Georg Markus

Meine Reisen in die Vergangenheit


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über die Bühne fegte, obwohl der daneben stehende kaiserliche »Kurgast« bereits 1916 verstorben war. Und zum Fünfuhrtee spielte man Charleston!

      Für die Wiener Erstaufführung musste das Singspiel daher stark verändert werden – unter anderem auch das Bühnenbild, denn der Hintergrund des hochsommerlichen Wolfgangsees war in Berlin irrtümlich mit schneebedeckten Bergen bemalt worden. Hubert Marischka spielte am Wiener Stadttheater den Leopold, Paula Brosig die Wirtin, Fritz Imhoff den Giesecke, und als Sigismund, der nichts dafür kann, dass er »so schön ist«, trat der junge Karl Farkas auf.

      Innerhalb weniger Monate war das Rössl ein Welterfolg. Es wurde in Kairo gespielt, lief als Al Cavallino Bianco in Rom, als White Horse Inn in London und New York. Und im Laufe eines halben Jahrhunderts wurde es mehrmals verfilmt.

      Das Weiße Rössl am Wolfgangsee ist heute, nicht zuletzt dank dieser gigantischen Publicity, ein florierendes Hotel mit internationalem Standard.

      Das echte Rössl in Lauffen bei Bad Ischl, dem es den ganzen Rummel zu verdanken hat, musste wenige Jahre nach der Uraufführung des Theaterstücks zusperren. Weil zu wenig Gäste gekommen waren.

      DIE FRAUEN DES WALZERKÖNIGS …

      … und ihr Einfluss auf seine Musik

      Du bist das von Gott für mich bestimmte Wesen … Ohne Dich kann ich nicht leben … Mein Alles, mein geliebter Engel … « Zeilen wie diese verfasste Wiens populärster Komponist in Hülle und Fülle. Und sie waren nicht bloß an eine Frau gerichtet. Sondern an Dutzende. Es ist an der Zeit, darüber zu berichten, welche Rolle das weibliche Geschlecht im Leben des Strauß-Schani gespielt hat. Vor allem in Hinblick auf seine Kompositionen.

      Die k. k. Polizeidirektion bezeichnete den Lebenswandel des 37-jährigen Johann Strauß Sohn in einem dicken Akt als »unsittlich und leichtsinnig«. Der Kaiser weigerte sich daraufhin, den nach ihm populärsten Österreicher in den Adelsstand zu erheben. Das hatte der Musikant wohl auch dem Umstand zuzuschreiben, dass er im 48er-Jahr einen »Revolutionsmarsch« komponiert hatte und im Dezember desselben Jahres wegen öffentlichen Spielens der »Marseillaise« angeklagt wurde. Doch auch der Wiener Bürgermeister Lueger war nicht bereit, Strauß die Ehrenbürger-Würde der Stadt, deren Name er durch seine Musik in alle Welt getragen hatte, zu überreichen. Neben den drei Ehefrauen förderte man beim Maestro nicht weniger als 13 Verlobte zu Tage, von zahlreichen anderen Amouren ganz zu schweigen.

      Als »schwarzer Tag im Kalender der Damen Wiens« wird der 27. August 1862 bezeichnet. Denn an diesem Sommermorgen heiratete der eingefleischteste aller Junggesellen zum ersten Mal. Henriette Treffz, genannt Jetty, war die Auserwählte des feschesten Frackträgers der Donaumetropole. Jetty hatte ihrem Schani in punkto Vorleben nichts vorzuwerfen: Die ehemalige Opernsängerin, Tochter eines Arbeiters aus Wien-Gumpendorf, brachte sieben uneheliche Kinder mit in die Ehe. Zwei davon stammten aus der Verbindung mit Moritz Baron Todesco, den sie verließ, um bei Strauß einzuziehen. Der Bankier adoptierte seine beiden Kinder später.

      Die Verbindung mit Jetty sollte sich für Johann Strauß als künstlerisch äußerst fruchtbar erweisen. Die um mindestens sieben Jahre ältere Frau – ihre Geburtsangaben schwanken – wurde zur wichtigsten Muse des Walzerkönigs, der übrigens nicht tanzen konnte. Schani ließ sich seinen berühmten Schnauzbart wachsen, um neben Jetty reifer zu wirken. Doch der Rastlose fand an ihrer Seite erstmals Ruhe und Geborgenheit. Strauß, der früher pro Abend auf bis zu sechs Bällen dirigiert hatte, überließ die Kapelle nun seinen Brüdern Josef und Eduard und konzentrierte sich aufs Komponieren. In seiner ersten Ehe entstand nicht nur der Donauwalzer, sondern auch Die Fledermaus, die er in 42 Tagen und Nächten niedergeschrieben hatte. Jettys Anteil am Zustandekommen dieser Operette ist gewichtig, war sie es doch, die heimlich Notenblätter aus dem Pult ihres Mannes stahl und dem Direktor des Theaters an der Wien überreichte. Strauß selbst wollte Die Fledermaus nicht aufführen lassen.

