Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


Скачать книгу

in die es sich lohnt, sich richtig reinzuhängen, Annabel«, sagte Mutter Hedwig. »Schau dir die Unterlagen an. Auf die kleine Kathrin müssen wir besonders achtgeben.

      Der Name Wellinger darf hier nicht fallen.«

      »Wellinger?« wiederholte Annabel tonlos.

      »Frau von Tammen war zuerst mit einem Christoph Wellinger verheiratet. Kathrin stammt aus dieser Ehe. Der Mann war so ein Playboy. Jetzt hat sie einen ordentlichen Mann, aber der Vater von Kathrin, dieser Wellinger, läßt das arme Kind nicht in Ruhe. Ich muß dich einweihen. Wenn der hier aufkreuzen sollte, weiß niemand was von einer Kathrin Wellinger. Bei Tobias sind die Verhältnisse klarer. Der Vater ist verwitwet. Er liebt den Jungen über alles, muß beruflich aber nach Ägypten. Dr. Stahl und Herr Baron von Tammen sind Freunde. Die Kinder kennen sich. Frau von Tammen ist sehr großzügig. So hat sich hier noch niemand gezeigt: Ich möchte, daß du dich dieser beiden Kinder besonders annimmst, Annabel.«

      »Die andern sechs brauchen auch Hilfe«, sagte Annabel.

      »Ja, gewiß. Du machst das schon. Aber durch Frau von Tammens Großzügigkeit können wir dann auch ein paar Kinder nehmen, die arme Eltern haben. Das haben wir uns doch immer gewünscht, du und ich, Annabel.«

      »Ja, Mutter Hedwig«, sagte Annabel leise.

      »Auf dich kann ich mich verlassen«, sagte die Ältere. »Die andern haben ja immer noch Träume. Warum sprichst du dich nicht mal aus, mein Kind?«

      »Ich fühle mich hier sehr wohl«, erwiderte Annabel ausweichend.

      »Ich möchte dich auch nicht missen. Andererseits aber würde ich dir schon ein privates Glück wünschen, Annabel. Du hättest es wahrhaft verdient.«

      Annabel blickte sie aus traurigen Augen an. »Ich habe ein Glück verschenkt, Mutter Hedwig. Das ist mir zu spät bewußt geworden. Ich möchte darüber nicht sprechen«, fügte sie rasch hinzu.

      *

      Schneller als gedacht lebten sich die beiden Kinder auf dem Tannenhof ein. Mit dem stillen, verschlossenen Jan freundete sich Tobias rasch an. Die lebhafte Nadine gab es bald auf, Kathrin herumzukommandieren, als sie merkte, daß diese auch eigensinnig sein konnte, und so paßten sie sich einander an. Annabel kam mit ihrer Gruppe sehr gut zurecht, aber Mutter Hedwig blieb es nicht verborgen, daß sie zu Tobias eine ganz besondere Zuneigung gefaßt hatte, und der Junge zu ihr. Wann immer sich ihm die Gelegenheit bot, mal ein paar Minuten mit Annabel allein zu sein, nützte er es aus. Das fiel allerdings nur Jan auf.

      »Du magst Tante Anabell wohl mächtig gern?« fragte er. »Meine Mami war auch so lieb.« Gleich füllten sich seine Augen mit Tränen, doch er schluckte sie hinunter und fuhr leise fort: »Vielleicht darf mich Maxi holen, wenn alles geregelt ist.«

      »Wer ist Maxi?« fragte Toby.

      »Mamis Schwester. Maximiliane heißt sie. Aber sie muß erst einen Mann haben.«

      Mehr darüber zu sagen, war er vorerst nicht bereit, und Toby fragte nicht. Er ließ sich auch nicht gern ausfragen.

      Toby sollte Maxi allerdings bald kennenlernen. Sie kam Jan besuchen. Sie war jung und hübsch, aber man sah ihr an, daß sie viel Kummer gehabt hatte.

      »Kommst du mich jetzt holen, Maxi?« fragte Jan.

      »Nein, es geht leider noch nicht«, erwiderte sie bekümmert. »Aber ich werde mir hier in der Nähe eine Stellung suchen, damit ich dich öfter besuchen kann, Jan.«

      »Frag doch mal Mutter Hedwig«, meinte er. »Sie kennt viele Leute.«

      Mutter Hedwig kannte Maximilianes Kummer. Ihre Verlobung war in die Brüche gegangen, weil sie darauf bestanden hatte, Jan zu sich zu nehmen. Sie wollte nun auch weg aus Nürnberg, da sie im gleichen Betrieb wie ihr ehemaliger Verlobter beschäftigt war. Und Mutter Hedwig konnte auch gleich einen Vorschlag machen.

