Jochen Till

Luzifer junior - Ein Geschenk der Hölle


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ich hier herumsitzen muss, wird das jedenfalls nichts. Was mich auf eine Idee bringt – vielleicht funktioniert es ja.

      »Nein, es gibt keine Party«, antworte ich dem Holzapfel. »Aber Sie dürfen mir natürlich trotzdem gern etwas schenken.«

      »Oh, darf ich das?«, erwidert der Holzapfel grinsend. »Das ist aber sehr großzügig von dir. Hast du vielleicht irgendeinen speziellen Wunsch?«

      »Na ja«, antworte ich. »Sie würden mir zum Beispiel eine riesige Freude machen, wenn Sie mich für den Rest des Tages vom Unterricht befreien würden.«

      »Haha! So was dachte ich mir schon!«, sagt der Holzapfel lachend. »Das ist eine super Geschenkidee. Damit würde ich nämlich nicht nur dir eine riesige Freude machen, sondern vor allem mir. Aber leider geht das nicht, das ist gegen die Schulordnung. Ich kriege jede Menge Ärger mit Direktor Hasenfuß, wenn ich dich einfach so vom Unterricht befreie. Ich könnte dir trotzdem etwas als Geschenk anbieten: Wie wäre es, wenn ich dich nicht mehr drannehme, wenn du dich nicht meldest?«

      »Das wäre super!«, sage ich hocherfreut. »Für immer?«

      »Netter Versuch«, erwidert der Holzapfel.

      »Für den Rest des Schuljahres?«, hake ich nach.

      »Sagen wir, für den Rest der Woche«, gibt sich der Holzapfel geschlagen. »Danach darf ich dich wieder wie jeder gute Lehrer mit Überraschungsangriffen auf deine Gehirnzellen quälen. Abgemacht?«

      Er streckt mir seine Hand entgegen, ich schüttle sie.

      »Okay«, sage ich. »Abgemacht.«

      Dass ich mein erstes Geburtstagsgeschenk ausgerechnet von einem Lehrer kriege, hätte ich auch nicht gedacht. Ich bin schon so gespannt darauf, was mir die anderen schenken werden. Aaron und Gustav haben mich die letzten Tage ständig neugierig gemacht, ohne mir etwas Konkretes zu verraten. Mein Geschenk wäre ganz toll. Und spannend. Und aufregend. Und einzigartig. Ich will jetzt endlich wissen, was es ist! Aber ich muss noch so lang warten, bis ich es kriege! Die Party soll um drei Uhr anfangen, das ist noch eine Ewigkeit hin. Ich schaue auf die Uhr. Verdammt, es ist noch nicht mal neun. Ich beuge mich zu Aaron rüber.

      »Können wir denn nicht schon um zwei mit der Party anfangen?«, frage ich flüsternd. »Oder um eins? Gleich nach dem Unterricht?«

      »Tut mir leid, das geht nicht«, antwortet Aaron. »Nach dem Unterricht müssen wir zum Mittagessen. Und Lilly kommt erst um halb zwei aus der Schule. Und dann müssen wir noch alles für die Party vorbereiten. Du darfst also auf keinen Fall vor drei bei Lilly sein. Aber das haben wir dir doch alles schon siebzehnmal erklärt. Erklärt.«

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      »Ich weiß«, sage ich seufzend. »Hätte ja sein können, dass sich seit gestern etwas geändert hat. Kann ich euch nicht wenigstens bei den Vorbereitungen helfen?«

      »Nein, kannst du nicht«, erwidert Aaron. »Wir wollen dich doch überraschen. Das ist deine erste Geburtstagsparty, sie soll ganz besonders werden. Deshalb darfst du erst alles sehen, wenn wir fertig sind. Fertig sind.«

      »Ja, aber was soll ich denn solange noch machen?«, frage ich.

      »Dich freuen«, antwortet Aaron. »Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Schönste Freude.«

      »Aber ich freue mich doch jetzt schon seit einer Woche vor«, erwidere ich. »Ich hab mich schon so viel vorgefreut, dass kaum noch Vorfreude übrig ist. Was, wenn ich mich vor lauter aufgebrauchter Vorfreude gar nicht mehr richtig freuen kann, wenn es endlich so weit ist?«

      »Keine Sorge«, antwortet Aaron lachend. »Du wirst dich ganz sicher noch freuen, das garantiere ich dir. Bis dahin müsstest du die Vorfreude nur durch ein bisschen Geduld ersetzen. Ersetzen.«

      Geduld? Heute? An meinem Geburtstag? Ich habe meine ganze Geduld doch schon gebraucht, bis es so weit war. Ich dachte, am Geburtstag selbst bräuchte man keine Geduld mehr. Mist. Dieses komische Geburtstagskonzept sollte man lieber noch einmal gründlich überdenken, das ist stark verbesserungsbedürftig.

