armer Mann«, sagte Fee mitfühlend. »Soll ich dich begleiten? Dann sind wir wenigstens beisammen.«
Diesmal erhob er keinen Einwand. »Vielleicht kann ich dich brauchen, Fee«, sagte er. »Aber werd’ nicht schwach, wenn Blut fließt.«
»Alles habe ich nicht vergessen«, erwiderte Fee, die approbierte Ärztin war. »Schwach werde ich nur, wenn bei unseren Kindern Blut fließt.«
Sie waren schnell an der Unfallstelle. In dem Kleinwagen war ein junges Pärchen eingeklemmt worden. Der Fahrer war noch gut davongekommen, aber er stand unter einem schweren Schock.
»Ich war nicht schuld«, stammelte er immer wieder, »was ist mit Ina?«
Das Mädchen war schwer verletzt. Der andere Wagen hatte die Breitseite voll erfaßt. Aber Dr. Norden hatte noch keine Ahnung, daß Helma Mosch den Unfall verursacht hatte. Er bemühte sich jetzt nur um das Mädchen, während Fee den Fahrer verband und beruhigend auf ihn einredete.
Zum ersten Mal in ihrer Ehe waren sie gemeinsam bei der Arbeit, und als beide Verletzte dann in die Behnisch-Klinik transportiert wurden, wie Dr. Norden es anordnete, sagte Fee: »Endlich konnte ich dir mal helfen.«
»Vorhin hätte es mich auch bald erwischt, Fee«, sagte er nachdenklich. »Die Mosch ist wie eine Irre die Straße langgerast. Aber ich bin vorsichtig, auch wenn ich Vorfahrt habe.«
»Die alte Mosch?« fragte Fee.
»So alt ist sie nicht, und fahren tut sie wie der Teufel.«
»Könnte sie das nicht auch gewesen sein?« fragte Fee.
Er hielt den Atem an. »Zeitlich könnte es vielleicht hinkommen. Mal sehen, was die Polizei herausfindet. Ich will mich nicht zum Denunzianten machen.«
»Aber wenn sie dich gefährdet hat, und du hast sie erkannt, kannst du Anzeige erstatten. Was meinst du, wie mir zumute wäre, wenn man dich so finden würde, wie diese beiden jungen Leute.«
»Mein Wagen ist ein bißchen widerstandsfähiger«, sagte er. »Warten wir ab. Ich möchte dem jungen Mosch nicht noch zusätzlich Probleme schaffen. Er hat genug zu knabbern. Und jetzt ist es wichtiger, daß dieses junge Mädchen am Leben bleibt, Fee.«
»Der andere Wagen muß aber doch auf jeden Fall schwer beschädigt sein«, sagte Fee, »egal, wer ihn gefahren hat.«
»Ganz bestimmt, und man wird ihn finden, dessen bin ich sicher. Die Spurensicherung wird feststellen, um was für einen Wagen es sich gehandelt hat.«
»Gehandelt haben könnte«, warf Fee ein.
»Aber die Farbe wird man mit Sicherheit feststellen können. Welche Farbe hatte der Wagen von Frau Mosch?« fragte Fee.
»Hell war er, gelb oder orange, bei Nacht kann man das so genau nicht sehen. Ich kenne den Wagen nicht. Ich wußte gar nicht, daß sie einen hat.«
»Und der Kleinwagen war auch gelb«, sagte Fee gedankenvoll.
»Gelb und Gelb ist nicht dasselbe, vor allem bei verschiedenen Modellen nicht.«
»Und wenn sie nun betrunken war?« fragte Fee weiter.
»Frau Mosch?«
»Natürlich Frau Mosch. Du hast sie erkannt. Du würdest es nicht gesagt haben, wenn du nicht sicher gewesen wärest. Wenn man sie erst morgen schnappt, falls sie diesen Unfall verursacht hat, wird man kaum noch feststellen können, ob sie Alkohol im Blut hatte.«
»Dennoch bleibt der Tatbestand ein schweres Verkehrsvergehen. Willst du, daß ich zu ihr fahre?«
»Nein, du brauchst mir nur die Adresse zu sagen. Ich fahre hin«, erwiderte Fee.
