Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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bist wenigstens ein richtiger Mann.«

      Das war kein Anpasser, kein Jasager aus Egoismus, das war ein richtiger Junge, wie Karl Friedrich Wellinger sich einen Sohn gewünscht hätte, und er wußte, daß es Georgia zu verdanken war, daß Chris so geworden war.

      »Wir werden uns bestimmt gut verstehen«, sagte er. »Wann gibt es Zeugnisse?«

      »Nächste Woche schon«, erwiderte Chris. »Aber es hapert nur mit Latein. Und außerdem bin ich kein Streber.«

      »Aber seine Zeugnisse waren immer gut«, warf Georgia ein.

      »Dann wird es wohl auch in München nicht viel schlechter werden«. meinte Karl Friedrich. »Wir wollen dich dann nämlich gleich abholen, Chris.«

      »Aber heiraten dürft ihr vorher nicht. Da will ich dabei sein«, erklärte der Junge.

      »Das ist doch Ehrensache«, sagte der Mann. »Ich begleite Georgia jetzt nach Paris, und auf dem Rückweg holen wir dich ab. Einverstanden?«

      »Toll, aber später möchte ich auch mal nach Paris«, sagte Chris. »Wenn es euch auch Spaß macht«, fügte er aber rasch hinzu.

      »Es wird sich alles finden, Chris«, sagte Georgia. »Es gibt schönere Plätze als die Großstädte. Du lernst erst mal München richtig kennen.«

      »Der Tierpark soll toll sein«, sagte Chris. »Das hat mir schon ein Schulfreund erzählt.« Dann zwinkerte er Karl Friedrich zu. »Gehn wir auch mal ins Olympiastadion zu einem Fußballspiel?«

      »Meinetwegen auch das.«

      »Und wie soll ich zu dir sagen?« fragte Chris.

      »Das kannst du dir aussuchen.«

      »Dann sage ich Paps, das klingt nicht so kindisch, okay?«

      »Okay«, erwiderte Karl Friedrich Wellinger.

      »Bist du zufrieden, Frieder?« fragte Georgia, als sie weiterfuhren.

      »Mehr als das«, erwiderte er gedankenverloren. »Mein Leben hat doch noch einen Sinn. »Wenn ich ihn adoptiere, wird er auch Wellinger heißen. Er bräuchte nicht zu erfahren, daß sein Vater so mies ist.«

      »Er soll es erfahren, Frieder. Er soll unterscheiden lernen zwischen gut und böse. Er wird es verkraften, wenn er dich als Vorbild hat. Er soll ein ganzer Mann werden, wie du.«

      »Du wirst alles richtig machen«, sagte er und drückte schnell ihre Hand.

      *

      Für Christoph Wellinger hatte Paris allen Reiz verloren. Claudine war verreist, Anik zeigte ihm die kalte Schulter. Sie war seit drei Wochen verlobt und hatte ihm sarkastisch zu verstehen gegeben, daß es verläßlichere Männer gäbe als ihn. Und er litt unter der Zwangsvorstellung, daß Georgia seinem Vater auch noch andere Beweise seiner unrühmlichen Vergangenheit präsentieren könne. Er sah abwechselnd die schemenhaften Gestalten zweier blonder Mädchen, und das artete zum Verfolgungswahn aus.

      Jetzt dachte er nicht mehr daran, an Georgia Rache zu nehmen. Er wollte ihr entfliehen, so weit wie nur möglich. Er wollte an nichts mehr erinnert werden.

      Weg von Paris, war sein einziger Gedanke, als er seinen Koffer in den Wagen warf und Richtung Süden fuhr. Die Cote d’ Azur, vielleicht Monte Carlo, ja da konnte er sich auf andere Gedanken bringen, und wenn er jetzt schon kein Glück in der Liebe hatte, hatte er es vielleicht im Spiel.

      Er raste die Autobahn entlang, ein Geschwindigkeitsrausch erfaßte ihn. Da brauchte er nicht zu denken, da brauchte er nur das Gaspedal niederzudrücken. Der Wagen gehorchte ihm, den beherrschte er, der muckte nicht auf. Wirklich nicht? Was waren das für Geräusche, die selbst die laute Radiomusik übertönten, diese Stimmen, die in seinen Ohren dröhnten. Du Lump, du widerlicher Lump, rühr mich nicht an, wage es nicht.

      »Hört auf, hört endlich auf!« schrie Christoph, aber dann war es ihm, als wären vor ihm unzählige blonde Mädchen, die einen wilden Reigen vollführten. Zu spät wurde ihm bewußt, daß ein gelber Wagen einen silberfarbenen überholte. Er wollte noch an dem gelben vorbei, aber er verlor die Gewalt über den Wagen und mit irrsinniger Geschwindigkeit prallte er gegen die Begrenzungsplanke. Das Krachen vernahm er schon gar nicht mehr.

