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zurückgegeben. Ich möchte so etwas nicht erleben, nicht das, was sie erlebte, und nicht das, was Mummy erlebte. Aber sie hatte dann wenigstens euch, einen wundervollen Mann und einen so liebenswerten Sohn.«

      Tim schluckte schwer, so innig sagte sie das. Ihm war die Kehle eng, und seine Augen begannen zu brennen.

      »Aber sie hat uns diese wundervolle Tochter geschenkt«, sagte er, und seine Stimme war heiser vor Zärtlichkeit. »Mein Allerliebstes, du hattest einen Schutzengel, und deshalb werde ich Anita Clement auch nicht gram sein.«

      »Sie hielt uns beide an den Händen, so hat sie es geschrieben, und das glaube ich, Tim. Conny wurde ihr entrissen. Es ist seltsam, aber manchmal glaube ich jetzt, mich an diesen Augenblick erinnern zu können.«

      »Du stellst es dir vor«, sagte er. »Es ist keine Erinnerung, Cindy. Und ich möchte auch, daß du es wieder vergißt. Diese Erinnerung soll uns nicht ein ganzes Leben begleiten.«

      »Und wenn Conny nun auch leben würde?« sagte Cindy nachdenklich.

      »Nein, sie wäre gefunden worden. Für hunderttausend Dollar wäre sie Clarissa gebracht worden als Cindy, davon bin ich überzeugt.«

      »Lorring hat man doch auch gefunden, wenn auch erst Jahre später«, sagte Cindy leise. »Warum nicht auch das Kind?«

      »Darauf werden wir wohl niemals eine Antwort bekommen«, sagte Tim. »Aber vorhin hast du Mummy gesagt, das macht mich froh. Den morgigen Tag werden wir auch noch überstehen, und dann denken wir nur noch an die Gegenwart und ein bißchen auch schon an die Zukunft, Cindy.«

      Sie hielten sich umschlungen, sie küßten sich, und zu dieser Stunde wurde auch Clarissa von ihrem Mann umarmt und geküßt.

      Anne war von Fee schon telefonisch informiert und hatte deshalb Clarissa ganz in Ruhe gelassen. Sie sorgte auch dafür, daß niemand dieses Wiedersehen störte und ging zu ihrem Mann.

      »Bob ist schon da«, sagte sie.

      »Das wird gut sein. Länger hättest du doch nicht schweigen können«, meinte er neckend.

      »Ich hätte es nicht mehr mit ansehen können, wie sie herumlief, so rastlos«, sagte Anne. »So kenne ich Clarissa nicht.«

      »Aber erinnere dich, Anne, wir haben oft gedacht, daß Clarissa etwas mit sich herumträgt, was sie noch nicht verkraftet hat.«

      »Nun wissen wir, was es war«, sagte Anne, »und sie wird nun bald wissen, daß sie ihre Cindy wiederbekommt.«

      Ihre Stimme versagte. Johannes Cornelius legte seinen Arm um sie. »Deshalb brauchst du doch nicht zu weinen, Liebes«, sagte er weich

      »Da muß man doch weinen, Hannes. Stell dir das mal vor, nach sechzehn Jahren bekommt sie ihr Kind zurück. Was das für eine Mutter bedeutet!«

      »Freuen wir uns darüber, liebste Anne«, sagte er. »Und denken wir auch ein wenig daran, wieviel Eltern nach diesem unseligen Krieg ihre Kinder suchten, wieviel Kinder bei fremden Menschen aufwuchsen und doch lebenstüchtig wurden, und wie glücklich einige sein durften, als sie sich wiederfanden. Es gibt so viele solcher Schicksale, mögen sie auch unter anderen Umständen zum Unglück und doch zum Glück geworden sein.«

      Clarissa begriff zuerst gar nichts. Allerdings begann Robert auch sehr, sehr vorsichtig zu erzählen von dem Mädchen, das Tim kennenlernte, in das er sich verliebte.

      »Sie hat die gleiche Augenfarbe wie du, mein Liebes.«

      »Ja, und, hast du sie kennengelernt? Warum hat Tim mir noch nichts berichtet?«

      Einfach war es nicht für Robert, ihre verständliche Neugierde sofort zu stillen. Clarissa hörte ihm gar nicht richtig zu. »Wie heißt sie?« fragte sie hastig.

      »Ja, das ist es, Darling«, erwiderte er stockend. »Sie heißt Cindy.«

      »Sie heißt Cindy«, wiederholte Clarissa atemlos.

      »Und es ist Cindy«, murmelte er.

      Clarissa stieß einen leisen Schrei aus. Sie schwankte, aber schon hielt er sie in seinen Armen.

