Susan Anne Mason

Ein Wagnis aus Liebe


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wichtigsten Veteranen des Landes einladen und ihnen im Rahmen einer großen Verleihung irgendeine Auszeichnung zukommen lassen. Und für diese Veranstaltung nehmen wir natürlich teuren Eintritt, den aber jeder gern zahlen wird, da es schließlich um eine gute Sache geht“, erklärte er selbstsicher und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Das ist die perfekte Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen und ihnen wieder einen Grund zum Feiern zu geben. Das wird sie aufbauen. Und uns bringt es jede Menge Geld ein.“

      Andrews Magen zog sich zusammen. „Du willst tatsächlich die armen Soldaten für deinen unternehmerischen Ehrgeiz ausnutzen? Sie haben die Schrecken des Kriegs überlebt – Dinge, die wir uns nicht einmal vorstellen können.“

      Augenblicklich verfinsterte sich Pauls Miene. „Dass du dir nichts dergleichen vorstellen kannst, verstehe ich. Schließlich hast du die Zeit ja auch hier auf eurem schönen Familienanwesen verbracht, in Sicherheit. Aber ich habe den Krieg selbst schmecken gelernt. Und eines versichere ich dir, von Ausnutzen kann hier nicht die Rede sein.“

      Erneut biss sich Andrew auf die Zähne. Natürlich musste Paul Salz in die Wunde streuen und es Andrew vorhalten, dass er wegen einer körperlichen Einschränkung ausgemustert worden war, während er und die meisten anderen Männer seines Alters dem Vaterland gedient haben.

      „Die Einnahmen würden gleichermaßen geteilt werden“, setzte Paul unbeirrt fort. „Eine Hälfte geht an die Kriegsveteranen, die andere Hälfte ans Hotel. Somit profitiert jeder davon. Und wie bereits erwähnt, würde es die Gesellschaft auf eine ganz neue Weise zusammenschweißen.“

      „Ich finde den Vorschlag hervorragend“, schaltete sich nun Andrews Vater ein und lehnte sich über den Schreibtisch. „Und von dir erwarte ich absolute Kooperationsbereitschaft, Andrew. Wir müssen einen Termin festlegen, einige der anderen Angestellten mit an Bord holen, vor allem aber müssen wir ein Budget erarbeiten. Und hier kommst du ins Spiel. Ich möchte, dass du mit Paul zusammenarbeitest und ihr euch überlegt, wie viel Geld wir brauchen. Gib ihm so viel wie nötig, um diese Veranstaltung auf die Beine zu stellen.“

      Das war es also, wofür man ihn hierherzitiert hatte. Offensichtlich ging es seinem Vater in dieser Sache überhaupt nicht um Andrews Meinung. Die Veranstaltung war anscheinend beschlossene Sache, nur noch die Finanzen mussten geklärt werden. Verärgert stand Andrew auf und brummte nur ein kurzes „Gut“, bevor er sich zur Tür wandte.

      Aber Paul hob die Hand: „Halt – bevor du wieder gehst, ich habe da noch eine Idee.“ Widerwillig drehte Andrew sich noch einmal um. „Ich denke, Cecilia Carmichael wäre die perfekte Partnerin für dieses Projekt. Sie hat ein Händchen für Dekoration und kennt sich gut damit aus, derart Abendgesellschaften zu organisieren. Die unsrige wäre nur noch ein bisschen größer.“

      In Andrew brodelte die Wut. „Also bitte“, sagte er und stemmte seine Hände in die Hüften. „Wir haben durchaus kompetentes Personal für Veranstaltungsorganisation. Ich sehe absolut keinen Grund, warum Celia …“

      „Eine wunderbare Idee, Paul“, unterbrach ihn sein Vater. „Und ich bin sicher, wir werden es alle genießen, Cecilia mit dabeizuhaben.“

      Bevor Andrew ein weiteres Wort des Protests äußern konnte, klopfte es an der Tür und eine Sekretärin kam herein. „Es tut mir leid, Sie zu unterbrechen, Sir, aber da ist ein Anruf für Sie, Andrew.“

      „Danke, Martha. Ich bin sofort da“, erwiderte er und verabschiedete sich wortlos von den anderen beiden.

      Wenige Sekunden später schritt er über den Flur in sein Büro und atmete einmal tief durch, bevor er den Hörer abnahm. „Andrew Easton hier.“

      „Drew, ich bin’s, Ginny. Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“

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      Während Grace die lange Auffahrt der Eastons entlanglief, spürte sie, wie sich ihr vor Aufregung der Magen verkrampfte. Erneut kam ihr der Gedanke, dass diese Idee auf so viele Weisen ein katastrophaler Einfall gewesen war, und doch war es ihre einzige Möglichkeit. Sie musste es wenigstens versuchen, das schuldete sie Rose. Und ihrer Mutter. Und selbst wenn sie die Stelle als Kindermädchen nicht bekommen würde, hätte sie immerhin einen Eindruck von Christians Zuhause gewonnen. Das wäre all die Aufregung wert, hoffte sie.

