es nicht liegen, wenn…«
»Schluß jetzt«, schnitt er ihr das Wort ab. »Sag nichts, wozu du nicht wirklich bereit bist.« Dann legte er den Hörer auf, und diesmal störte ihn kein Läuten mehr, bis er das Haus verließ.
Erst als er unterwegs war, kamen ihm Zweifel, daß der Wagen gestohlen worden wäre. Vielleicht war das wieder so eine Masche von ihr gewesen, um ihn am Wegfahren zu hindern. Auf die Wahrheit kam er allerdings nicht, denn Fahrerflucht traute er seiner Mutter doch nicht zu, und er erfuhr auch nichts von dem Unfall, da er das Autoradio nicht anstellte.
Zum ersten Mal war Helma Mosch wirklich auf sich gestellt und dies in einer solchen Situation.
Als sie die Polizei anrief, zitterte ihre Stimme vor Angst und Aufregung, aber da sie ihren Wagen als gestohlen meldete, maß man ihrer Aufregung keine andere Bedeutung bei. Das geschah erst, als Dr. Norden dann sagte, daß es genau zehn Uhr fünfzehn gewesen sei, als der gelbe Wagen ihm die Vorfahrt genommen hätte, und er hätte am Steuer Frau Mosch erkannt, die als Patientin schon bei ihm gewesen wäre. Der Unfall war knapp fünf Minuten später passiert und wie festgestellt wurde, nahe der Straße, in der Frau Mosch wohnte.
Immerhin waren fast zwei Stunden seit ihrem Anruf vergangen, als der beschädigte gelbe Wagen ziemlich weit entfernt gefunden wurde. Frau Mosch trafen die Polizisten zu Hause allerdings nicht an. Die Hausmeisterin sagte, daß sie mit einem Taxi weggefahren sei. Sie müsse dringend verreisen, weil ihre Schwiegertochter im Urlaub erkrankt sei, hätte sie gesagt. Wann Frau Mosch am gestrigen Abend heimgekommen sei, konnte die Hausmeisterin jedoch nicht sagen.
Auch das erfuhr Dr. Norden. Ihm war es ein Rätsel, daß Helma Mosch ohne jede Verletzung davongekommen sein sollte. Zumindest Stauchungen hätte sie seiner Ansicht nach davontragen müssen, auch wenn sie angeschnallt gewesen war.
Doch diese begann Helma Mosch erst jetzt zu spüren, als sie im Zug saß und Richtung Westen fuhr. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Übel war es ihr auch und so manche Symptome, die sie früher nur vorgetäuscht hatte, machten sich ernsthaft bemerkbar. Es gelang ihr nicht, klare Gedanken zu fassen, und da sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, schwanden ihr schließlich die Sinne. Was später um sie vor sich ging, spürte sie nicht mehr.
*
Annette war maßlos überrascht, als plötzlich der Wagen ihres Mannes vor dem hübschen Landhaus hielt.
»Papi kommt«, jubelte Bettina, und wieder einmal wurde es Annette bewußt, wie sehr das Kind an seinem Vater hing. Sie waren ja auch eine glückliche kleine Familie gewesen, bis Helma ihre Harmonie störte und dann systematisch zu zerstören begann.
Insgeheim hatte Annette ja gehofft, daß Heiner kommen würde, aber daß dies so bald sein würde, hatte sie nicht erwartet.
Dann stand er vor ihr, das Kind noch im Arm haltend.
»Bitte, schick mich nicht fort«, sagte er leise.
»Aber Papi, wir freuen uns doch, daß du da bist«, sagte Bettina. »Kannst du auch Urlaub machen?«
»Ein paar Tage habe ich Zeit«, erwiderte er verhalten. »Ich möchte mit Mami einiges besprechen, Bettina.«
»Erst mußt du aber Opi Grüß Gott sagen. Er wollte sowieso mit mir ins Dorf fahren und einkaufen.«
Ja, Albert Breiter hatte eigentlich nicht da sein wollen, wenn Heiner kam, aber so früh hatte auch er nicht mit dessen Erscheinen gerechnet.
»Ja, dann werden wir uns gleich mal auf die Beine machen, Bettina«, sagte er, »damit wir was Gutes auf den Mittagstisch bringen. Du weißt ja, was der Papi am liebsten ißt.«
»Schweinebraten und Knödel, gefüllte Pfannkuchen und überhaupt alles«, zählte Bettina auf. »Und Marmorkuchen mögen wir sehr gern, wie Mami ihn bäckt, ohne Zitrone, gell, Papi. Oma macht immer Zitrone dran.«
Sie verschwanden, und Annette sah ihren Mann forschend an. »Ich dachte nicht, daß sie es dir sagen würde, wo ich bin«, murmelte sie.
