G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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      »Floyd...«

      »Ja, Clancy?«

      »Floyd, über Winter habe ich den frommen Mann gemacht und nie was versucht«, wisperte Clancy. »Floyd, jetzt ist Frühling. Ich will hier raus.«

      Es war ganz still drüben. Dann knarrte die Pritsche leicht. Reegan kroch wie ein Tier, ein Riesenbär, über den Boden und setzte sich an Clancys Pritsche hin.

      »Du, Clancy, das schafft keiner.«

      »Vielleicht doch?«

      »Mensch, Clancy, willste ehrlich weg? Warum hast du nie was davon gesagt, warum nicht?«

      »Ich bin nicht sicher, ob ich es allein schaffen kann, Junge«, flüsterte Clancy. »Aber – wegkommen kann man, ich sag’s dir. Ist mein Ernst, kein Spaß, Junge.«

      Er war ganz still, der große, breitschultrige Floyd Reegan, nur das Würgen saß ihm plötzlich im Hals. Er konnte minutenlang nichts sagen.

      »Clancy, sie ketten uns doch an, die Schlösser bekommt man nicht auf«, würgte er endlich. »Und dann – die Hunde. Und die Wachen. Das haben schon mal zwei versucht.«

      »Ich weiß, wie man entwischt, Junge. Man kann es nur mit ein paar Tricks erreichen, und man muß sich verstellen können. Kannst du dich verstellen, wenn es sein muß?«

      »Weiß nicht, Clancy, aber hier lernt man das ja. Maul halten und grinsen, wenn man kocht. Vielleicht schaff ich das. Clancy, du und ich, aber ich weiß nicht wohin.«

      »Ich weiß, wohin. Ich kenne jemand, der würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um mir zu helfen. Und dir sicher auch. Wenn wir erst ‘raus wären, kämen wir auch davon. Floyd, du müßtest alles tun, was ich sage und dich verstellen können wie noch nie in deinem Leben, dann schaffen wir es.«

      »Hier kommt keiner ’raus. Die anderen beiden haben sie auch nach sieben Meilen gehabt, Clancy«, flüsterte Reegan. »Die hatten das Gitter ’raus, aber…«

      »Nicht hier. Draußen auf der Arbeitsstelle.«

      »Waaas? Unmöglich, das geht nie!«

      »Doch, Junge, doch.«

      »Angekettet – das geht nicht.«

      »Ich sage dir, daß es geht.«

      Reegan kauerte am kühlen Boden und stützte den Kopf in die Hände. Drei Zellen weiter lag Carpenter, ein Totschläger wie die meisten Männer hier. Carpenter kannte Clancy, er war erst im Winter hier eingeliefert worden und hatte Clancy in Idaho City gesehen. Als Carpenter hergekommen war, hatten die anderen auch bald gewußt, was Clancy für ein Mann war.

      Du lieber Gott, dachte Reegan und spürte, wie sein Pulsschlag zu hämmern begann. Carpenter hat von Clancy erzählt und von diesem Porter. Clancy soll ein ganz gefährlicher Kerl gewesen sein, der beinahe drei Kopfgeldjäger in die Hölle jagte. Er soll ‘ne Menge Tricks kennen. Wenn ich hier ’rauskommen könnte, ich täte alles dafür, bloß ’raus aus dem Käfig.

      »Clancy, du hast bestimmt nicht gestohlen?«

      »No, Junge. Ich weiß, du denkst manchmal, ich hätte die zweitausend Dollar versteckt, was?«

      »Ja, manchmal denke ich das, Clancy. Aber was machen wir ohne Geld?«

      »Aah, daran hast du gedacht? Daß wir ohne Geld nicht durchkommen könnten? Floyd, ich hab’ das Geld nicht versteckt, ich hab’s nie genommen, ehrlich. Wir kommen so durch, Junge. Und wenn wir am Ziel sind, dann wirst du begreifen, daß ich es nie nötig gehabt hätte, zweitausend schäbige Dollar zu nehmen.«

      »Aber keinen umbringen, das mach’ ich nicht, Clancy!«

      So ist das, dachte Clancy, keinen umbringen. Da macht er nicht mit, der

      Junge. Und der soll einen seiner Freunde erschlagen haben, der? Er will keinen umbringen müssen, und er wird es auch nicht tun. Ich auch nicht, wenn das klappt, was ich mir überlegt habe.

      Vielleicht klappt es doch, was?

      *

      Clancy blickte einen Augenblick lang nach hinten. Die Balkenhütte lag unter ihnen in etwa achtzig Schritt Entfernung. Kinsey saß auf der Bank. Er machte Pause und rauchte wie jeden Vormittag gegen neun Uhr. An einem der Wagen lehnte Gould, ein anderer Aufseher. Auch er war weit genug entfernt.

