Jochen Till

Luzifer junior - Ein Geschenk der Hölle


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      »Sechs. Drei plus drei ergibt sechs, Cornibus. Ich hätte nicht gedacht, dass dir Kopfrechnen solche Schwierigkeiten macht.«

      Genauso wenig hätte ich allerdings gedacht, dass ich überhaupt mal versuchen würde, ihm das beizubringen. Das war ein sehr spontaner Einfall, um mir die Wartezeit bis drei Uhr zu verkürzen. Diesbezüglich funktioniert das auch ziemlich gut, die letzte halbe Stunde verging viel schneller als die Zeit davor.

      »Cornibus Dämon«, grummelt es mir entgegen. »Dämon nicht topfrechen.«

      »Kopfrechnen, Cornibus. Das heißt kopfrechnen«, sage ich. »Warte, ich habe eine Idee. Vielleicht klappt es ja, wenn wir mit etwas rechnen, das du magst. Wir probieren es mal mit Schokolade. Also, pass auf: Eine Tafel Schokolade besteht aus zwanzig Stücken. Wenn du jeden Tag vier davon isst, wie viele Tage dauert es, bis die Tafel alle ist?«

      »Jetzt!«, antwortet Cornibus wie aus der Pistole geschossen.

      »Wie, jetzt?«, erwidere ich. »Das ist doch keine Antwort.«

      »Schwafel Schlotzolade umdrehen. Dann nur eins Stück. Cornibus essen. Jetzt alle. Wann Cornibus kriegt andere drei Stück Schwafel Schlotzolade?«

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      »Ha, siehst du!«, sage ich lachend. »Du kannst ja doch rechnen! Auch wenn du die Aufgabe nicht gelöst hast, du weißt genau, dass vier minus eins gleich drei ist!«

      »Cornibus richtig gerecht. Cornibus Verlohnung?«

      »Ja, du Schlingel, kriegst du. Aber dazu musst du auch noch ein bisschen rechnen.«

      Ich ziehe eine Tafel Schokolade aus meiner Nachttischschublade, breche drei Stücke ab und lege sie vor Cornibus aufs Bett.

      »So, hier sind drei Stück Schokolade«, sage ich. »Wenn ich jetzt noch drei dazulege, wie viele Stücke hast du dann?«

      »Cornibus weiß nicht. Zu schwierig. Muss Schlotzolade sehen.«

      Ich breche noch mal drei Stücke ab und lege sie zu den anderen.

      »So, wie viele Stücke Schokolade liegen jetzt da?«, will ich wissen.

      »Zu wenig«, antwortet Cornibus.

      »Okay, dann legen wir noch drei dazu«, sage ich und mache es. »Wie viele sind es jetzt? Drei plus drei plus drei ergibt?«

      »Nix!«

      »Das ist leider falsch, Cornibus«, sage ich. »Guck noch mal richtig hin, da liegen … Huch! Wo ist denn die Schokolade so plötzlich hinverschwunden?«

      Ein Blick auf Cornibus’ dick gefüllte Backen beantwortet meine Frage sofort.

      »Hey!«, ermahne ich ihn lachend. »Du darfst deine Rechenaufgabe nicht essen, bevor du sie gelöst hast!«

      »Cornibus erst essen. Dann Aufgabe gelöst. Topfrechen lustig. Cornibus mehr topfrechen!«

      »Ich fürchte, dafür habe ich nicht genug Schokolade«, sage ich lachend.

      Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist kurz nach halb drei. Okay, das reicht, ich habe keine Lust mehr, länger zu warten.

      »Wir gehen jetzt rüber«, sage ich zu Cornibus. »Verwandle dich in etwas Kleines, damit du in meine Tasche passt.«

      Cornibus verwandelt sich in einen Hamster und wir verlassen mein Zimmer.

      Ein paar Minuten später stehe ich vor Lillys Tür und drücke auf den Klingelknopf. Drinnen erklingen Schritte, die näher kommen.

      »Wer ist da?«, höre ich Gustavs Stimme.

      »Ich bin’s!«, antworte ich.

      »Du bist zu früh«, erwidert Gustav.

      »Ach, die paar Minuten«, sage ich. »Lass mich rein.«

      »Nö«, sagt Gustav. »Wir sind noch nicht so weit. Wir hatten drei Uhr gesagt.«

      »Ich weiß. Aber ich will nicht mehr warten. Komm, lass mich doch bitte rein.«

      »Keine Chance«, bleibt Gustav hart. »Ich hole dich, wenn wir fertig sind.«

      Ich höre, wie sich seine Schritte von der Tür entfernen.

