zu selbstherrlich waren die hochfliegenden Pläne jedes einzelnen Familienmitglieds. So konnte es leicht geschehen, dass in fernen Kontoren Geld verprasst wurde und man im heimischen Augsburg keine Ahnung davon hatte und erst davon erfuhr, als es für ein rettendes Eingreifen zu spät war.
Zu allem Überfluss hatte Anton Welser eine seltsame Affäre mit einer stadtbekannten berüchtigten, ja unheimlichen Person, mit Anna Laminit. Diese Frau, der man obskure Wunderheilungen nachsagte, wurde von den Menschen, die sie geheilt hatte – wie könnte es anders sein – als Engel gepriesen, während die Ärzte und vor allem die Geistlichen sie mit scheelen Augen ansahen. Diese Frau musste mit dem Teufel im Bunde sein. Aber sie war nicht mit dem Satan, sondern bloß mit Anton Welser liiert. Er war so in ihren Bann geraten, dass er ihr ein uneheliches Kind – vielleicht ihr eigenes – zur Erziehung anvertraute. Natürlich wollte er ihren Dienst nicht umsonst, und so übersandte er Anna, die vorgab, nur vom »Brot des Himmels« zu leben, jahrelang beträchtliche Summen Geldes.
Schließlich gelang es der Kirche, Anna so zu verdächtigen, dass sie aus der Stadt gewiesen wurde. Aber auch dann noch hielt Anton Welser schützend seine Hand über sie, forderte allerdings sein Kind zurück. Und jetzt erst gingen ihm die Augen auf: Anna musste eingestehen, dass es schon Jahre zuvor verstorben war und sie das Geld für sich selbst verwendet hatte. Voller Enttäuschung und Zorn wurde nun Anton Welser zum Hauptankläger der Anna Laminit. Auf seine Forderung hin wurde die Frau in Freiburg als Hexe ertränkt.
Der Ruf Anton Welsers war allerdings durch diese Affäre so stark angeschlagen, dass er sich nie mehr davon erholte. 1518 starb er, bedeutungslos geworden, und hinterließ das, was von seinem einst glänzenden Haus übrig geblieben war, dem fähigsten seiner Söhne, Bartholomäus V. Welser. Es war ein neuer, letzter Höhepunkt des alten Handelshauses, das unter der Führung des jungen, geschickten Kaufmannes weltweite Bedeutung erlangte. Kaiser Karl V., der finanziell vor allem von den reichen Fuggern abhängig war und auch finanzielle Unterstützung durch die Welser benötigte, verpachtete ihnen im Jahre 1526 Venezuela und machte damit die Familie zu Herren über den gesamten Norden Südamerikas. Viele unglückliche Zufälle, aber auch Unvermögen, Korruption und Illusion vernichteten den Plan des Bartholomäus Welser und kosteten seinem Sohn und Nachfolger das Leben. Bartholomäus, der Sohn, wurde mit einigen Getreuen, nachdem sie lange erfolglos nach dem phantastischen Goldland im Amazonasgebiet gesucht hatten, in einen Hinterhalt gelockt und dort einer nach dem anderen geköpft. Die lange schon brodelnde Wut der Eingeborenen über die brutalen Ausbeutungsmethoden, der sich nicht nur die Spanier, sondern auch die Welser und ihre Mannen bedienten, hatte sich endlich Luft gemacht.
In der Familie übrig geblieben waren lediglich die Söhne von Bartholomäus’ Bruder Franz, auf die der Chef der Familie seine ganzen Hoffnungen setzte. Wie viele Kinder Franz Welser wirklich besaß, wusste er wahrscheinlich selber nicht. Die ehelichen Söhne aber hatten die geschäftliche Untüchtigkeit und den Hang zum süßen Leben von ihrem Vater geerbt und waren in keiner Weise geeignet, das Handelshaus weiterzuführen, denn ernsthaftes Planen, Rechnen, Kalkulieren und Verhandeln waren nicht ihre Stärken. Zwar hatten Franz und seine Gemahlin Anna auch eine Tochter, Philippine, die der Liebling ihres Onkels Bartholomäus war, als seine Nachfolgerin aber niemals in Frage gekommen wäre, obwohl sie schon als Kind ungewöhnliche Fähigkeiten erkennen ließ. Dass dieses Mädchen einmal als Gemahlin eines Kaisersohnes und »Mutter Tirols« in die Geschichte eingehen würde, konnte in Augsburg, als Philippine 1527 das Licht der Welt erblickte, niemand ahnen.
Bartholomäus Welser musste sehr rasch erkennen, dass der Abstieg des Hauses unter den leichtfertigen Söhnen seines Bruders nicht aufzuhalten war. Und trotzdem konnte er sich nicht entschließen, eine Frau an der Spitze des weltweit bekannten Handelshauses zu setzen, obwohl die Schwester seiner Schwägerin Katharina von Loxan als Witwe direkte Geschäfte mit dem Kaiserhaus machte.
