es Georgia schon beweisen, daß er sich nicht schocken ließ. Er war ein Wellinger! Irgendwie war es ihm doch bewußt, daß es der Name war, der ihm alle Türen geöffnet hatte, der ihm überall Kredit einräumte.
An Isabel und die anderen Mädchen, denen er seinen richtigen Namen nicht gesagt hatte, wollte er nicht denken. Diese törichten Mädchen, die ihn mit Haut und Haaren haben wollten, hatte er schnell aus seinem Gedächtnis verbannt. Aber doch nicht so ganz, wie ihm nun bewußt wurde. Schattenhaft zogen doch ein paar Gesichter an ihm vorbei. Aber beweisen sollte man es ihm erst einmal, daß er der Vater dieses oder jenes Kindes sei.
Glühender Haß auf Georgia und auf seinen Vater brannte in ihm. Aber sie sollten es noch bereuen, ihn so abschieben, ihn so ausschalten zu wollen.
Dann war er in Paris, und eine andere Erinnerung erwachte in ihm, die ihn plötzlich in schlimme Beklemmungen brachte. Elf Jahre war es her. Er war einundzwanzig geworden und hatte diesen Tag mit ein paar Freunden in Paris gefeiert. Und da hatte ihm ein Mädchen gefallen, das gar nichts von ihm wissen wollte.
Unbewußt machte er eine abwehrende Handbewegung. Warum sollte er darüber jetzt noch nachdenken. Er hatte andere Sorgen. Für ihn stand ein reiches Erbe auf dem Spiel. Er mußte diesen Pierre Montand sprechen, und der mußte den Eid darauf leisten. daß er keine intimen Beziehungen zu seiner Mutter gehabt hatte.
Es war zu spät geworden, um zu dem Vorort zu fahren, in dem Pierre Montand wohnte. Christoph Wellinger suchte das Hotel auf, in dem er schon öfter gewohnt hatte. Auch damals vor elf Jahren. Ein Nobel-Hotel, das seine Preise hatte, aber Geld hatte er ja noch genug, und er war überzeugt, daß sein Vater ihn nicht fallen lassen würde. Bestimmt nicht dann, wenn er ihm den Beweis brachte, daß Georgia log.
Der alte Narr hatte sich von Georgia einfangen lassen. Ihr war jedes Mittel recht, an das ganz große Geld zu kommen. Immer mehr steigerte er sich in solche Gedanken hinein.
Nachdem er zwei Whisky getrunken hatte. Doppelte und pur, griff er zum Telefon Pierre Montands Nummer hatte er bereits in München bekommen und notiert.
Eine helle Stimme sagte »Hallo«. Christoph schluckte.
»Monsieur Montand, bitte.«
Eme undeutliche Antwort kam. Anscheinend war ein Kind am Telefon. Dann aber tönte eine Männerstimme an Christophs Ohr.
Als Christoph seinen Namen nannte, vernahm er einen keuchenden Atemzug.
»Ich muß Sie sprechen. Monsieur Montand, wann kann ich Sie morgen aufsuchen«, fragte er hastig.
»Bitte nicht. Sagen Sie, wo ich Sie treffen kann. Bitte. Ich bin morgen in der Stadt.«
»Gut. Kommen Sie ins Hotel. Gegen zwölf Uhr.« Ein höhnisches Lächeln verzerrte Christophs Gesicht, als Montand sich mit zittriger Stimme bedankte.
Er war überzeugt, mit diesem Mann leichtes Spiel zu haben. Er hatte Familie. Er war in Panik versetzt.
Christoph genehmigte sich noch einen Whisky und ging dann zu Bett. Er schlief bis in den hellen Vormittag hinein. Um den Schlaf hatte ihn bisher noch nichts bringen können. Er ließ sich das Frühstück bringen. nachdem er geduscht hatte und stellte dann fast, daß seine Armbanduhr stehengeblieben war. Da wurde ihm auch schon telefonisch der Besuch von Monsieur Montand angekündigt. Christoph aß weiter, aber ihm blieb dann der Bissen im Halse stecken, als Pierre Montand das Zimmer betrat, denn er sah sein wohl doppelt so altes Ebenbild. Er verschluckte sich, mußte husten, und vielleicht gab diese Tatsache Pierre Montand etwas mehr Sicherheit, obgleich auch er den Jüngeren mit schrekkensweiten Augen anblickte.
»Wir hätten uns besser an einem neutralen Ort treffen sollen«, sagte er rauh, nachdem sich Christophs Husten legte und er mit blaurotem Gesicht noch nach Luft rang.
Christoph war völlig sprachlos, ja, er stand unter einem schweren Schock.
»Das habe ich nicht geahnt«, brachte er endlich mühsam über die blassen Lippen.
