Susan Anne Mason

Ein Wagnis aus Liebe


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bist nicht nur schön, sondern auch noch schlau, Liebling.“

      Virginia musste ein Lachen unterdrücken. Vielleicht war es das, womit er ihr Herz gewonnen hatte: In seinen Augen war sie wahrhaftig schön, während all die anderen in ihr nur eine leicht verbrauchte, vierundzwanzigjährige Jungfer sahen. Nachdem sie ihren geliebten Emmet verloren hatte, hatte Virginia angenommen, für immer allein zu bleiben. Doch dann tauchte Basil Fleming in ihrem Leben auf und mit ihm der erste Hoffnungsschimmer auf eine Zukunft als Familie.

      „Ich habe unsere Reise nach Europa gebucht. In genau acht Wochen geht es los“, erklärte er zufrieden.

      „Wunderbar“, sagte Virginia und schaffte es, ein Lächeln hervorzubringen. Als Basil zum ersten Mal vorgeschlagen hatte, dass Virginia ihn und seine Familie auf die Reise begleiten könnte, war sie hellauf begeistert gewesen. Andere Länder, Sehenswürdigkeiten wie der Louvre, der Eiffelturm, das Kolosseum in Rom: ein Traum, der endlich Realität wurde.

      Doch das war vor Christian gewesen. In den letzten Wochen, die der Kleine in ihrer Familie verbracht hatte, war er ihr ganz unbemerkt immer mehr ans Herz gewachsen.

      Vergeblich versuchte Virginia, Basil davon zu überzeugen, das Baby mitzunehmen, aber für ihn war das ausgeschlossen.

       „Auf dieser Reise will ich deine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Ich teile dich nicht gern, nicht mal mit einem Kind.“

      Diese etwas besitzergreifende Art faszinierte Virginia auf gewisse Weise. Wer würde bei so viel Aufmerksamkeit nicht dahinschmelzen? Und doch störte sie seine Bevormundung manchmal. Wenn er sie wirklich liebte, würde er dann nicht wollen, dass sie glücklich war? Auch wenn das bedeutete, das Kind ihres Bruders großzuziehen?

      Basil setzte sich neben sie auf das Sofa und nahm ihre Hände. „Ich habe eine großartige Idee“, fing er an und wartete, bis sie ihm in die Augen schaute. „Wie wäre es, wenn wir noch vor unserer Abfahrt heiraten würden? Dann könnte unsere Reise auch gleich unsere Flitterwochen sein. Was sagst du?“

      Virginias Herz begann auf unangenehme Weise schneller zu schlagen. Auch wenn sie wusste, dass ihre Beziehung letztlich in die Ehe führen würde, hatte sie diesen Schritt nicht so bald erwartet. „Ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

      Er zog eine Augenbraue hoch und betrachtete sie genauer. „Das scheint ja wahrlich ein Schreck für dich zu sein.“

      „Das ist es, ja“, gab Virginia zurück und versuchte erneut zu lächeln, obwohl sie befürchtete, es könnte wie eine Grimasse aussehen.

      „Dann gebe ich dir besser noch etwas Bedenkzeit, bevor ich richtig um deine Hand anhalte“, erwiderte Basil locker, zog sie an sich und küsste sie. Es war nicht das erste Mal, dass er sich diese Freiheit herausnahm, aber dieses Mal löste seine feste Umarmung Beklommenheit in Virginia aus.

      „Jetzt muss ich aber auch wieder los, fürchte ich. Ein paar Kollegen warten im Klub auf mich. Pass gut auf unsere Tickets auf, Liebling. Bis bald! Und denk über meinen Vorschlag nach.“

      „Aber was ist mit deinem Kaffee?“

      „Sag Mrs Hopkins, dass ich es beim nächsten Mal wiedergutmache“, rief er ihr über seine Schulter zu, als er den Salon schon wieder verließ.

      Überwältigt ließ sich Virginia auf das Sofa zurückfallen. Es fühlte sich an, als wäre gerade ein Tornado durch den Raum gewirbelt. Mit einem Seufzen nahm sie die Tickets vom Tisch: 1. Klasse, natürlich. Ob er wohl zwei Einzelkabinen gebucht hatte oder gleich eine Doppelkabine, zuversichtlich, dass sie seiner Idee gehorsam Folge leistete?

      Vorsicht mit deinen Wünschen, Virginia. Das Ergebnis mag nicht immer nach deinem Sinn ausfallen.

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      Durch die Fenster des eastonschen Anwesens war Licht zu sehen, wodurch das große Gebäude einladend wirkte. Das beruhigte Grace in diesem Moment sehr. Sie nahm ihre Reisetasche in die andere Hand. Der Weg von der Straßenbahn zum Anwesen kam ihr länger vor als beim letzten Mal, aber das lag gewiss nur am Gewicht ihres Gepäcks.

