Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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hat Emi mir nie gesagt«, flüsterte Peter. »Wenn sie jetzt auch nicht kann, wer kümmert sich um die Gärtnerei?«

      Das war seine nächste Sorge. Aber es rührte Jenny Behnisch, daß er sich zuerst um Emi gesorgt hatte.

      »Der alte Merkel springt ein, das ist schon geregelt, Peter. Sie dürfen auf Kolia und seine Kumpane keine Rücksicht nehmen.«

      »Ich muß erst mit Emi sprechen«, sagte er leise.

      Jenny Behnisch ging zu der jungen Frau, die auch nach langem Schlaf erwacht war.

      Ihr Gesicht war so geschwollen, daß man die Augen kaum sehen konnte. Sie bot einen wahrhaft erbarmungswürdigen Anblick.

      »Peter Kleinschmidt ist bei Bewußtsein, Emi«, sagte Jenny. »Er möchte mit Ihnen sprechen.«

      Emi schluchzte trocken auf. »Ich kann ihm doch nicht in die Augen sehen«, flüsterte sie. »Es war mein Bruder. Er ist genauso schlimm wie seine Freunde.«

      »Aber Peter weiß, daß Sie ein gutes Mädchen sind, Emi«, sagte Jenny tröstend. »Er will nichts sagen, damit Ihre Eltern wegen Kolia nicht auch Kummer haben.«

      »Aber Nino ist ein guter Junge. Er bekommt sogar ein Stipendium. Wenn sie erfahren, was Kolia für ein Kerl ist, werden sie es ihm nicht genehmigen.«

      »Darüber machen Sie sich mal keine Gedanken«, sagte Jenny. »Sprechen Sie mit Peter. Ein schwarzes Schaf gibt es oft in einer Familie.«

      »Vater hat immer gesagt, daß es falsch war, ihn aufzunehmen«, schluchzte Emi.

      Jenny horchte auf. »Er ist gar nicht Ihr richtiger Bruder?« fragte sie.

      »Nein, eine Cousine von Mama ist seine Mutter, aber der Mann hat sie sitzen lassen, und sie ist ins Wasser gegangen. Aber Mama hat ihn wie ein eigenes Kind behandelt. Und nie dankt er es ihr.«

      »Dann soll er seine Strafe bekommen«, sagte Jenny. »Warum haben Sie ihm immer Geld gegeben, Emi?«

      »Damit er mich in Ruhe läßt«, flüsterte sie. »Damit habe ich ihn mir vom Leibe gehalten.«

      Armes Mädchen, dachte Jenny vol­ler Mitgefühl. »Warum haben Sie nicht mit Peter darüber gesprochen?« fragte sie.

      »Das kann ich doch nicht. Ich schäme mich so. Er meint doch auch, daß es mein richtiger Bruder ist.«

      »Dann wäre es wohl an der Zeit, daß Sie ihm die Wahrheit sagen, Emi. Oder soll ich es tun?«

      »Das muß ich ja wohl selbst tun«, sagte Emi leise. »Aber so wie ich aussehe?«

      Ein wenig mußte Jenny doch lächeln. Selbst die scheue Emi war nicht ganz frei von weiblicher Eitelkeit.

      »Ich habe ihm schon gesagt, wie man Sie zugerichtet hat, und er soll es ruhig sehen, damit er auch der Polizei die Wahrheit sagt. Diese Kerle haben die Strafe verdient.«

      »Dann werde ich mich jetzt anziehen«, sagte Emi.

      Jenny nickte zustimmend. »Ich bringe Ihnen Kleider von mir. Ihre waren voller Blut.«

      »Sie sind so gut, auch Dr. Norden und seine Frau. Sie sind doch so vornehme Menschen, und ich bin nichts.«

      »Sie sind ein fleißiges, tüchtiges Mädchen, das überall beliebt ist, Emi. Daran denken Sie jetzt mal. Und es gibt eine ganze Anzahl Menschen, die Ihnen gern helfen. Und Peter Kleinschmidt will auch Sie schützen.«

      »Ich muß mich auch um die Gewächshäuser kümmern«, sagte Emi leise. »Er macht sich doch damit so viel Mühe.«

      »Heute ist Herr Merkel da, und er wird Ihnen auch helfen, bis Peter wieder gesund ist, aber vor allem müssen Kolia und seine Komplicen geschnappt werden. Dazu können Sie beitragen.«

      »Sie haben das Auto von Peter gestohlen. Ich habe es gesehen. Sie sind bestimmt auf und davon.«

      »Sie werden alles, was Sie wissen, dem Polizeiinspektor sagen, Emi?«

      »Ja, Frau Doktor«, erwiderte Emi bebend.