»Es tut mir leid, für Sie und auch für mich«, sagte Pierre Montand leise. »Ich habe Familie. Ich bin glücklich verheiratet. Ich ahnte nicht, daß es nach diesen vielen Jahren noch bekannt werden würde. Frau Stafford versprach mir, daß es nicht publik werden würde. Sie hat mir nicht einmal gesagt, welches Interesse sie an dieser alten Affäre hat. Sie hat mich angesehen und gesagt: Es genügt. Das war alles. Und jetzt weiß ich, warum sie es sagte. Wir sollten uns nebeneinander vor einen Spiegel stellen.«
Christoph kniff die Augen zusammen. »Nein, danke, mir genügt es auch«, sagte er gereizt. »Ich werde dafür gestraft, ich bin das unschuldige Opfer.«
»Mußt du so mit mir sprechen?« fragte Montand leise. »Hattest du dir nie etwas vorzuwerfen?«
»Gehen Sie«, sagte Christoph heiser, »gehen Sie mir aus den Augen. Sie haben kein Recht, mir etwas vorzuwerfen.«
»Ich wollte Vera heiraten«, sagte Montand leise. »Aber das wollte sie nicht. Ich hätte ihr nicht das bieten können, was sie gewöhnt war.«
Christoph hielt sich die Ohren zu. »Ich will das nicht hören. Ich will nichts mehr hören.. Wären Sie doch auch tot, dann wäre es niemals bekannt geworden.«
Montand starrte ihn blicklos an. »Adieu«, sagte er leise. »Ich wäre auch froh, wenn wir uns nie begegnet wären, wenn die Vergangenheit mich nicht eingeholt hätte. Ich hoffe, daß Sie nicht auch so sehr für einen Fehler bezahlen müssen wie ich.«
»Ich verliere mehr als Sie«, sagte Christoph schrilI, und dann deutete er auf die Tür. Er wußte, daß er auch diese Runde verloren hatte.
Pierre Montand zeigte jetzt Haltung, ja sogar Würde. »Ich hätte gern gesagt, daß ich nicht Ihr Vater bin«, sagte er tonlos, »aber leider spricht die Ähnlichkeit eine deutliche Sprache. Ich bedauere das zutiefst.«
Dann schloß sich die Tür hinter ihm, bevor Christoph noch etwas sagen konnte.
Und nun hatte die Erinnerung auch ihn eingeholt, sogar doppelt und dreifach. Er wurde von innerer Unruhe getrieben. Um sich abzulenken, beschloß er einen Stadtbummel zu machen und nach ein paar alten Bekannten Ausschau zu halten, weiblichen Bekannten natürlich.
Als er das Hotel verließ, saß an der Reception ein junges blondes Mädchen, und da war wieder die Vision. Auch vor elf Jahren hatte da ein junges blondes Mädchen gesessen. Ein bildhübsches Mädchen. Er hatte seinen ganzen Charme aufgewendet, um sie zu einem Rendezvous zu überreden, aber sie hatte nur den Kopf geschüttelt. Und dann war der Abend gekommen, oder besser die Nacht, in der er sie im Lift traf.
Das Mädchen, das jetzt an der Reception saß, wurde gerade abgelöst.
Anmutig schritt sie an ihm vorbei, warf ihm einen kurzen Blick zu und ging schnell hinaus. Er folgte ihr. »Hallo«, sagte er. Sie wandte kurz den Kopf und maß ihn mit einem spöttischen Blick. Dann ging sie weiter, und schon kam ein breitschultriger junger Mann auf sie zu, ein sehr sportlicher Typ. Er küßte das Mädchen, sie sagte etwas zu ihm, und dann traf Christoph ein funkelnder Blick. Er zog es vor, schnell ein Taxi zu besteigen, das gerade am Straßenrand hielt. Christoph ließ sich zu den Champs Elysees bringen. Dort bummelte er ziellos herum, bis sein Blick dann auf das Plakat fiel, das das Gastspiel von Georgia Stafford ankündigte. In drei Tagen würde sie hier sein. Seine Augen wurden ganz eng. Nun, er würde bleiben, und sie würde ein Zusammentreffen nicht verhindern können. Langweilen würde er sich bis dahin bestimmt nicht.
Aber es war seltsam, überall, wohin er auch ging, sah er blonde grazile Mädchen, und immer wieder meinte er ein ganz bestimmtes zu sehen, in dessen Augen tödliche Verachtung brannte. Und damals, vor elf Jahren, hatte er zum ersten Mal aus einem schönen Mund die Worte gehört: Sie Lump, widerwärtiger Lump. Und nun verfolgten ihn diese Worte auf Schritt und Tritt und flößten ihm eine Angst ein, der er nicht Herr werden konnte.
*
»Ich werde dich nach Paris begleiten, Georgia«, sagte Karl Friedrich Wellinger.
»Du kannst doch nicht weg, Frieder«, erwiderte sie nachsichtig.
»Warum denn nicht? Es