G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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Ruck herum, der Zweig flog weg, die Hand stach steil nach oben.

      In dieser einen Sekunde zwischen Leben und drohendem Tod sah er ihn über sich stehen. Er blickte auf dreißig Schritt in Porters längliches, schon von Altersfurchen gezeichnetes Gesicht. Er sah die lange, gebogene Nase und den schmalen Mund, dessen Lippen sich geöffnet hatten und nun schlossen. Er sah das Zucken von Porters leicht schrägstehenden Augen, wie sie sich weiteten. Und... er sah das Gewehr Porters herunterzucken, die Mündung auf sich zuschnellen.

      In derselben Sekunde drückte er ab. Der schwere Fünfundvierziger in seiner Faust brüllte los. Einen fürchterlichen Moment lang hatte er das Gefühl, von Porters Kugel doch noch getroffen zu werden, denn die Mündung des Gewehres stieß einen Feuerball aus. Hart neben ihm jagte das Geschoß in die Steine.

      Clancy feuerte noch einmal. Doch nun sah er, wie die Mündung des Gewehres sich hob und Porter irgendwohin auf die Mitte des Tales zielte. Er sah, wie die Hand des Kopfgeldjägers den Unterbügel nach vorn brachte und zurückriß. Dann brach der zweite Schuß aus der Waffe. Aber die Kugel jagte zwanzig Schritt weiter in das Moos des Talbodens.

      Porter stand still. Sein Mund öffnete sich jäh zu einem Schrei. In derselben Sekunde erkannte Clancy, daß er genau getroffen hatte. Porter trug ein fahlgelbes Hemd, auf dem sich plötzlich ein roter Fleck zeigte. Die Kugel hatte Porter unter den Rippen getroffen.

      Der Mann schwankte nur zwei Sekunden lang, als wolle er nach hinten kippen. Danach aber knickte er ein. Es sah aus, als wollte er eine abgezirkelte, höfliche Verbeugung machen. Seine Hände hielten immer noch das Gewehr fest. So neigte er sich nach vorn, bis das Übergewicht seines Körpers ihn vorwärtsriß. Er fiel wie eine Puppe, deren Glieder man verbogen hatte, auf die linke Espenkrone zu. Die Zweige und der spitze Stamm nahmen seinen fallenden Körper auf. Plötzlich überschlug sich Porter. Sein Gewehr wirbelte, von einem hochwippenden Ast getroffen, zurück.

      Er fiel weiter. Er schrie noch, als er das letzte Stück auf die Felsen zustürzte.

      Clancy verfolgte seinen Fall, bis Porter kurz vor den Felsen war. Dann machte Clancy die Augen zu und warf sich herum. Er erreichte sein Gewehr, riß sich den Hut vom Kopf und machte die Augen wieder auf. Hinter ihm war ein Klatschen. Der Schrei riß ab. Ein dumpfer Aufschlag brachte das spärliche Unterholz in knackende, splitternde Bewegung. Den Hut auf das Gewehr pflanzend, schob Clancy die Waffe hoch. Das Peitschen kam in der nächsten Sekunde. Der Hut erhielt einen Schlag, trudelte um die Mündung und fiel dann zu Boden.

      Drüben schrie einer. Seine Stimme überschlug sich, sie kreischte nervös:

      »Hugh, Hugh, er hat Jack erwischt! Hugh...«

      »Halt das Maul!« brüllte jemand barsch. »Sei ruhig, John, den bekommen wir. Paß auf und schieß, er kann da nicht raus!«

      Das Wummern setzte ein. Die ersten beiden Kugeln zischten gegen den Stein. Pferdehufe klapperten, Wiehern erklang. Und dann schrie noch einer, aber barsch und scharf:

      »Halt, weg mit dem Gewehr, oder ich drücke ab! Laßt die Waffen fallen!«

      Irgendwo drüben ertönte ein Fluch. Pferde jagten an, es waren mindestens zwei.

      »Carter, das Gewehr weg, sonst schieße ich dich nieder!«

      Claybran, dachte Clancy und blies den angehaltenen Atem aus. Claybran, der Sheriff von Silver City, Gott sei Dank. Nun gut! Roggers, du wolltest es nicht anders! Jetzt packe ich aus, und dann bist du fertig.

      Er stemmte sich vorsichtig hoch und sah John Carter drüben stehen. Er sah nun auch Hugh Stacy auftauchen und die Hände hoch halten. Hinter ihm erschienen die Reiter. Es waren drei Mann. Biddells war dabei, Johnston, der Deputy. Sheriff Claybran hielt sein Gewehr in der Faust und zielte auf Stacy.

      »Clancy?«

      »Yeah«, brummte Clancy. Er wußte, Claybran war nicht gerade sein Freund. Aber er hatte verhindert, daß die Falle noch einmal hätte zuschnappen können. »Hier, Sheriff.«

      Johnston und Biddells sprangen ab. Sie entwaffneten die fluchenden, wild protestierenden beiden Schurken, während Clancy die Deckung verließ.

