Nachher ist wieder so ein narrischer Betrieb.«
Einkaufen, dann noch an der Kasse anstehen müssen, das bereitete ihm Qualen. Seiner Mutter dagegen bereitete es Vergnügen, von ihrem Sohn begleitet zu werden. Sie hätte während der Woche weiß Gott genügend Zeit dafür gehabt, und sie hatte auch ihren eigenen Wagen, aber sie wollte ihn eben dabei haben.
»Ich weiß schon, daß du nicht begeistert bist«, meinte sie, »aber du mußt mir doch sagen, was deine Eva gern ißt.«
»Zur Zeit am liebsten Eis«, erwiderte er unbedacht.
»Eis?« staunte Barbara.
»Es ist ja ständig so schwül«, erklärte er rasch.
»Nun, dann werde ich als Nachtisch Eis mit heißen Himbeeren einplanen«, sagte sie lächelnd.
»Du brauchst dir doch nicht so viel Mühe zu machen, Mama.«
»Das ist keine Mühe. Sie soll doch gleich das Gefühl haben, daß sie ihrer Schwiegermutter willkommen ist.«
»Du bist sehr lieb, Mama«, sagte Bernd herzlich.
»Man sagt den Müttern von Söhnen so leicht nach, daß sie eifersüchtig werden, weil sie ihren Sohn verlieren. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß ich dann eine Tochter hinzugewinnen werde. Ich hätte gern noch eine Tochter gehabt.«
Hoffentlich denkt Evas Mutter auch so, ging es Bernd durch den Sinn. Eigentlich benimmt Mama sich großartig.
Nun, er kann mir wenigstens nicht nachsagen, daß ich mir keine Mühe gebe, mit dieser Überraschung fertig zu werden, dachte Barbara. Wenn es Unstimmigkeiten gibt, so bin ich nicht schuld daran. Und sie verriet nicht, daß sie von einer fieberhaften Spannung erfüllt war.
*
Annelie Trewitz hatte an diesem Vormittag keine Zeit, sich Gedanken über Evas Zukunft zu machen. In ihrem Geschäft ging es zu wie in einem Taubenschlag.
Eva merkte davon nichts. Sie saß in ihrem Zimmer über der Buchführung. Davon verstand ihre Mutter wirklich nichts.
Wenn sie auf jemand Fremdes angewiesen wäre, könnte man sie schön übers Ohr hauen, dachte Eva. Hoffentlich kommt sie zurecht, wenn Cilly nicht mehr da ist. Ob es nicht überhaupt besser wäre, wenn sie das Geschäft aufgeben würde?
Sie könnte es verpachten, dachte sie weiter, und da ihr das Haus gehörte, konnte sie doch von den Mieteinnahmen recht gut leben.
Die Zeit verging schnell. Ganz erschrocken blickte sie auf die Uhr, denn fast hätte sie vergessen, das Essen auf den Herd zu stellen, das die fürsorgliche Mutter bereits vorbereitet hatte. Es gab Hühnerfrikassee mit Reis.
Kochen müßte ich eigentlich noch lernen, dachte Eva. Auf Salate verstand sie sich zwar, aber immer konnte sie ihrem Mann ja nicht nur Salat vorsetzen.
Ein seltsames Gefühl war das schon, an Heirat und an das Kind zu denken. Eigentlich hatte sie ihr Leben für die nächsten fünf Jahre ganz anders geplant gehabt. Jetzt war sie zweiundzwanzig und hatte es immerhin schon ganz hübsch weit gebracht. Vor dem Urlaub hatte Dr. Walchow ihr zu verstehen gegeben, daß sie in einigen Monaten die Auslandswerbung übernehmen könne, wenn Frau Tiedemann ausschied, die mit ihrem Mann nach Au-stralien auswandern wollte. Du liebe Güte, Dr. Walchow würde Augen machen, wenn er ihre Neuigkeiten erfuhr. Ob er dann sauer auf Bernd sein würde? Unsinn, dachte sie, Walchow doch nicht. Das war wirklich ein Chef, mit dem man reden konnte, der Verständnis und Humor besaß.
Was den Beruf angeht, werde ich mit Bernd noch ernsthaft reden müssen, ging es ihr durch den Sinn, es wäre ja purer Blödsinn, wenn ich nicht weitermachen würde.
Ihre Gedankengänge wurden unterbrochen, da nun Annelie kam. Sie war sichtlich erschöpft. So mitgenommen hatte Eva ihre Mutter noch nie gesehen.