      Je näher sie dem Anwesen kam, desto langsamer wurden ihre Schritte. Nachmittägliche Schatten lagen über Haus und Grundstück und verliehen ihnen etwas Unheimliches. Aus der Nähe sah alles noch imposanter aus – zwischen ihrem kleinen Cottage zu Hause in Sussex und diesem herrschaftlichen Anwesen lagen Welten. Drei Stockwerke hohe Wände aus weißem Stein und ein opulenter Eingangsbereich, eingerahmt von zwei stattlichen Säulen. Einen Moment lang bewunderte Grace die aufwendigen Holzverzierungen an der Tür. Natürlich wollte sie keineswegs zu spät zu dem Gespräch mit Mrs Easton erscheinen, das Virginia freundlicherweise für sie verabredet hatte, doch noch hatte sie Zeit. Ein letztes Mal strich sie sich den Mantel glatt und hoffte, dass ihr marineblaues Kostüm sie vertrauenswürdig aussehen ließ. Dann atmete sie tief durch und läutete.

      Nur wenige Sekunden später öffnete eine uniformierte Hausdame. „Wie kann ich Ihnen helfen, Miss?“

      „Guten Tag. Mein Name ist Grace … Foley. Ich komme zu einem Termin mit Mrs Easton.“

      Die Frau wies Grace mit der Hand herein. „Kommen Sie. Ich werde Mrs Easton Bescheid geben, dass Sie hier sind.“

      „Danke.“

      Die Frau verschwand in einem langen Gang und Grace bestaunte das eindrucksvolle Foyer. Burgunderfarbene Wandteppiche schmückten die hölzernen Wände und ein opulentes Eichengeländer führte die breite Treppe hoch. Überall hingen große Gemälde: Landschaftsbilder, Stillleben und Familienportraits. Noch nie hatte sie so ein schlossähnliches Haus von innen gesehen. Nervös umklammerte Grace den Griff ihrer Handtasche und bat Gott in einem Stoßgebet um Ruhe und Kraft für dieses Gespräch.

      In diesem Moment kam die Hausdame zurück. „Bitte hier entlang, Miss Foley. Mr Easton wird sofort bei Ihnen sein.“

      „Mr Easton?“, fragte Grace verdutzt. „Ich … Eigentlich habe ich einen Termin mit Mrs Easton.“

      „Ich fürchte, sie fühlt sich nicht wohl. Mr Easton wird Sie stattdessen empfangen.“

      Als sie an einer halb offenen Tür ankamen, meldete sie Grace an: „Miss Foley, Sir“, und winkte sie herein.

      Es blieb Grace nur ein winziger Augenblick, um die aufkommende Panik hinunterzuschlucken. Nun würde sie dem gefürchteten Mr Easton begegnen. Demjenigen, der Rose so viele Sorgen bereitet hatte. Sie straffte die Schultern und betrat den Raum.

      Zunächst flog Graces Blick vom deckenhohen Bücherregal zum massiven Schreibtisch aus Eichenholz und landete schließlich bei dem Mann, der dahintersaß. Er trug einen hellgrauen Anzug und eine gestreifte Krawatte. Sein hellbraunes Haar fiel ihm in die Stirn und die dunkel gerahmte Brille betonte seine unvergleichlich blauen Augen.

      Grace sah ihn unverwandt an. Das war der Mann, der sie neulich nach ihrem Spaziergang gerettet hatte! Auch er schaute sie überrascht an, legte die Brille auf den Schreibtisch und kam auf Grace zu.

      „Sie sind Miss Foley? Die Frau, die sich hier als Kindermädchen bewirbt?“

      „Ich … ähm, ja. Genau.“ Grace schwirrte der Kopf, als sie krampfhaft versuchte, die Situation zu verstehen.

      Andrew schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Was für ein schöner Zufall. Dann setzen Sie sich doch, bitte.“

      „D-danke“, stotterte Grace verunsichert.

      „Wie ich gehört habe, haben Sie meine Schwester im Park getroffen. Meine Mutter meinte, dass Sie so als Kandidatin vorgeschlagen wurden“, sagte er mit hochgezogener Augenbraue. „Eine etwas ungewöhnliche Art, sich zu bewerben, muss ich gestehen.“

      Grace hielt seinem durchdringenden Blick stand und schaffte es trotz ihrer Nervosität zu lächeln. „Oh, ja. Das stimmt. Es kam alles sehr unerwartet.