      »Muss ich denn noch an irgendwas denken?«, frage ich Aaron. »Ich meine, ich will auf keinen Fall etwas falsch machen, wenn es endlich losgeht.«

      »Falsch machen?«, erwidert Aaron. »Was meinst du? Was könntest du denn falsch machen? Machen?«

      »Na, was weiß ich?«, sage ich. »Ich mache doch sehr oft etwas falsch, wenn es um die Bräuche hier oben geht. Gerade gestern, zum Beispiel, da hat der Hasenfuß gesagt, ich soll ihm den Buckel runterrutschen. Und als ich genau das versucht habe, hat er mich zu zwei Wochen Küchendienst verdonnert. Also habe ich offensichtlich etwas falsch gemacht. Und ich will auf keinen Fall etwas falsch machen, wenn es um meinen Geburtstag geht.«

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      »Mach dir keine Gedanken«, sagt Aaron. »Du kannst nichts falsch machen. Du musst nur um drei Uhr pünktlich da sein, das ist alles. Alles.«

      »Okay, das kriege ich hin«, sage ich. »Muss ich vielleicht irgendwas Besonderes anziehen? Manchmal muss man doch etwas Besonderes anziehen hier oben.«

      »Was willst du denn Besonderes anziehen?«, erwidert Aaron. »Du hast doch sowieso nur ein Outfit. Outfit.«

      »Das stimmt natürlich«, sage ich. »Eine neue Unterhose vielleicht? Zieht man an seinem Geburtstag eine neue Unterhose an?«

      »Kommt drauf an«, sagt Aaron. »Wie lang hast du denn deine schon an? Schon an?«

      »Erst vier Tage«, antworte ich. »Höchstens sechs.«

      »Ja, dann solltest du unbedingt eine neue Unterhose anziehen«, sagt Aaron. »Und zwar unabhängig davon, ob du heute Geburtstag hast oder nicht. Nicht.«

      »Gut, mach ich«, sage ich. »Sonst noch was? Muss ich vielleicht was zu essen mitbringen?«

      »Nein, musst du nicht«, antwortet Aaron. »Es ist für alles gesorgt. Wir haben jede Menge Knabberzeug und du kriegst sogar eine richtige Geburtstagstorte. Auf die müssen wir wahrscheinlich sehr gut aufpassen, damit Cornibus uns nicht alles wegmampft. Wegmampft.«

      »Das heißt, ich darf Cornibus mitbringen?«

      »Natürlich darfst du Cornibus mitbringen«, antwortet Aaron. »Wir haben auch extra Schokolade für ihn gekauft. Und wir hoffen übrigens, dass er nicht der einzige Gast aus der Hölle sein wird. Lilly hat euren Vater eingeladen. Ob er wirklich kommt, wissen wir aber nicht. Er hat gesagt, er hätte viel zu tun und dass ihm Geburtstage eigentlich egal wären. Egal wären.«

      »Das klingt ganz nach meinem Vater«, sage ich. »Was ist denn mit Auribus? Habt ihr ihn auch eingeladen?«

      »Ja klar. Aber ich habe ihn jetzt seit drei Tagen nicht mehr gesehen. Er hat gesagt, er hätte unten noch etwas zu erledigen, wollte aber auf jeden Fall kommen. Kommen.«

      »Super, da freu ich mich«, sage ich. »Je mehr Leute, desto …«

      »Vitus!«, unterbricht mich der Holzapfel. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dir einen Freischein für störendes Schwätzen zum Geburtstag geschenkt zu haben!«

      Jaja, schon gut, ich bin ja schon still. Dann schlaf ich eben für den Rest des Unterrichts. Am liebsten würde ich gleich bis kurz vor drei schlafen, aber hier wird man ja zwischendurch immer wieder von der blöden Schulglocke geweckt. Egal, jede Minute, die ich nicht aktiv warten muss, zählt. Gute Nacht!

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      Kopf abgefackelt

      »Zwölfundsechzig.«

      »Die Zahl gibt es gar nicht, Cornibus«, erwidere ich.