      Ein Jahr nach der Hochzeit wurde er – aller politischen »Verirrungen« seiner Jugendtage zum Trotz – mit dem Titel Hofballmusikdirektor ausgezeichnet, eine Ehrung, die bereits seinem Vater zuteil geworden war.

      Jetty war Geliebte, Freundin, Mutter, Hausfrau, Krankenschwester, sie hielt alles von ihm fern, was den sensiblen König der Wiener Musik hätte deprimieren können. So wurden ihm nur jene Zeitungsausschnitte vorgelegt, in denen er mit Lob bedacht wurde. Das nach außen hin stets »lachende Genie« neigte zu Depressionen und lebte in panischer Angst vor Gewittern und hohen Bergen. In Gegenwart des Hypochonders durfte das Wort »sterben« nicht einmal ausgesprochen werden.

      Zwar unterhielt Johann Strauß auch während seiner ersten Ehe zahlreiche Liebschaften, doch als Henriette nach 16-jährigem Zusammenleben völlig überraschend an den Folgen eines Schlaganfalls starb, war der Musiker zutiefst getroffen. Strauß floh aus Wien und weigerte sich, an der Beerdigung teilzunehmen.

      Er, der nicht eine Minute seines Lebens allein sein konnte, führte seine nächste Frau bereits sechs Wochen nach Jettys Tod zum Standesamt: Ehefrau Nummer zwei hieß Lily, war Gesangsstudentin, um 25 Jahre jünger als der Komponist und das, was man heutzutage ein »Luder« nennen würde. Kaum waren die Flitterwochen vorüber, ging sie mit dem Direktor des Theaters an der Wien durch. »Jean«, der mittlerweile in Ehren ergraute – aber schwarz gefärbte – Lockenkopf, steckte nach Lilys Abgang in einer tiefen seelischen Krise. Erfolglos hat er um sie gekämpft, sie mit allen Mitteln zurückzuhalten versucht. Strauß rührte seine Geige nicht mehr an und schien beruflich am Ende. Während seine Konkurrenten Suppé und Millöcker gerade jetzt einen Erfolg nach dem anderen feierten, wurde seine Nacht in Venedig in Berlin ausgebuht.

      Erst Ehefrau Nummer drei befreite ihn aus der schlimmsten Krise seines Lebens: Adele Strauß war gleich um 31 Jahre jünger als der Walzerkönig, doch wie einst Jetty erwies auch sie sich als Segen für seinen weiteren Werdegang. Sie gab ihm Kraft und verhalf ihm zu neuen künstlerischen Höhen. Zunächst holte sie Die Nacht in Venedig zurück nach Wien, wo die in Berlin nicht verstandene Operette zum gigantischen Erfolg wurde. Versehen mit der für ihn so wichtigen Portion Selbstvertrauen, entstand dann auch noch der Zigeunerbaron.

      Strauß liebte seine dritte Frau so sehr, dass er sich ihretwegen sogar der Bigamie bezichtigen ließ. Da es eine Scheidung im heutigen Sinne nicht gab, konnte er Adele nur auf Umwegen heiraten. Er wurde Staatsbürger des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha und wechselte zum protestantischen Glauben über. Der Vorgang dauerte Jahre, doch konnte Strauß seine Geliebte in dieser Zeit guten Gewissens bei gesellschaftlichen Anlässen als »Frau Strauß« vorstellen, da sie – durch eine frühere Ehe – zufällig ebenso hieß.

      Neben Jetty, Lily, Adele und den 13 anderen Bräuten fehlte es nicht an weiteren Gspusis. Da tauchte etwa »Comtesse Olga« auf, die Tochter eines russischen Aristokraten, der Schani viele Liebesbriefe sandte, die pikanterweise Strauß-Witwe Adele ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod veröffentlichen ließ. Dann gab’s noch eine Elise, die Sängerin Marie Geistinger und viele andere.

      Seiner Stammtischrunde soll Strauß einmal anvertraut haben: »In jungen Jahren, da habe ich’s so toll getrieben, dass man’s nicht drucken lassen könnt. In Petersburg (wo er zahlreiche Gastspiele absolvierte, Anm.), da habe ich mich so genial aufgeführt, dass die Polizei mich ausweisen wollte und nur hohe Protektion diesen Befehl annullierte.«

      Sei’s drum. Wir verdanken Schanis Eroberungen einige seiner schönsten Melodien. Er hinterließ uns den Adelen-Walzer ebenso wie die Annika-Quadrille, die Josefinen-Tänze, den Fanny-Marsch, die Olga-, Cäcilien-, Elisen- und Helenen-Polka.

      Und bei jeder Note dachte er an ein süßes Abenteuer mit der betreffenden Dame.

      »VOLK DER FREIHEIT, VOLK DER BRÜDER«

       Die andere Bundeshymne

      Um ein Haar hätten die ersten Worte unserer Bundeshymne nicht Land der Berge, Land am Strome gelautet. Sondern Volk der Freiheit, Volk der Brüder. Oder gar Teurer Boden, blutbefleckter. In