Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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wurde Mutter Hedwig angerufen.

      »Wir sind zwar voll belegt«, sagte sie, »aber Ihnen kann ich ja keinen Wunsch abschlagen. Irgendwie werden wir auch das Kind unterbringen.«

      »Und bitte unter dem Namen von Tammen«, sagte Dr. Norden.

      »Ich werde mich noch mit der Mutter unterhalten«, erklärte Mutter Hedwig.

      Martinas Gesicht hellte sich auf, als er ihr diese gute Nachricht weitergeben konnte.

      »Wäre ich doch nur früher zu Ihnen gekommen«, sagte sie. »Aber für Kathrin hatte ich immer den Kinderarzt Dr. Bertram.«

      »Der ein ausgezeichneter Arzt ist«, warf Daniel ein.

      »Ja, gewiß, aber bezüglich der jetzigen Situation ist er stark beeinflußt von Christoph Wellinger. Sie sind im gleichen Tennisclub, und unter anderen Menschen ist er eben der Sonnyboy. Da ich so bald wieder geheiratet habe, schiebt man mir natürlich alle Schuld zu, und Christoph posaunt auch überall herum, daß er mir großzügigerweise die Freiheit geschenkt hat. Sehen Sie, Herr Dr. Norden, ich bin eine Frau, die einen Halt braucht. Ich bin so erzogen und kann aus meiner Haut nicht heraus. Und es steht auch ein beträchtliches Vermögen auf dem Spiel. Von geschäftlichen Dingen verstehe ich leider gar nichts. Mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben, meine Mutter ist ständig auf Reisen. Ich bin so froh, in Jobst einen zuverlässigen Partner gefunden zu haben. Sie brauchen nicht skeptisch zu schauen. Er hatte keine finanziellen Interessen.«

      Ein bißchen Menschenkenntnis besaß sie also doch. Er hatte tatsächlich skeptisch geschaut, und nun wurde er deshalb verlegen.

      »Ich hoffe, daß für Sie auch alles gut wird, gnädige Frau«, sagte er. »Kathrin ist bestimmt gut untergebracht. Und wenn Sie ein ärztliches Zeugnis für das Gericht brauchen, bin ich gern dazu bereit, es zu erstellen. Das Wohl des Kindes muß voran stehen.«

      Am nächsten Morgen ging die kurze Reise los. Es waren ja nur knapp zwei Stunden Fahrt bis zum Kindererholungsheim Tannenhof. Sie saßen in einem Wagen, die beiden Väter vorn, Martina mit den Kindern hinten. Kathrin freute sich unheimlich, sechs Wochen mit Toby beisammen sein zu dürfen. Und sie brauchte den Vater nicht zu sehen. Für sie war ja Jobst der Papi, und ihn hatte sie lieb. So verstand sie schon gar nicht, daß sie auch zu Christoph noch Papa sagen sollte. Und er ermahnte sie immer wieder dazu.

      In Tobys Kinderseele sah es ein wenig anders aus. Er liebte seinen Papi heiß und innig, und er hatte immer Angst, daß es doch mal eine Frau geben könnte, die dann für immer zu ihnen kommen würde. Daß sie dann zwischen ihnen stehen würde, stand für Toby fest.

      Die Trennung von Jochen tat ihm weh, aber er war doch schon so vernünftig einzusehen, daß Jochen einen verantwortungsvollen Posten bekleidete, dem sie schließlich auch ein gutes Leben zu verdanken hatten.

      Er unterdrückte tapfer seinen Kummer, und daß Kathrin bei ihm sein konnte, tröstete ihn.

      Etwas wohler wurde ihm dann schon, als sie vor dem Tannenhof hielten. Das Gebäude verriet den Stil eines herrschaftlichen Gutshauses, mehr in die Breite, als in die Höhe gebaut, sich schön in die hügelige Landschaft einfügend, umgeben von hohen Tannenwäldern, und ganz besonders gefiel es beiden Kindern, daß ein paar putzige mittelgroße Hunde herumtollten, die zutraulich näher kamen. Von den Kindern war noch nichts zu sehen, aber Mutter Hedwig, ziemlich groß und von gemütlicher Rundheit dazu, kam ihnen entgegen und begrüßte sie mit freundlichem Lächeln.

      Es wurde zuerst viel von Dr. Norden gesprochen, dem sie ihre Gesundheit zu verdanken hätte, die ihr auch die Möglichkeit gäbe, diesen verantwortungsvollen Posten auszufüllen.

      Jochen konnte ebenso zufrieden sein wie Martina und Jobst von Tammen, denn das Haus war auch innen sehr behaglich und ganz darauf eingerichtet, daß Kinder sich wohl fühlen konnten. Es war alles vorhanden, woran sie Spaß haben konnten: ein großer Spielsaal, ein Turnsaal, auch ein Schwimmbad, eine riesige Sonnenterrasse und ein Park, in dem nichts fehlte, womit die Kinder sich die Zeit vertreiben konnten.