      Am Haus angekommen, stieg sie die Treppen hinauf, stellte ihre Tasche vor sich ab und läutete. Da sie die Familie nicht beim Abendessen stören wollte, war sie absichtlich erst zu einer Uhrzeit gekommen, wo sie das Dinner bereits für beendet hielt.

      Die Hausdame, die sie schon von ihrem letzten Besuch kannte, öffnete die Tür. „Guten Abend, Miss Foley. Kommen Sie herein.“

      „Danke sehr“, erwiderte Grace, nahm ihre Tasche und betrat das Haus.

      Die große, kräftige Frau streckte einen Arm aus und fragte: „Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?“

      „Natürlich. Vielen Dank“, sagte Grace und gab ihn ihr.

      „Herzlich willkommen in Fairlawn Manor. Ich bin Mrs Green, die Hausdame. Wenn Sie irgendetwas benötigen sollten, zögern Sie nicht, mich darum zu bitten.“ Trotz ihrer netten Worte lächelte sie nicht und schien eher kühl.

      Vielleicht war das aber auch Teil ihres Jobs.

      „Sie können Ihre Tasche hier stehen lassen. Eines der Mädchen wird sie Ihnen ins Zimmer tragen. Und nun kommen Sie bitte mit, Miss Virginia erwartet Sie.“

      Grace nickte und folgte Mrs Green durch das Foyer zu einer großen zweiflügeligen Tür.

      „Miss Foley ist nun hier, Miss“, kündigte sie Grace an und ging selbst einen Schritt zur Seite.

      Sofort stand Virginia aus ihrem Sessel auf und kam ihr mit einem sehr freundlichen Blick entgegen. „Grace, willkommen! Kommen Sie herein und trinken Sie einen Tee mit mir.“

      Verstohlen suchte Grace mit ihren Augen den Raum nach anderen Familienmitgliedern ab. Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass sonst niemand da war. Es freute sie, noch eine Weile vom Aufeinandertreffen mit dem berüchtigten Mr Easton verschont zu bleiben. Bei jedem Schritt war sie von einem neuen Detail der Raumausstattung entzückt: die taubengrauen Wände, die blauen Sofas und die gemusterten Armsessel, alles passte perfekt zusammen. „Eine Tasse Tee klingt wunderbar, Miss Easton, vielen Dank.“

      „O bitte, nennen Sie mich Virginia.“

      „Ist das denn in Ordnung für eine Angestellte?“, fragte Grace, die sich auf das Sofa gegenüber von Virginia setzte. Sie musste gerade eine Zeitschrift gelesen haben.

      „Sie haben recht, vor den anderen sollten Sie mich mit Miss Easton ansprechen, aber wenn wir unter uns sind, bin ich Virginia“, erklärte Virginia und servierte beiden Tee.

      „Ich dachte, bei meiner Ankunft würde ich sicherlich Ihre Eltern kennenlernen“, sagte Grace und nahm die Tasse entgegen.

      „Ich wollte Sie nicht gleich an Ihrem ersten Abend überrollen. Nach unserem Tee zeige ich Ihnen das Haus und bringe Sie dann auf Ihr Zimmer. Den Rest der Familie sehen Sie morgen beim Frühstück.“

      Etwa eine halbe Stunde später folgte Grace Virginia durchs Haus. Der Rundgang fühlte sich beinahe wie eine Schlossbesichtigung an. Ein Raum übertrumpfte den anderen. Staunend betrachtete Grace stattliche Möbel, atemberaubende Gemälde und Skulpturen und eine Vielzahl von Kristallen und Samtstoffen. Sie konnte es kaum fassen, dass sie wirklich in diesem Palast wohnen würde.

      „Und das hier ist das Kinderzimmer“, flüsterte Virginia und hielt sich den gestreckten Zeigefinger vor den Mund. „Wir müssen ganz leise sein, damit wir Christian nicht wecken. Wenn er einmal wach wird, ist es fast unmöglich, ihn wieder zum Schlafen zu bringen.“

      Nach diesen Worten öffnete sie leise die Tür. Es fiel gerade genug Licht ins Zimmer, um ein bisschen vom Inneren zu erkennen. An der Wand konnte Grace eine Wiege ausmachen und sonst standen dort noch ein Schaukelstuhl und eine Kommode. Dann schloss Virginia die Tür wieder.

      „Ihr Zimmer ist gleich nebenan und mit diesem hier über eine Tür verbunden. Ich lasse sie immer geöffnet, damit ich Christian auch nachts hören kann.“ Wenige Schritte weiter öffnete Virginia