      »Lache, weine, freue dich, Clarissa, Tim blieb es vorbehalten, Cindy zu finden.«

      Sie schluchzte und lachte und klammerte sich bebend an ihn. »Warum hast du sie nicht mitgebracht? Was ist da noch?« fragte sie.

      Nun konnte er alles erzählen. Ab und zu stöhnte Clarissa leise auf oder murmelte »mein Gott«, aber sonst sagte sie nichts. Erst später, nach einem langen, gedankenvollen Schweigen, murmelte sie: »Wie konnte sie das tun?«, und doch fügte sie gleich hinzu: »Vielleicht hätte ich auch so gehandelt in dieser Situation. Ich kann nicht beurteilen, was man empfindet, wenn man von einem solchen Schicksalsschlag getroffen wird, sozusagen aus heiterem Himmel. – Laß uns nach München fahren, Bob.«

      »Warum?«

      »Du sagtest doch, daß Anita Clement morgen beerdigt wird. Cindy wird ihr diese letzte Ehre erweisen und ich möchte das auch tun. Sie hat für mein Kind gesorgt. Cindy lebt und sie wurde geliebt. Irgendwie schulde ich dieser Frau doch Dank.«

      »Du und deine Tochter, wie ähnlich ihr euch seid«, sagte er nachdenklich.

      »Ich bin dankbar«, flüsterte Clarissa. »Unendlich dankbar, daß ich nun nicht mehr zu denken brauche, was dem Kind widerfahren ist, und was ich hätte verhindern können.«

      »Hatte Lorring dich um ein Treffen in St. Moritz gebeten?« fragte Robert vorsichtig.

      »Um ein Treffen? Nein, wie kommst du darauf?«

      Er zeigte ihr den Brief. Bestürzung zeigte sich in ihrem Mienenspiel.

      »Ich wäre doch gefahren«, flüsterte sie. »Ich hätte jede Chance wahrgenommen, um Cindy zurückzuholen. Auch mit dieser fieberhaften Allergie wäre ich gefahren. Sollte mir jemand diese Nachricht vorenthalten haben, wenn er sie tatsächlich hinterlassen oder geschickt hat? Vater vielleicht? Aber das werde ich wohl nie erfahren. Es ist seltsam, daß Pieter sich diesem Franco Clement anvertraute.«

      »Es ist alles seltsam, Clarissa«, sagte Robert sinnend. »Clement muß ein kluger, besonnener Mann gewesen sein.«

      »Ein glücklicher Ehemann und Vater«, meinte Clarissa. »Um so verständlicher ist es, daß für Anita Clement eine Welt zusammenbrach, als sie ihn und ihr Kind verlor. Und mein Vater? Ob er nach St. Moritz fuhr, um mit Pieter zu sprechen? Es kann sein. Aber es ist nutzlos, darüber nachzudenken. Vater war unversöhnlich. Und ich war doch schuld an allem, weil ich so töricht war, Pieter zu heiraten. Wie kannst du mich lieben, Bob, das muß ich mich fragen.«

      »Weil du kein törichtes kleines Mädchen mehr warst, als ich dich kennenlernte«, erwiderte er zärtlich. »Frage jetzt bitte nicht auch noch, ob ich es nie bereut hätte, dich zu heiraten. Du weißt doch genau, wie sehr ich dich liebe.«

      »Du bist so voller Güte und Verständnis. Bitte, laß uns nach München fahren.«

      »Morgen früh«, erwiderte er. »Es ist Zeit genug.«

      *

      »Ich will froh sein, wenn auch dieser Tag vorüber ist«, sagte Fee beim Frühstück zu ihrem Mann. »Hat eigentlich eine Obduktion stattgefunden?«

      »Die war doch nicht mehr nötig«, erwiderte er. »Es war die Parkinsonsche Krankheit, Fee.«

      »Red nicht schon am Morgen über Krankheit, Papi«, sagte Danny, der sich zum Schulgang rüsten mußte. »Da schmeckt es einem ja gar nicht.« Dabei kaute er aber unverdrießlich. Er entwickelte einen sehr gesunden Appetit.

      »Entschuldige, mein Sohn«, sagte Daniel schmunzelnd.

      »Aber du könntest mal in die Schule kommen, Mami. Unsere Lehrerin ist bestimmt auch krank. Sie muß sich manchmal festhalten, wenn sie steht, und dann wird sie ganz blaß. Und dann schluckt sie auch so, als ob es ihr schlecht ist.«

      Daniel sah seinen Sohn etwas nachdenklich an. »Du hast eine gute Beobachtungsgabe«, stellte er fest. »Ist das