      »Und wo sind die Kinder?« fragte Kathrin.

      »Die sind jetzt bei einer Hochzeit, bilden sie Spalier und singen in der Kirche. Aber sie werden bald kommen.«

      »Und die Verehrerinnen?« fragte Toby.

      »Bei uns heißen sie Tanten. Sie werden euch gefallen. Euch beide wird Tante Annabel betreuen.«

      Und die gefiel dann beiden sofort. Die Kinder, vierzig an der Zahl, schauten neugierig nach den »Neuen« aus, wurden dann aber gleich in den Waschraum zitiert.

      Nur »Tante Annabel« blieb bei den Gästen. Sie war etwas mehr als mittelgroß, schlank und hatte langes blondes Haar, das zu einem Zopf geflochten war. Vielleicht sah sie dadurch jünger aus als sie war. Sie hatte ein ausdrucksvolles Gesicht, große graue Augen, die von dem langen Wimpernkranz umrahmt waren, und ein fast klassisch zu nennendes Gesicht.

      Martina faßte sofort eine spontane Zuneigung zu ihr, weil sie so unaufdringlich war und die Kinder mit einem warmen Lächeln betrachtete.

      Sie hatte eine warme, melodische Stimme. Dr. Norden war wieder einmal sehr zufrieden gewesen mit Mutter Hedwig, da sie genau die richtige Betreuerin für die beiden Kinder ausgewählt hatte.

      »Insgesamt werdet ihr eine Achtergruppe sein«, erklärte Annabel, »aber ich kann euch versprechen, daß die andern genauso lieb sind wie ihr.«

      Jochen Stahl betrachtete die junge Frau staunend. Ihre Anmut faszinierte ihn, dabei aber war sie nur auf die Kinder konzentriert, und nur mit Martina wechselte sie einige Worte.

      »Ich werde Sie jede Woche schriftlich unterrichten, wie es den Kindern geht«, sagte sie ruhig. »Würden Sie bitte Anweisung geben, an welche Adressen ich die Berichte schicken soll?«

      »Mein Papi muß nach Ägypten fliegen«, sagte Tobias.

      Zum ersten Mal sah Annabel Jochen Stahl voll an, aber ihr Blick war kühl.

      »Sie können die Berichte per Luftpost schicken«, sagte er. »Ich habe eine ständige Adresse.«

      »Wir können uns auch um Toby kümmern, falls etwas sein sollte, Jochen«, warf Jobst von Tammen ein.

      »Die Kinder werden hier bestens betreut«, sagte Annabel. »Wir haben auch ständig einen Kinderarzt, der jederzeit erreichbar ist.« Dann wandte sie sich an Martina. »Mutter Hedwig möchte noch mit Ihnen sprechen, Frau Baronin. Und ihr könnt jetzt gleich mit in den Speisesaal kommen«, sagte sie zu den Kindern. »Verabschiedet euch von euren Eltern.«

      Toby drehte sich um und warf sich in Jochens Arme. »Du schreibst mir doch, Papi«, flüsterte er.

      »Aber klar, Toby«, erwiderte Jochen, »jeden Tag.«

      »Bleib schön gesund, und ich bete jeden Tag, daß dir nichts passiert, Papi.«

      »Ich auch, mein Junge«, sagte Jochen zärtlich. »Ich weiß dich gut aufgehoben, das beruhigt mich.« Dabei warf er Annabel einen bittenden Blick zu.

      Kathrin umarmte Jobst auch, aber sie sagte nichts. Sie griff dann nur gleich wieder nach Tobys Hand. Seine andere nahm Annabel, und Kathrins Linke nahm Martina.

      »Alles recht erfreulich«, sagte Jobst rauh. »Augenblicklich sind beide hier besser aufgehoben als anderswo. Wir hätten Toby ja genommen, aber so ist es wohl doch besser. Wenn du mal hörst, daß Wellinger was passiert ist, bete für mich, Jochen.«

      »Menschenskind, mach dich nicht unglücklich«, sagte Jochen. »Das ist er doch nicht wert, daß Martina und Kathrin dann auch noch leiden müssen.«

      »Er ist es nicht wert zu leben. Für Karl Friedrich wäre es auch besser, wenn er…«

      »Hör auf, Jobst, das will ich nicht hören. Gottes Mühlen mahlen zwar langsam, aber einmal wird es auch ihn erwischen. Dazu braucht er nicht zu sterben. Wenn der Boß doch den Mut aufbringen würde, klaren Tisch zu machen, wäre alles besser.«

      »Es geht ja auch um seinen Namen. Ich verstehe ihn. Er ist ein Ehrenmann. Warum muß er mit seinem einzigen Sohn so gestraft