»Heute ging es zu!« stöhnte Annelie. »Man möchte fast meinen, daß die Leute Angst haben, daß über Nacht eine Währungsreform kommt. Meinst du, daß so was noch mal möglich ist, Evi?«
»Nichts ist unmöglich, Mutti«, sagte Eva gedankenlos.
»Du machst mir Spaß. Glücklicherweise bin ich Optimistin. Und jetzt habe ich Hunger.«
»Setz dich, und laß dich bedienen«, sagte Eva fürsorglich. Doch Annelie schien keinen rechten Appetit zu haben.
»Leg dich hin, bis Bernd kommt«, schlug Eva vor.
»Ich muß die Wohnung noch in Ordnung bringen«, sagte Annelie.
»Sie ist in Ordnung, Mutti. Bernd ist nicht so pingelig, daß ihn jedes Stäubchen stört. Er weiß, daß er keine perfekte Hausfrau heiratet«, fügte sie mit einem leisen Lachen hinzu.
Auch darüber machte sich Annelie Gedanken, aber sie wollte jetzt nicht davon anfangen. Sie legte sich tatsächlich eine halbe Stunde hin.
Inzwischen hatte Eva den Kaffeetisch reizend gedeckt. Mit der Buchführung war sie auch fertig geworden. Ja, sie hatte vielerlei Talente, und solche waren von ihrem höchsten Chef, dem Dr. Walchow, schon beizeiten entdeckt worden. Sie hätte das Zeug zu einer Karrierefrau, hatte er gesagt.
Nun, dies hatte Bernd allerdings auch festgestellt, und es war auch der Grund gewesen, daß er sich privat für Eva interessierte.
Sie war nicht kokett, sie stellte ihre äußeren Vorzüge nicht zur Schau, sie hatte andere Qualitäten, die ihn mehr bestochen hatten, bis er in ihr die reizvolle Eva entdeckte, die selbst seinen kühlen Verstand verwirrte.
Und Bernd konnte es sich wundervoll vorstellen, mit ihr verheiratet zu sein, aber auch mit ihr zu arbeiten, denn sie war es eigentlich gewesen, die ihn zu größeren Taten anspornte, die seinen Ehrgeiz anstachelte, ohne daß es dazu von ihr besonderer Worte bedurfte.
*
Dr. Norden konnte sich eines geruhsamen Nachmittags erfreuen. Auch Fee ruhte sich aus, denn sie hatte den Vormittag auch mit Einkäufen verbracht. Ausnahmsweise deshalb, weil Obst und Gemüse samstags dann doch etwas billiger wurden, damit die Händler nicht darauf sitzen blieben. Fee war preisbewußter geworden, als die Preise rapide zu klettern begannen.
Sie hatte ihrem Mann stolz vorgerechnet, daß sie allein beim Spargel und dem Obst zehn Euro gespart hätte, soviel teurer wäre die Menge jedenfalls gestern gewesen.
»Und du bist geschafft«, sagte Daniel anzüglich.
»Was meinst du, wie erst Frau Trewitz geschafft sein muß«, meinte sie. »Da ist es zugegangen, als gäbe es ab Montag keine Seife und keine Waschmittel mehr. In der Zeitung stand nämlich, daß die Artikel teurer werden. Vor allem natürlich alle Kosmetiksachen, in denen Alkohol enthalten ist.«
»Und da hast du natürlich auch tüchtig zugeschlagen«, lachte er.
»I wo, ich nehme doch nicht, was Alkohol enthält. Aber man muß sagen, daß die Medien mit ihren Ankündigungen den Konsum eher ankurbeln als bremsen.«
»Das ist wohl auch der Sinn dieser Kampagnen«, meinte Daniel.
»Und wenn das Benzin auch noch so teuer wird, die Autos vermehren sich wie Katzen«, sagte Fee. »Aber zurück zu Frau Trewitz. Die Drogerie ist eine GoIdgrube. Ich verstehe nicht ganz, daß Eva dafür kein Interesse gezeigt hat. Ein schickes junges Mädchen müßte daran doch eigentlich mehr Spaß haben als an nüchterner Büroarbeit.«
»Wahrscheinlich ist ihre Arbeit nicht so nüchtern«, meinte Daniel hintergründig. »Und manchmal lernt man in solchem Betrieb auch den Mann fürs Leben kennen, während in so einem Geschäft doch meist nur Frauen einkaufen.«
»Aha, du weißt es«, sagte Fee.
»Ja, sie hat den Mann gefunden«, erwiderte er.
»Ist er nett?«
»Keine Ahnung. Ich habe ihn noch nicht kennengelernt.«
»Sie war in der Praxis?«
»Ja, mein Schatz.«
»Deine Wortkargheit