Georg Markus

Das kommt nicht wieder


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sich und seiner Frau Martha mit Kokain experimentiert hatte, injizierte er die Droge seinem Arztkollegen Ernst von Fleischl. Dieser war seit einer schmerzhaften Verletzung am Daumen Morphinist und sollte durch Coca von dieser Sucht befreit werden. Doch er wurde zusätzlich kokainsüchtig und starb auf schreckliche Weise an einer schweren Vergiftung, die zum Delirium führte.

      Trotz Bekanntwerden solcher und ähnlicher Fälle war Kokain zur Jahrhundertwende die Modedroge und wurde nicht nur in Pariser Nachtclubs geschnupft, geraucht, gespritzt und (in Alkohol aufgelöst) auch getrunken. Dem legendären Volksschauspieler Alexander Girardi – laut Gutachten des Psychiaters Julius Wagner-Jauregg »vom Cocainwahn befallen, irrsinnig und gemeingefährlich« – blieb die Einweisung in eine geschlossene Anstalt nur deshalb erspart, weil Kaiser Franz Joseph über Vermittlung der Katharina Schratt persönlich für ihn intervenierte.

      Im Ersten Weltkrieg stopften sich deutsche und französische Jagdflieger das weiße Pulver (»Schnee«) in die Nasenlöcher, ehe sie zum Feindflug aufstiegen. Nicht zuletzt der berauschenden Wirkung des Kokains verdanken es die zwanziger Jahre, heute noch als »wild« bezeichnet zu werden. Europas und Amerikas Unterwelt, aber auch Künstler und Intellektuelle glaubten im Kokainrausch die Erfüllung ihrer Träume zu finden, hatten aber ein böses Erwachen.

      Wenn es eins gab, denn viele gingen an ihrer Sucht elend zugrunde.

      Ganz und gar unfreiwillig geriet der Komponist Richard Strauss 1928 an das Gift. Als man ihm vor einer Operation zwei mit Kokain getränkte Wattebäuschchen in die Nase schob, komponierte er – noch unter dem Einfluß der Droge stehend – zwei Arien der Oper Arabella. »Als ich sein Krankenzimmer betrat«, berichtete der Spitalsarzt Dr. Hans Leicher, »fand ich Boden und Bettdecke mit frischgeschriebenen Notenblättern bedeckt.« Das Kokain hätte ihn »ganz munter gemacht«, behauptete Richard Strauss später.

      Das Rauschgift mag vorerst aufputschend wirken, führt aber auf lange Sicht zu Appetitlosigkeit, Depression, Impotenz, Wahnvorstellungen, Schlaflosigkeit und schweren Lähmungserscheinungen. Ärzte warnen vor dem Irrglauben, daß Kokain der schöpferischen Leistung auf Dauer förderlich sei. Viel mehr führt der wiederholte Gebrauch zum totalen Zusammenbruch der Kreativität und der Persönlichkeit.

      Auch bei Sportlern ist Kokainmißbrauch bekanntgeworden: in den zwanziger Jahren wurde, bei der Tour de France und beim Berliner Sechstagerennen, »Schnee« als Dopingmittel entdeckt, und 1991 landete Argentiniens »Fußballgott« Diego Maradona wegen Kokainbesitzes hinter Gittern.

      Der Kokastrauch wird in Mittel- und Südamerika schon seit fünftausend Jahren angebaut. Ausgebeutete Indios mußten die Blätter kauen, um länger und mit weniger Schlaf arbeiten zu können. Eine traurige Tradition, die fortlebt: allein in Peru sind heute drei Millionen Menschen süchtig. Der überwiegende Teil der angebauten Blätter wird aber von einer skrupellosen Drogenmafia zu hochkonzentriertem Kokain verarbeitet und dann in die USA und nach Europa geschmuggelt.

      So rieselt der »Schnee« von gestern auch heute noch.

KAISERLICH & KÖNIGLICHES

      Beruf: Mätresse

       Pompadour und Dubarry

      Zur ersten Begegnung kam es in einem Wald in der Nähe von Versailles. Sie, Jeanne-Antoinette Poisson, war eine schlichte, aber wunderschöne Frau aus dem Volke. Er war der König von Frankreich. Als Madame Pompadour sollte sie dann zwanzig Jahre an der Seite Ludwigs XV. verbringen und zur berühmtesten Mätresse aller Zeiten werden. Als Liebesdienerin, Gesellschaftsdame und politische Beraterin. Immer noch regen die Mätressen zu blühenden Phantasien an, und doch waren sie oft viel mehr als nur die Gespielinnen der Monarchen.

      Eine Handleserin hatte der erst neunjährigen Jeanne im Jahre 1730 vorhergesagt, sie würde dereinst »mächtiger sein als die Königin«. Die Tochter eines kleinen Finanzbeamten setzte ihren ganzen Ehrgeiz daran, diese Prophezeiung wahrzumachen. Daß die spätere Pompadour es tatsächlich schaffte, war das Ergebnis jahrelanger Arbeit und strategischer Planung.