»Na schön, wie du willst, aber vergiß nicht, daß elf Uhr vorbei ist. Da schlafen ältere Herrschaften meist noch.«
Daniel Norden war bei der Behnisch-Klinik ausgestiegen. Der Notarztwagen hatte die Verletzten schon gebracht. Fee hatte sich ans Steuer gesetzt und fuhr zu der Wohnanlage am Stadtpark. Kaum ein erleuchtetes Fenster bemerkte sie. Auf der Straße standen aneinandergereiht die Autos. Ein gelbes sah sie auch, aber es war nicht ein bißchen beschädigt, wie sie auch feststellte, als sie herumging und es abtastete. Sie stellte sich den Unfall vor und kam zu der Überzeugung, daß zumindest ein Scheinwerfer beschädigt sein müßte. Das war bei diesem Wagen nicht der Fall.
Sie stellte sich auch vor, was ein Fahrer überlegte, wenn er Fahrerflucht beging. In einer Tiefgarage würde er seinen beschädigten Wagen wohl nicht abstellen
Sie nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und leuchtete die Hausglocken ab. Den Namen Mosch fand sie schnell. Sie schöpfte tief Atem und drückte auf die Klingel. Eine Ausrede würde ihr schon einfallen, aber es rührte sich nichts.
Es blieb Fee nichts übrig, als zur Klinik zurückzufahren. Und dabei dachte sie an einen Unfall, der sich vor gar nicht langer Zeit am Waldweg abgespielt hatte, der nicht weit entfernt lag. Da hatte es auch so einige Probleme gegeben, bis der geklärt wurde. Sie gab sich ihren Gedanken hin, bis Daniel endlich kam und ihr sagen konnte, daß das junge Mädchen außer Lebensgefahr sei. Sie waren beide jetzt zum Umfallen müde.
»Ich habe geläutet, aber sie hat sich nicht gemeldet«, sagte Fee gähnend.
»Ich habe nichts anderes erwartet, mein Schatz«, murmelte er.
»Vielleicht war sie wirklich nicht da«, sagte Fee.
»Oder sie denkt sich wieder eine hübsche, dramatische Geschichte aus. Sie ist eine schlaue Person, Fee.«
»Der Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht«, sagte Fee. »Mir tun die beiden jungen Leute leid.«
»Der Wagen ist hin, aber er liebt sie und denkt an nichts anderes. Das ist mehr wert, Fee. Und sie werden einen anderen Wagen bekommen.«
»Wenn sie überhaupt noch einen wollen nach dem Schock.«
»Sie werden ihn schnell vergessen haben, Fee. Sie sind jung.«
*
Ahnungslos, was sich da zugetragen hatte, war Heiner Mosch dann doch eingeschlafen. Er wurde wieder einmal vom Läuten des Telefons geweckt, das er doch wieder aufgelegt hatte, nachdem seine Mutter verschwunden war, denn es konnte ja sein, daß Annette am Morgen anrufen würde.
Aber es war wieder seine Mutter. »Leg nicht gleich auf, Heiner«, sagte sie verblüffend ruhig, »ich wollte dir nur sagen, daß mein Wagen gestohlen worden ist.«
»Melde es der Polizei«, sagte er.
»Kannst du mir nicht wenigstens noch diesmal ein bißchen behilflich sein?«
»Nein, ich habe zu tun. Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen.« Er blickte auf die Uhr. »Es ist erst sieben Uhr vorbei. Wieso hast du es schon gemerkt?« fragte er dann.
»Weil ich wegfahren wollte, wie du es mir geraten hast«, erwiderte sie. »Nun stehe ich da. Könntest du mich nicht wenigstens nach Würzburg bringen?«
»Was willst du denn dort?«
»Alte Freunde besuchen.«
»Es gibt Zugverbindung dorthin«, erklärte er nach einem kurzen, unschlüssigen Zögern. »Und außerdem mußt du erst den Diebstahl des Wagens melden.«
»Sie werden wieder unheimlich viele Fragen stellen.«
»Sie werden die Meldung aufnehmen, nichts weiter. Ich habe heute etwas anderes vor.«
»Du bist mir böse. Es tut mir ja leid, daß ich gestern so unbeherrscht war. Ich habe die Nerven verloren, verzeih mir, Heiner.«
»Es kommt ganz auf dich an, wie wir in Zukunft miteinander auskommen. Nun, jetzt hast du wenigstens etwas zu tun, was dich ablenkt«, fügte er dann ironisch hinzu. »Ich fahre jetzt weg.«
»Wohin?«
»Das geht dich nichts an.«
»Es könnte doch sein, daß Annette zu ihrem Vater