      Langsam nahm Clancy den Kopf wieder herum. Er hielt den Brechmeißel, ein gut meterlanges Ding, das sie zwischen die Lava gejagt hatten. Der Lavabruch lag in einem Kessel, umgeben von jenen bizarren Formen des toten Magmagesteins, das eine riesenhafte Mulde bildete. Sie arbeiteten alle an der nach Norden liegenden Wand auf einem Brettergestell. Seit Tagen waren sie in Zweiergruppen eingeteilt und brachen das Gestein in Platten aus der Wand. Das Bohlengestell befand sich mit der obersten Plattform gut acht Schritt über dem Boden. Die Leitern standen dicht nebeneinander, so daß sie mit zwei Mann, jeder auf einer Leiter, hochsteigen und herabklettern konnten. Ihre Armeestiefel, über denen sie die Hosenbeine aufgekrempelt trugen, zeigten jene typischen Spuren der Fußschellen. Selbst bei der Arbeit wurden sie angekettet. Immer zwei Mann an eine Kette. Jeder hatte eine Schelle um ein Bein. Taten sie etwas, gingen sie, rollten sie oder trugen sie einen Brocken Lava, mußten sie mit den angeketteten Beinen zugleich jeden Schritt machen.

      Clancy stand links, sein rechtes Bein war angekettet. Reegan war rechts, sein linkes Bein wurde von der Schelle umschlossen. Die Schellen lagen so eng um das Leder des Stiefels, daß es unmöglich war, den Fuß aus dem Stiefel zu ziehen. Ein Blockschloß aus Stahl hielt die Schelle und die Kette zusammen.

      Unter Clancy lagen gut neuneinhalb Schritt. Sie arbeiteten auf der obersten Plattform und nur wenig unter der Oberkante der Lava. Beide Posten, die auf der Oberkante in einiger Entfernung standen, konnten jede Einzelgruppe sehen und überwachen. Ihnen fiel die kleinste Bewegung, die nicht zur Arbeit gehörte, sofort auf.

      Links neben Clancy arbeiteten zwei andere Sträflinge, sie waren keine drei Schritt entfernt.

      »Ssst!« zischte Clancy. »Paß auf, nimm die Spitzhacke. Und dann...«

      Er wechselte einen kurzen Blick mit Floyd. Einen Moment fürchtete sich Clancy vor dem, was jetzt kommen mußte. Wenn sich Floyd nicht beherrschen konnte oder irgendeine Spur von Unruhe zeigte, war alles vorbei.

      Floyd sah ihn jedoch kalt und gelassen an. Ihm war nichts anzumerken, als er den letzten Schlag mit dem schweren Hammer tat. Danach legte er den Hammer auf die Bohle und griff zur Spitzhacke. In der Lava klaffte jener zackige kleine Riß, der sich beim ersten Platzen des Gesteins immer zeigte.

      »Ich wußte«, sagte Clancy laut. »Schlag genau in den Riß, dann bricht die Platte aus. Vorsicht, da unten!«

      Vier Mann waren unter dem Gestell. Sie sammelten die herabfallenden Brocken auf und brachten sie weg. Als Clancy seine Warnung rief, traten sie einen Schritt zurück.

      Im nächsten Moment schlug Floyd mit aller Gewalt zu. Die breite Schneide der Spitzhacke fuhr knirschend in den Riß hinein. Und dann fraß sie sich fest.

      Es war genau das, was Clancy geplant hatte. Floyd hatte mit derartiger Gewalt zugeschlagen, daß sich die Scheide festkeilen mußte. Der Riß verbreiterte sich etwas, aber die Platte brach nicht aus. Auch das hatte Clancy sich ausgerechnet.

      »Hölle!« knurrte Floyd, scheinbar verstört. »Die Hacke sitzt fest, Clancy. Mann, ich zieh mal.«

      Er bückte sich, stemmte die Arme unter den Hackenstiel und krümmte den Rücken. Sein breiter Rücken, nur von einem alten Armeehemd bedeckt, zeigte bereits einige Schweißflecken.

      Es war nur ein Ruck, mit dem Reegans Oberkörper in die Höhe zuckte. Im nächsten Moment knackte es häßlich. Der glattgewachsene, langadrige Stiel der Hacke brach genau hinter dem Hackenmaul ab.

      Floyd schoß mit dem Ruck nach vorn.

      Er blieb nach einem heiseren Schreckenslaut mit der Brust über der Lavakante liegen, aber er hatte den Stiel in der Faust.

      »He,