      »Wo ist Porter, der Hundesohn, he?«

      »Hinter mir liegt er«, sagte Clancy kurz. Er sah sich um und sofort wieder weg. Porter war mit dem Kopf auf die Felsen geschlagen. Es war kein Anblick, derAppetit machen konnte.

      »Ist er tot?«

      »Yeah, Claybran, das ist er.«

      »Dann schnall ab, Mister – das Gewehr hinlegen und herkommen!«

      »Was ist?« fragte Clancy verwundert. »He, Claybran, was soll das heißen?«

      »Hast du nicht gehört? Ich werde euch Burschen zeigen, wie das Gesetz aussieht. Das Gewehr weg und den Gurt ab, Clancy!«

      »Verdammt noch mal!«

      Was blieb ihm anderes übrig? Er legte das Gewehr zu Boden und warf Gurt und Revolver auf die Waffe, ehe er weiterging. Als er zehn Schritt entfernt war, passierte es. Es traf ihn wie ein Hieb in die Magengrube und mähte ihn beinahe um.

      »Frag ihn gleich, wo er das Geld hat!« schrie Hugh Stacy schrill und wütend. »Na, los doch, Sheriff, jetzt frag den Hund mal! Er fing an, er schoß zuerst. Wir wollten nur mit ihm reden, klar? Mit dem Schießer hätten wir uns doch nicht eingelassen. Wir sind doch nicht irrsinnig genug, uns von ihm umbringen zu lassen, verstehst du? Frag ihn nur, wo er das Geld von Roggers hat.«

      »Was, was ist das?« stotterte Clancy und bleibt jäh stehen. »Verflucht, was heißt das, Claybran, was sagt dieser Hundesohn und Herumtreiber?«

      Er stand dicht vor seinem Pferd, aber zu weit von seinem Colt entfernt. Sie mußten einfach verrückt geworden sein. Der Sheriff zielte jetzt auf ihn, statt auf den stadtbekannten Herumtreiber und Schläger Hugh Stacy. Er zielte auch nicht auf John Carter, der genauso verrufen war. No, Claybran zielte auf seine Brust.

      »Wo ist es?« fragte Claybran scharf. »Clancy, wo hast du die zweitausend Böcke gelassen, he?«

      »Wa...was? Claybran, bist du verrückt?«

      »Wo hast du die zweitausend Böcke – Dollar – Greenbacks oder Scheinchen, wo hast du sie gelassen? In der Satteltasche?«

      Clancy hatte plötzlich das Gefühl, mit dem Kopf gegen einen riesenhaften gelbschimmernden Messinggong geschlagen zu werden. Das Dröhnen spaltete fast seinen Kopf. Er sah sekundenlang alles verschwommen.

      Und dann – wie ein Blitz, der vor ihm in den Boden raste und ihm alles in blendender Helligkeit zeigte – sah er die Szene wieder vor sich.

      Roggers, der ihm seinen Lohn nicht geben wollte. Roggers vor dem Geldschrank, dessen Tür er unter den drohenden Blicken Clancys aufzog.

      »Da hast du dein Geld!« hatte Roggers bissig gesagt. »Zum Teufel mit dir!«

      Aber es war kein Geld in der Hand, als er sie um die Tür herum ausstreckte. In der Hand lag der Bullcolt, das kleine, verfluchte, mörderische Ding, mit dem man einen Mann auf zehn Schritt noch erwischen konnte. Doch Clancy war nur zwei entfernt. Er sprang und schlug zu, knallhart gegen die Tür. Sie klemmte Roggers Arm ein. Er schrie und konnte nicht mehr schießen. Aber sein Kinn hielt er hin. Und an das Kinn krachte Clancys Faust. Dann nahm er sich sein Geld und ging hinaus. Er hatte noch die Scheine im Safe gesehen, aber nichts mehr als seinen Lohn genommen.

      »So ist das?« keuchte Clancy. Danach bekam er keinen Ton mehr heraus. Er wußte plötzlich, daß Roggers ihm den Diebstahl von zweitausend Dollar angehängt hatte. Darum auch hatte er Porter ihm nachgeschickt. Das war ein guter Grund, wie?

      »Yes, so ist das«, wiederholte Sheriff Claybran grimmig. »Ich erfuhr das erst ein bißchen spät, Mister. Roggers hatte schon Porter auf deine Fährte gehetzt, aber ich bin ja noch rechtzeitig gekommen, was? Nicht, daß ich was dagegen hätte, daß dieser Hundesohn Porter endlich ins Gras gebissen hat. Der war schon lange reif, dieser Schmarotzer. Aber ich habe etwas dagegen, wenn sich Leute wie Roggers anmaßen, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, Clancy.

      Du