begehen, statistisch gesehen, genauso oft Selbstmord wie andere Menschen. Eines haben freilich alle, ob prominent oder nicht prominent, gemeinsam: Daß sie es verabsäumt haben, sich rechtzeitig helfen zu lassen.«
Das gilt wohl auch für einen der größten Komponisten aller Zeiten. Peter Iljitsch Tschaikowsky ging im Jahre 1893, aus Angst, daß seine homosexuellen Neigungen bekannt würden, von dieser Welt.
Tschaikowsky, Hemingway, van Gogh, Ferdinand Raimund, Stefan Zweig schufen Werke, die uns helfen, das Leben erträglich zu machen.
Ihr eigenes ertrugen sie nicht.
* Kronprinz Rudolfs Mutter, Kaiserin Elisabeth, entstammte dem bayerischen Geschlecht der Wittelsbacher.
Der liebe Gott unter den Chirurgen
Theodor Billroth
Therese Heller war eine einfache Frau aus dem Volke. Und doch ist ihr Name in die Geschichte der Medizin eingegangen. Denn die 43jährige, an Krebs erkrankte Wienerin war es, der Theodor Billroth einen Teil des Magens entfernen und damit das Leben retten konnte. Es war die erste Operation dieser Art, und sie revolutionierte die Chirurgie. Theodor Billroth zählt seit dem Tag dieser Operation – man schrieb den 29. Jänner 1881 – zu den bedeutendsten Ärzten aller Zeiten.
Hätte diese eine Leistung genügt, Billroths Namen in alle Welt zu tragen, so müßten Bücher geschrieben werden, um sein kolossales Gesamtwerk festzuhalten. Die an Frau Heller erstmals angewandte Operationsmethode – nach Entfernung des vom Tumor befallenen Organteiles verband Billroth den Magenrest mit ihrem Zwölffingerdarm – ging als Billroth I in die Geschichte der Medizin ein.
Der große Arzt war 1829 als Sohn eines Pastors auf der Insel Rügen zur Welt gekommen, wo er eine schwere Kindheit erlebte: Als er fünf war, starb sein Vater an Tuberkulose, danach raffte dieselbe Krankheit seine vier Brüder hinweg. Als er sein Medizinstudium begann, verlor er auch seine Mutter.
Während in Österreich-Ungarn damals in einigen Fächern die später weltberühmte Zweite Wiener Medizinische Schule heranreifte, waren in der Chirurgie immer noch Paris und London führend. Bis Billroth, 38jährig, nach Wien kam.
Schon als junger Arzt hatte er sich die Frage gestellt, warum so viele Patienten nach chirurgischen Eingriffen hohes Fieber bekamen und trotz »gelungener« Operation starben. Billroth war klar geworden, daß die Infektionen »an den Betten, an den Händen der Wärter und Ärzte haften« und daß man sich davor »nur durch übertriebene Reinlichkeit schützen« könne. Robert Koch, der schließlich die Ursachen der Infektionskrankheiten fand, wurde durch diese Studien Billroths beeinflußt.
Vier Jahre nach Billroth I entwickelte der Chirurg mit Billroth II eine weitere aufsehenerregende Operationsmethode. Diesmal stellte er nach Entfernung des vom Tumor befallenen Organteiles die Verbindung zwischen verbliebenem Magen und Dünndarm her. Bereits 1874 hatte er als erster Arzt einen krebsbefallenen Kehlkopf entfernt, er verbesserte auch die Operationstechniken an Leber, Milz, Harnblase, an den Eierstöcken und an der Gebärmutter.
Niemand vor ihm wagte sich an so komplizierte Operationen heran, Patienten, die von derartigen Leiden befallen waren, hatten bis dahin keine Überlebenschance. Billroths Operationsmethoden gehören aber auch heute noch weltweit zum Standardrepertoire jedes Chirurgen.
Alles andere als ein trockener Wissenschafter, war Theodor Billroth auch überaus gesellig und ein genialer Musiker. Johannes Brahms, einer seiner besten Freunde, widmete ihm sein Streichquartett in a-Moll, und der große Arzt komponierte auch selbst. Als man ihm einen Lehrstuhl in Berlin anbot, lehnte er ab, weil ihm »das künstlerische Leben in Wien viel zu lieb geworden« war.
Die heutige Chirurgie ist mit der in der Zeit vor Billroth nicht vergleichbar. Als er ein junger Arzt war, gab es noch nicht einmal die Narkose, Patienten litten unter unvorstellbaren Schmerzen. »Ich habe ihn operiert und verbunden, Gott wird ihn heilen«, sagten viele Ärzte. Junge Doktoren mußten ein zölibatäres Leben wie Priester führen, da sie Tag und Nacht für ihre Patienten da zu sein hatten. Billroth war die Heiratserlaubnis ausnahmsweise erteilt worden, weil sein erster Chef in Berlin nicht seinen tüchtigsten Assistenten verlieren wollte.