      »Wir könnten schon eine tüchtige Bürokraft brauchen«, sagte sie. »Annabel macht das nebenbei, aber es wird ein bißchen viel für sie. Wenn Sie sich entschließen könnten, unser Landleben zu teilen, Fräulein Greiter, könnten Sie gern hier anfangen.«

      »Das wäre wunderbar«, sagte Max leise.

      »Wann könnten Sie anfangen?«

      »Wenn ich gleich kündige, zum nächsten Ersten.«

      »Fein, dann freue ich mich.«

      »Und ich erst«, sagte Maxi. »Ich kann bei Jan sein. Ich habe doch nur noch ihn.«

      Vielerlei Schicksale erfuhr Mutter Hedwig, und sie war immer von Herzen froh, wenn sie helfen konnte. Und auch Jan strahlte. Noch nie hatte sie diese Augen so leuchten sehen.

      »Dann bist du da, wenn Toby wieder weggehen muß«, sagte er. »Er ist nämlich ein richtiger Freund. Aber wenn du da bist, bin ich nicht so traurig, wenn sein Papi ihn wiederholt.«

      Auch Annabel freute sich, denn Maxi war ihr sehr sympathisch. »Wir werden uns bestimmt gut verstehen«, sagte sie.

      »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte Maxi. »Hoffentlich bleiben Sie recht lange hier, Annabel.«

      »Ganz bestimmt«, erwiderte Annabel überzeugt und nicht ahnend, daß es dann doch ganz anders kommen sollte.

      *

      Für Jochen Stahl war die erste Woche seines Aufenthaltes in Ägypten auch schnell vergangen. Sehr viel Arbeit hielt ihn in Atem. Ganz so hatte es sich Linda Krauss nicht vorgestellt. Nur die Mahlzeiten nahmen sie gemeinsam ein. Von einem Ausflug oder gar einem abendlichen Beisammensein war nicht die Rede. Zu ihrem Unwillen war Jochen hier doch bedeutend zurückhaltender als daheim.

      Gelöster wirkte er nur, als der erste Brief vom Tannenhof eintraf. Einen kurzen Bericht von Annabel enthielt er, in dem sie ihm mitteilte, daß Toby sich sehr rasch eingelebt hätte und daß es ihm gesundheitlich sehr gut gehe. Er hätte schon ein Kilo zugenommen. Mehr hatte sie nicht geschrieben, aber Toby hatte dafür einen zwei Seiten langen Bericht niedergeschrieben, dem er mehr entnehmen konnte.

      Mein lieber Papi, hier ist es viel schöner, als ich dachte. Tante Annabel ist sehr lieb. Jan ist mein Freund. Wir streiten nie. Kathrin verträgt sich auch mit Nadine recht gut, und überhaupt sind die Kinder in unserer Gruppe nett. Aber Tante Annabel versteht es auch sehr gut, viel besser, als die anderen Tanten. Sie ist sehr gescheit und schimpft nie. Oft denke ich, daß es sehr schön wäre, wenn sie unsere Hausdame wäre. Sie ist nämlich wirklich eine Dame, wie Tante Martina. Ich würde sie sehr gern fragen, ob sie nicht zu uns kommen machte, aber ich traue mich nicht. Mutter Hedwig hat Annabel nämlich auch sehr gern. Wie geht es Dir? Hast Du viel Arbeit? Ich warte schon sehr auf einen Brief, aber Du bist ja erst ein paar Tage weg, und Annabel sagt, so schnell geht die Post nicht, auch nicht per Luftpost. Ägypten ist schon ziemlich weit. Annabel erzählt mir viel davon. Sie war nämlich schon mal da und hat die Pyramiden besucht. Sie hat mir auch schöne Bücher gezeigt mit Fotografien. Wenn Du wieder zu Hause bist, können wir sie doch wenigstens mal einladen. Bitte, lieber Papi. Ich vermisse Dich sehr, aber es wäre viel schlimmer, wenn ich Annabel nicht hätte.

      Annabel, Annabel und immer wieder Annabel! Jochen hatte gedacht, Toby würde viel mehr von Kathrin schreiben.

      Seltsamerweise konnte er sich auch sehr genau an diese Annabel erinnern. Doch jetzt wurde er von Linda aus den Gedanken gerissen.

      »Na, was hört man vom Sohn?« fragte sie forsch.

      »Es geht ihm gut. Er fühlt sich wohl.«

      »Also kein Grund, sich Gedanken zu machen«, sagte sie mit einem ironischen Unterton, der ihn störte. »Könnten wir nicht auch mal ein bißchen Freizeit genießen?«

      Er blickte auf. »Genießen Sie doch«, sagte er, ebenfalls ironisch.

      Ihre Augen verengten sich. »Ich habe es mir schon ein bißchen anders vorgestellt«, sagte sie.

      »Wie anders?« fragte er.

      »Sie sind ein seltsamer Heiliger«, stellte sie sarkastisch fest. »Beruf und Sohn, was anderes