloren! Mein Prospekt ist dann Unsinn; Sie ahnen nicht, wie merkwürdig das Publikum ist, man kann nicht kommen und ihm sagen …« »Daß es Mist auf dem Kopfe hat«, sagte Popinot, der Vauquelin noch einmal zum Lachen bringen wollte.
»Luftige Katakomben«, antwortete ihm der Chemiker, der auf den Scherz einging.
»Und die Nüsse, die ich schon gekauft habe!« klagte Birotteau, der an seinen geschäftlichen Verlust dachte. »Aber weshalb verkauft man denn …«
»Beruhigen Sie sich,« sagte Vauquelin lächelnd, »ich sehe, es handelt sich hier um irgendein geheimes Rezept, das Ausfallen