»Sie hat es mir auch nicht gesagt. Dr. Norden hat mir den Tip gegeben.«
»Du warst bei ihm?« fragte sie stockend.
»Ja, Annette, und ich habe etwas erfahren, worüber wir uns doch beide freuen sollten.«
»Ich kann mich nicht freuen«, sagte sie heiser.
»Ich war auch bei dem Anwalt, und dann hatte ich mit Mama eine ernste Unterredung, Annette. Es wird anders werden, ich verspreche es dir.«
Als Tränen in ihre Augen traten, nahm er sie in die Arme. »Ich weiß jetzt, was hinter meinem Rücken vorgegangen ist, Liebes, wie es wirklich gewesen ist, und nicht, wie sie es mir immer darstellte. Und sie weiß, daß ich nicht daran denke, unsere Ehe ganz zerstören zu lassen. Bitte, gib mir die Chance, es dir zu beweisen. Sie wird unsere Kreise nicht mehr stören, dafür werde ich sorgen.«
Annette schluchzte leise auf. »Sie findet immer wieder Mittel und Wege, um mich zu quälen, Heiner. Wenn ich nur wüßte, warum.«
»Du bist jung und schön, so schön, wie sie nie war, und außerdem bist du auch vermögend, wie sie es gern sein wollte. Das ist mir ganz gewiß geworden, als sie davon sprach, was ich bei einer Scheidung herausschlagen könnte. Aber ich schwöre dir, daß ich nichts davon haben will, wenn du auf der Trennung bestehst, Annette. Dann hätte ich alles verloren, was ich liebe, wirklich liebe, dich und Bettina. Ja, ich habe mich meiner Mutter verpflichtet gefühlt, ich habe immer wieder nachgegeben und ihr alles recht machen wollen. Und ich gebe auch zu, daß ich oft dachte, du würdest ungerecht sein. Jetzt sehe ich, wie es in Wahrheit ist. Ich habe ihr gesagt, daß es im Falle einer Scheidung für mich nicht in Frage käme, mit ihr zusammenzuleben. Ich habe ihr gesagt, daß ich dann nach Irland gehen werde.«
»Das willst du doch nicht wirklich, Heiner?« fragte Annette ängstlich.
»Nur dann, wenn ihr mitkommt. Es wäre ein Sprung nach oben für mich. Ich würde dort eine leitende Stellung bekommen. Aber die Entscheidung überlasse ich dir, wenn du bei mir bleibst, Annette.«
»Ich will mich ja gar nicht scheiden lassen«, flüsterte sie. »Ich konnte es nur nicht mehr ertragen, sie jeden Tag zu sehen, jeden Tag ihre Stimme zu hören, mit ansehen zu müssen, wie sie Bettina mehr und mehr an sich heranziehen wollte.«
»Ich glaube nicht, daß Bettina es so aufgefaßt hat. Aber das werden wir schon herausbekommen, wenn du mich nicht wegschickst.«
»Ich schicke dich nicht weg. Ich bin froh, daß wir endlich mal allein miteinander sprechen können. Paps wird uns dazu bestimmt Zeit lassen.«
Noch fester schloß er sie in seine Arme und küßte sie. »Und wir werden uns auf unser Baby freuen«, sagte er zärtlich.
»Ob Bettina sich auch freuen wird?«
»Wenn sie nicht gegenteilig beeinflußt wird, bestimmt, und ich werde dafür sorgen, daß dies nicht geschieht. Ich verspreche es dir, Annette.«
Annette wollte ja so gern daran glauben. Hoffnung und Zuversicht erfüllten sie jetzt.
*
Sandra hatte auf Anhieb eine hübsche Ferienwohnung gefunden, dank Winnies Empfehlungen. Winnie kannte die Gegend. Sie war dort aufgewachsen, und die Wohnung war auch groß genug, daß Winnie dann bei ihnen wohnen könnte, denn das Haus, das sie einrichten sollte, lag nur fünf Kilometer entfernt.
Nico gewöhnte sich ein, nachdem er mit seiner Omi ein langes Telefongespräch geführt und erfahren hatte, daß sie wohlauf sei. Annedore hatte ihm auch gesagt, daß sie schon am Sonntag zur Insel der Hoffnung fahren würde, weil Holger sie dann hinbringen konnte.
»Das ist mir sehr recht, Mami«, sagte Nico. »Ich habe es gar nicht gern, wenn Omi allein fährt. Sie wird leicht nervös, wenn viel Verkehr ist.«
Was er alles denkt, dachte Sandra. Man müßte tatsächlich mal seinen Intelligenzquotienten prüfen lassen. Sie wußte ja, daß Kinder mit einem hohen Quotienten sich oft in der Schule nicht leicht taten, einmal, weil sie sich langweilten