Ausgebildete Krankenschwestern im heutigen Sinn gab es damals nicht. Als Billroth während des deutsch-französischen Krieges in Lazaretten mitansehen mußte, wie Soldaten nach Amputationen starben, weil sie von ungelernten Pflegerinnen falsch behandelt wurden, schloß er seinem – von ihm gegründeten – Rudolfinerhaus Österreichs erste Schwesternschule an, womit er praktisch einen neuen Berufsstand ins Leben gerufen hat. Das Krankenhaus befindet sich in der heutigen Billrothstraße.
Billroth war eine unglaublich populäre Erscheinung. Vor seinem Sommerhaus am Wolfgangsee gab es eine Haltestelle Billroth, in der die Bahn nur für ihn hielt. Als er mit 58 Jahren an einer gefährlichen Lungenentzündung erkrankte, bangte ganz Wien um sein Leben. Wieder genesen, wurde ihm zu Ehren ein Fackelzug veranstaltet, an dem Tausende von Menschen teilnahmen. Billroth kommentierte den Aufmarsch mit den Worten: »Es war eine schöne Leich’«.
Der Arzt hatte Kontakt zu Kaiser Franz Joseph, der ihn ins Herrenhaus berief, und auch zu dessen Sohn. Der Kronprinz übernahm die Patronanz des – nach ihm benannten – Rudolfinerhauses und unterstützte viele seiner Forschungsprojekte.
Billroth starb am 6. Februar 1894 während einer Kur in Abbazia an Herzversagen. Als zufriedener Mann, denn sein Lebensmotto hatte gelautet: »Wer anderen hilft, verhilft sich selbst zum Glück.«
Sex gestern & heute
Vom Liebesleben im Wandel der Zeiten
Wie war das früher, als Großpapa sein Bett mit Großmama teilte? Noch ehe die sexuelle Revolution über uns hereinbrach.
In einem Punkt, das steht fest, hat sich im Lauf von Jahrtausenden nichts geändert: Die Sexualität des Menschen war, ist und bleibt Thema Nummer eins. Ob in der Steinzeit, im Mittelalter oder am Beginn unseres Jahrhunderts – es wurde nicht mehr und nicht weniger geliebt als heutzutage. Empfahl Martin Luther vor fast fünfhundert Jahren schon
In der Woche zwier,
Schadet weder dir noch mir,
so traf er damit exakt auch das Ergebnis heutiger Untersuchungen: Herr und Frau Österreicher lieben einander – statistisch gesehen – zweimal pro Woche.
Damals wie heute.
Der Unterschied liegt in der Qualität. Was sich bis vor einigen Jahrzehnten ausschließlich hinter verschlossenen Schlafzimmertüren ereignete, das ist mittlerweile in aller Munde.
»Bist Du von geschlechtlichen Vorstellungen erregt?« Diese Frage richteten die Berliner Sittenblätter im Jahre 1897 – nicht ganz ohne Vorwurf – an ihre jungen Leserinnen, die gerade ihre ersten sexuellen Gelüste verspürten. Um dann fortzufahren: »Morgens stehst Du an der Waschschüssel, züchtig in Anstandsunterrock und Untertaille, hältst Hals und Arme rein, doch mußt Du beschämt die Augen senken vor dem Toben in Deinem Mieder, ja in Deinem Beinkleid. Neugierde, auf das, was Dir als Weib bestimmt ist, erhitzt Dich. Was ist und wie ist der Mann beschaffen …?«
Auf all die Fragen, einmal in den Raum gestellt, wußte das Blatt eine ganz einfache Antwort: »So höre denn, wenn es Dir mit Deiner Gesundheit und Sittlichkeit ernst ist: Gehe zu Deiner Mama und erbitte von ihr eine alte Salatschüssel aus der Küche. Fülle sie mit kaltem Wasser und setze Dich hinein. Es ist dies ein modernes Heilverfahren, welches nur deshalb so wenig Anwendung findet, weil das wohlanständige Bürgertum sich des Umstandes, aus welchem es angebracht ist, geniert.«
Die verlogene Prüderie, damals vielfach noch schlimmer als in den Jahrhunderten davor, führte dazu, daß Mädchen die »Fleischeslust« als unangenehm und ekelhaft empfanden.
»Die Bedürfnisse der Frau blieben in früheren Zeiten so