      Ein bewußtloser Mann hing über dem Steuer des gelben Wagens, eine völlig benommene junge Frau kletterte aus dem demolierten silberfarbenen. Kinder schrien und auf der Autobahn herrschte das totale Chaos.

      Viele harte Flüche wurden dem toten Christoph Wellinger in die Ewigkeit nachgeschickt. Viele Tränen waren seinetwegen geweint worden, Blut und Tränen hinterließ er bei seinem Tod.

      *

      Karl Friedrich Wellinger wußte, in welchem Hotel Christoph abstieg, wenn er in Paris war, und er rief dort an, um sich zu erkundigen, ob er dort sei. Er erfuhr, daß er mittags abgereist wäre.

      »Er hat gewaltigen Respekt vor dir, Georgia«, sagte er sarkastisch. »Er ist nicht in Paris geblieben.«

      »Vielleicht ist er in ein anderes Hotel umgezogen«, meinte sie skeptisch.

      »Nein, ich kenne ihn. Nur das Teuerste ist gut genug für ihn. Er war hier. Er ist erst heute abgereist. Er wußte, daß du heute hier eintreffen würdest. Ich denke, daß er sich dafür entschlossen hat, nicht alles aufs Spiel zu setzen und sich nun doch mit dem zu begnügen, was ich ihm angeboten habe. Auf Geld verzichtet er schwerer als auf Frauen. Und er weiß. daß ich nicht mit mir spaßen lasse.«

      Georgia überlegte. »Vielleicht ist er nach Paris gekommen, um Pierre Montand zu sprechen«, sagte sie nachdenklich. »Das werde ich bald in Erfahrung bringen. Willst du mit ihm sprechen, Frieder?«

      Zuerst schüttelte er den Kopf, aber dann sagte er: »Warum eigentlich nicht, wenn er dazu bereit ist?«

      »Ich werde das arrangieren«, sagte Georgia. »Wahrscheinlich werde ich ihn auf der Probe treffen. Man beschäftigt ihn noch. Seine gute Zeit ist vorbei, und er hat Familie.«

      »Er tut dir also leid!«

      »In gewisser Weise schon. Ich habe da etwas heraufbeschworen, was er vergessen glaubte.«

      Und weit entfernt von Hans im Kinderheim Tannenhof, gab es auch einen Menschen, in dem Erinnerungen wach wurden, die lange Jahre verdrängt worden waren.

      Annabel Frank wanderte zu abendlicher Stunde, als die Kinder nun alle schliefen, durch den Park und versuchte, ihre innere Ruhe wiederzufinden. Toby hatte so viel in ihr geweckt, was sie verdrängt hatte. Seine Anhänglichkeit, seine immer wiederkehrende Bitte, doch zu ihnen zu kommen, hatte sie in einen tiefen Zwiespalt gestürzt.

      Ihr Blick wanderte zum Sternenhimmel empor, als könne ihr von dort Hilfe kommen. Aber zu lange schon hatte sie sich von Gott verlassen gefühlt, als daß sie noch Hoffnung haben konnte. Doch plötzlich war es ihr, als würde eine Last von ihr genommen, die sie mit sich herumgeschleppt hatte. Auf eine unerklärliche Welse fühlte sie sich befreit, aber erst viel später sollte sie erfahren, warum dies geschah, an diesem Tag und zu dieser Stunde.

      *

      Georgia war zur Verständigungsprobe gefahren. Sie hatte Karl Friedrich überreden konnen, im Hotel zu bleiben und sich auszuruhen.

      »Ich fahre mit dem Taxi hin und komme so auch wieder zurück. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, Frieder«, hatte sie gesagt. Es ist besser, wenn Montand dich nicht gleich sieht. Laß mich erst mit ihm reden. Wenn er einverstanden ist, bringe ich ihn nachher mit.«

      Er überließ es ihr gern, die Entscheidungen zu treffen. Alles, was sie tat, war wohlüberlegt und doch mit vom Gefühl bestimmt. Für ihn war diese Frau ein Wunder, ihr Mut, ihre Intelligenz, ihre Herzenswärme und die Zielstrebigkeit, etwas Begonnenes auch zu Ende zu führen, forderte Respekt, eine Hochachtung, wie er sie nie für eine Frau vorher empfunden hatte.

      Und nicht nur sie, auch Chris, dieser frische Junge, würden fortan Freude in sein bisher so freudloses Leben bringen So alt hatte er werden müssen, um nun sogar träumen zu können. Er schaltete das Radio ein. Ein Kammerorchester spielte. Auch