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      »Halt, warte!«, rufe ich. »Du kannst mich doch nicht einfach hier stehen lassen! LILLY! LASST MICH REIN! ICH HAB DOCH GEBURTSTAG!«

      »DAS HAST DU IN FÜNFZEHN MINUTEN AUCH NOCH!«, ertönt Lillys Stimme. »QUENGEL HIER NICHT RUM!«

      Hrmpf. Die sind ganz schön gemein. So langsam frage ich mich, ob Geburtstag zu haben wirklich so eine tolle Sache ist. Was machen die denn so lang da drin?

      Ich gehe um die Ecke, um einen Blick durchs Fenster zu werfen. In dem Moment, in dem ich mich nach oben strecke, um etwas zu sehen, zieht mir Lilly die Vorhänge vor der Nase zu.

      »HIER GIBT ES NICHTS ZU SEHEN!«, ruft sie. »DU VERDIRBST DIR NUR SELBST DIE ÜBERRASCHUNG!«

      »NA UND?«, rufe ich zurück. »VIELLEICHT WILL ICH MIR JA SELBST DIE ÜBERRASCHUNG VERDERBEN! IST JA SCHLIESSLICH MEINE ÜBERRASCHUNG! MIT DER KANN ICH JA WOHL MACHEN, WAS ICH WILL!«

      »KANNST DU NICHT!«, erwidert Lilly. »ÜBERRASCHUNGEN GEHÖREN SO LANG DENJENIGEN, DIE SIE PLANEN, BIS SIE GEKLAPPT HABEN! ALSO IST DAS IMMER NOCH UNSERE ÜBERRASCHUNG UND WIR ENTSCHEIDEN, WANN DU SIE ZU SEHEN KRIEGST!«

      Mist, verdammter. Aber so leicht gebe ich nicht auf. Ich entferne mich ein paar Schritte und hole Cornibus aus meiner Tasche.

      »Okay, pass auf, Cornibus«, sage ich leise. »Du verwandelst dich jetzt in eine Ameise, krabbelst da rein, guckst dich um, kommst wieder raus und erzählst mir alles, was du drinnen gesehen hast.«

      Cornibus schüttelt seinen kleinen Hamsterkopf.

      »Cornibus nicht spüronieren für Luzie«, sagt er. »Lilly verboten. Cornibus kein Ärger mit Lilly. Lilly gefährlich.«

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      Wie jetzt? Cornibus hat Angst vor Lilly? Das wusste ich noch gar nicht. Okay, sie kann auch ziemlich Angst einflößend sein, ich möchte auch keinen Ärger mit ihr. Aber Cornibus hat sonst eigentlich vor nichts Angst, das wundert mich jetzt doch ein bisschen.

      »Ach, komm schon«, sage ich. »Nur ein ganz kleines bisschen. Du kriegst auch eine Tafel Schokolade dafür.«

      »Schlotzolade gut. Kein Ärger mit Lilly besser.«

      »VERSUCHST DU DA DRAUSSEN ETWA, CORNIBUS ZUM SPIONIEREN ZU ÜBERREDEN?«, ertönt Lillys Stimme von drinnen. »VERGISS ES! ICH HABE IHM EIN EXTRAGROSSES STÜCK KUCHEN VERSPROCHEN, WENN ER ES NICHT MACHT!«

      »Ach, so ist das«, sage ich und gucke Cornibus strafend an. »Du hast also gar keine Angst vor Lilly. Es geht dir nur um den Kuchen.«

      »Schlotzolade gut. Kuchen mit Schlotzolade besser.«

      »Tja, Pech für dich«, sage ich. »Vielleicht hättest du von mir ja ein noch größeres Stück Kuchen gekriegt. Aber das kannst du jetzt vergessen, selbst dran …«

      »WILLST DU DA DRAUSSEN NOCH LÄNGER RUMDISKUTIEREN ODER ENDLICH GEBURTSTAG FEIERN?«, unterbricht mich Lilly. »IHR KÖNNTET JETZT SCHON MAL ZUR TÜR KOMMEN, WIR SIND GLEICH SO WEIT!«

      »ALLES KLAR, BIN SCHON DA!«, rufe ich und gehe schnell zurück zur Tür.

      Endlich, endlich ist es so weit! Gleich fängt mein Geburtstag richtig an! Ich bin so gespannt, was mich drinnen alles erwartet!

      »MACH DIE AUGEN ZU!«, ruft