      Dabei waren die Voraussetzungen gar nicht günstig. Ihr Vater, in dunkle Geschäfte verwickelt, floh ins Ausland, um seiner Verhaftung zu entgehen. Nun wurde ihre Mutter, eine ebenso attraktive wie lebenslustige und alles andere als prüde Frau, von zahlreichen Liebhabern derart großzügig unterstützt, daß sie in der Lage war, ihren beiden Kindern eine erstklassige Erziehung zukommen zu lassen. Jeanne kam zu den Ursulinen von Poissy, wo sie eine umfassende Ausbildung genoß. Sie konnte sich, als sie die Klosterschule verließ, in ihrem Auftreten und Benehmen durchaus mit den jungen Aristokratinnen ihrer Zeit messen, war aber darüber hinaus auch klug, bildschön und überaus charmant. Und Monsieur de Tournehem, ein Verehrer ihrer Mutter, sollte ihr den Zugang zur vornehmen Gesellschaft von Paris eröffnen.

      Zwar war sie bald Mittelpunkt in den Salons, doch infolge ihrer bürgerlichen Herkunft, der kriminellen Vergangenheit ihres Vaters und der bekannten Leichtlebigkeit ihrer Mutter fand sich kein Aristokrat, der Jeanne-Antoinette Poisson zum Traualtar geführt hätte. Dafür lernte sie durch Monsieur de Tournehem immerhin den wohlhabenden Bürger Charles-Guillaume Le Normant d’Etioles kennen, der die zwanzigjährige Schönheit vom Fleck weg heiratete. Monsieur liebte Jeanne über alles, doch für sie war die Ehe nur in einer Hinsicht von Bedeutung: Das Anwesen ihres Gemahls lag in unmittelbarer Nachbarschaft von Schloß Versailles. Dem Wohnsitz Seiner Majestät, des Königs von Frankreich. Wie’s der Zufall wollte, ging die junge Frau regelmäßig just in dem kleinen Wäldchen spazieren, in dem Ludwig XV. fast täglich zur Jagd ausritt.

      Es dauerte auch nicht lange, bis sie dem Bourbonen-König begegnen und ihm den Kopf verdrehen sollte. Der Monarch freilich mußte vorsichtig sein. Weniger wegen seiner Gattin Maria Leszczynska – der Tochter des ehemaligen Königs von Polen –, die sich längst mit der Existenz zahlloser Nebenfrauen abgefunden hatte. Viel gefährlicher war Ludwigs eifersüchtige Favoritin, die Herzogin von Châteauroux. Sie war eine der Töchter des Marquis de Nesle, die der König ebenso beglückte – wie ihre beiden älteren Schwestern! Erst als die Herzogin an den Folgen einer Lungenentzündung jung starb, war der Weg frei für die Pompadour.

      Vierundzwanzig Jahre alt, verließ Jeanne-Antoinette Poisson 1745 ihren völlig überraschten Ehemann, in dessen Obhut nun die gemeinsame Tochter Alexandrine verblieb, und zog in Versailles ein.

      Man kann nicht sagen, daß sie vom Hofstaat mit offenen Armen aufgenommen worden wäre. Auch wenn der König sie bald zur Marquise de Pompadour und später sogar zur Herzogin erhob, galt das nichts an einem Hof, der den Adel erst akzeptierte, wenn er auf einen vierhundertjährigen Stammbaum zurückblicken konnte. Der Regent freilich war der intelligenten und – wie gemunkelt wurde – im Liebesspiel einzigartig begabten Mätresse verfallen und hielt über alle Anfeindungen hinweg zu ihr. Er schenkte ihr Paläste und verstieß Minister und Nebenfrauen, die es wagten, die Herkunft oder die sprichwörtliche Verschwendungssucht der Pompadour anzuprangern. Des Königs neue Favoritin richtete ein Appartement ein, in dem auch er sich wohl fühlen, Freunde zum Souper empfangen, sich relativ ungezwungen benehmen konnte und nicht so sehr auf die Etikette achten mußte wie in den übrigen Trakten von Versailles. Hier verkehrten Voltaire und andere große Denker der Zeit, mit denen die Pompadour vortrefflich zu parlieren verstand. Auf diese Weise gelangten die Gedanken der Aufklärung und damit auch die Ideen, die später zur Französischen Revolution führen sollten, an das Ohr des absolutistisch regierenden Königs. Die Geliebte schaffte es sogar, mit Ludwigs Gemahlin in eine Verbindung zu treten, die auf gegenseitigem Respekt aufgebaut war. »Wenn schon Mätresse«, soll die Königin einmal in Richtung Pompadour gesagt haben, »dann lieber diese als alle anderen.«

      Als sie im achten Jahr ihrer Liaison ernstlich erkrankte und ihrem liebestollen Galan nicht mehr zu bieten imstande war, was er verlangte, erkannte die Mätresse, daß sie nur dann bei ihm bleiben konnte, wenn sie neue Frauen an seiner Seite akzeptieren würde. Sie ließ das Lustschloß Eremitage errichten, in dem König Ludwig ganz junge Mädchen, oft noch halbe Kinder, als Gespielinnen zur Verfügung standen. Waren sie schwanger oder nicht mehr erwünscht, brachte die Pompadour »die Sache« in Ordnung, verheiratete die armen Geschöpfe und sorgte dann wieder für