      *

      Das hübsche Kleid von Jenny konnte Emis verletztes Gesicht zwar nicht hübscher machen, aber ihr schlanker, mädchenhafter Körper kam darin doch mehr zur Geltung als in den plumpen billigen Sachen, die sie bisher getragen hatte. Und daß sie normalerweise ein nettes, liebes Gesicht hatte, wußte Jenny.

      »Ich gebe es Ihnen dann gleich ge­reinigt zurück«, sagte Emi verlegen.

      »Sie können das Kleid behalten, Emi, es ist mir zu eng geworden«, erwiderte Jenny. Das stimmte zwar nicht, aber Jenny wollte dem Mädchen wenigstens eine kleine Freude machen. »Ich habe auch noch ein paar andere Sachen von mir herausgesucht, die Ihnen bestimmt passen.«

      »Ich bezahle es gern, wenn Herr Kleinschmidt mich nicht entläßt«, murmelte Emi.

      »Er wird Sie nicht entlassen. Reißen Sie sich zusammen, Emi. Er braucht jetzt Ihre Hilfe doppelt nötig. Aber er möchte nicht, daß Sie noch mal solchen Gemeinheiten ausgesetzt werden.«

      Ein paar Tränen purzelten aus Emis geschwollenen Augen, aber ein wenig mehr konnte man von diesen jetzt doch schon sehen.

      Emi machte einen tiefen Knicks vor Jenny, und diese dachte in diesem Augenblick: Jetzt fehlt nur noch, daß sie mir die Hand küßt, da war auch das schon geschehen.

      »Lieb gemeint, Emi, aber das gewöhnen Sie sich mal ab«, sagte Jenny. »Sie sind keine Leibeigene. Sie tun Ihre Arbeit, wie ich meine, und ich weiß, daß Sie Ihre Arbeit genauso gewissenhaft tun wie ich auch. Sie werden die Fesseln abwerfen, und dazu müssen Sie auch selbst beitragen. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben.«

      »Ich habe aber Angst«, sagte Emi.

      »Dann machen Sie sich stark, damit Sie diese besiegen. Ich weiß, was Angst bedeutet, Emi. Ich war auch einmal ganz down, ganz am Boden zerstört, obgleich ich da schon eine Ärztin war. Aber ich habe Freunde gefunden und einen Mann, der mich lehrte, wieder an das Gute zu glauben. Und nun glauben Sie auch an den Sieg des Gu­ten über das Böse.«

      »Aber ich darf Sie doch verehren«, sagte Emi scheu.

      »Sie dürfen mich gern haben, weil ich Sie auch gern habe. Was sind denn schon für Unterschiede zwischen uns? Sie betreuen Pflanzen und Blumen, die auch nur mit Liebe und Fürsorge gedeihen können. Ich betreue Kranke, die ebenso der Liebe und Fürsorge bedürfen.«

      »So was hat Peter auch schon mal zu mir gesagt, als wir hier den Garten angelegt haben. Er sagte aber auch, daß wir es eigentlich besser haben, weil Pflanzen nicht reden können, nicht verletzen können. Wenn sie nicht lebensfähig sind, gehen sie still ein, auch wenn sie vom Unkraut erdrückt werden. Deswegen muß man das Unkraut vernichten.«

      »Und das können Sie ihm jetzt auch sagen, Emi. Manche Menschen sind eben wie Unkraut, zu nichts nütze und unfähig, Freude zu geben. Aber sie saugen Kraft aus den Besseren wie das Unkraut aus dem Boden.«

      »Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen«, sagte Emi leise. »Wenn ich doch auch nur so klug denken könnte.«

      »Sie können es, Emi.«

      Und dann standen sie vor der Tür des Krankenzimmers. »Nur Mut, Emi«, sagte Jenny Behnisch aufmunternd.

      Schüchtern trat Emi ein, zögernd setzte sie die Schritte und so leise wie nur möglich, denn Peter lag mit geschlossenen Augen da.

      »Ich schlafe nicht, Emi«, sagte er heiser, »ich soll nur die Augen geschlossen halten.«

      Er wollte es ihr leichter machen, da er von Jenny Behnisch ja wußte, wie ihr Gesicht zugerichtet war. Er hatte Einfühlungsvermögen, und er kannte Emi weitaus besser, als er meinte.

      »Es tut mir alles so schrecklich leid«, flüsterte Emi. »Ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen soll, Herr Kleinschmidt.«

      Nun sah er sie doch an, in ihr verstörtes, verletztes, unglückliches Gesicht hinein, und er vergaß seine