Das Schicksal des Handelshauses der Welser nahm seinen verhängnisvollen Lauf unter der Führung von Karl Welser, dem Bruder Philippines, einem stadtbekannten Leichtfuß, der das ererbte Geld mit vollen Händen hinauswarf und nur ein schönes Leben im Sinn hatte. Was niemand für möglich gehalten hätte, war die Tatsache, dass er schon nach relativ kurzer Zeit genötigt war, seinen erzherzoglichen Schwager Ferdinand um Geld zu bitten. Anfangs erkannte Erzherzog Ferdinand die Verschwendungssucht Karls und seiner leichtfertigen Ehefrau Eva von Schumburg nicht, denn beide verstanden es meisterlich, den Gemahl Philippines zu umschmeicheln, sodass dieser Karl schließlich im Jahre 1567 sogar den Titel eines Erzherzoglichen Rates verlieh, dem andere Auszeichnungen folgten. Als Erzherzog Ferdinand endlich die Augen aufgingen, war er nahezu gezwungen, die Ehre des Hauses Welser zu retten. Immerhin war er mit der Schwester des Tunichtgutes verheiratet. Ferdinand beglich zwar die Schulden, die Karl und seine Frau bei den Fuggern gemacht hatten, achtete aber zu wenig darauf, dass der Schwager seinen Lebensstil änderte. Denn Karl begann im Laufe der Zeit, Dinge zu verkaufen, die ihm gar nicht gehörten, und verprasste das Geld bei pompösen Festen. Als die Welser Geldtruhen gähnend leer waren und auch die Unterstützungen durch den kaiserlichen Schwager aufhörten, verpfändeten Karl und Eva alles, was nicht niet- und nagelfest war. Selbst ein »gulden zanstocher« wurde zu Geld gemacht.
Aber einmal kam der Punkt, an dem die Geduld des Erzherzogs zu Ende war, zu lange schon hatte er über die Machenschaften der dubiosen Verwandtschaft hinweggesehen. In einem Schreiben forderte er daher eindringlich den Schwager auf, das liederliche Leben abzustellen, »weil es doch dergestalt nit angelegt wär«. Aber es war längst zu spät. Das Handelshaus der Welser, einst mächtig und einflussreich, hatte all seinen Glanz verloren. Mit Karl Welser, der am 24. Februar 1587 zu Grabe getragen wurde, war durch die Unfähigkeit eines einzigen Mannes zunichtegemacht worden, was Generationen vor ihm aufgebaut hatten.
Papst Leo X. genoss das Pontifikat in vollen Zügen
Der Sohn des großen Lorenzo de Medici unterschied sich von den anderen Renaissancepäpsten nur wenig. So wie seinen Vorgängern war ihm ein süßes Leben wichtiger, als die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern.
Es war den Medici ein großes Anliegen gewesen, endlich ein Familienmitglied auf den Stuhl Petri zu bringen, wodurch sie ihre Macht nicht nur in Florenz ausweiten konnten. Deshalb engagierte man schon, als Giovanni, der zweitgeborene Sohn Lorenzos, erst drei Jahre alt war, den Dichter Angelo Poliziano, der den Knaben und seinen älteren Bruder Piero im humanistischen Sinne erziehen sollte. Allerdings war die Mutter der Kinder Clarice, eine geborene Orsini, gegen den bekannten Mann und setzte alles daran, ihren Gemahl davon zu überzeugen, dass Poliziano nicht der richtige Begleiter ihrer Söhne wäre. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis Lorenzo de Medici den Wünschen seiner Frau nachkam und die Erziehung seines jüngeren Sohnes in die Hände anderer hochgebildeter Männer legte. Denn es stand von Anfang an fest, dass der Zweitgeborene auf alle Fälle in den Dienst der Kirche treten würde. Und da für einen Medici nichts Geringeres als ein Kardinalsamt möglich war, spendete man dem siebenjährigen Kind schon die Firmung und schnitt ihm das Haar zu einer Tonsur, um ein äußeres Zeichen zu setzen. Denn dies war die Voraussetzung, um einzelne Pfründen vom französischen König übertragen zu bekommen. Gleichzeitig ernannte der Papst Giovanni zum päpstlichen Pronotar, denn nur in dieser Funktion war es möglich, die Pfründen überhaupt annehmen zu können. Denn man fand in der damaligen Zeit nichts dabei, den Knaben, der am 11. Dezember 1475 in Florenz das Licht der Welt erblickt hatte, mit nur acht Jahren zum Domherrn von Florenz einzusetzen. Dass dies alles nur ein Machtspiel der Medici war, lässt sich denken, denn Giovanni konnte natürlich aufgrund seines zarten Alters keine wie immer geartete Funktion erfüllen, seine Agenden übernahmen den Medici ergebene Kleriker, die aber teilweise so korrupt waren, dass sich die Mönche von Passignano gegen deren Machenschaften auflehnten und die Abtei nur mit Waffengewalt eingenommen werden konnte.
Trotz der anfänglich guten Beziehungen Lorenzos zu Papst Innocenz VIII. gelang es dem Medici nicht, die Kardinalswürde für seinen Sohn zu erlangen. Erst als der Papst seinen leichtlebigen Sohn Francesco Cibo mit Maddalena de Medici verheiraten wollte, um das Ansehen seines Sohnes aufzubessern, schenkte er den Bitten aus Florenz Gehör. Insgeheim wurde Giovanni 1489 die Kardinalswürde übertragen, was allerdings erst drei Jahre später, als der junge Mann siebzehn war, veröffentlicht wurde. Es sollte jedoch noch mehr als zwanzig Jahre dauern, bis Giovanni als Leo X. aus der