Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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denken wir an Chris.«

      *

      Viele sagten, daß Georgia niemals so ergreifend gesungen hätte, wie in ihrer Abschiedsvorstellung. Rom sagte sie dann ab. Es war keine Täuschung, ihre Stim-me versagte bei den Proben tatsächlich. Die seelische Belastung der letzten Monate war doch zu groß gewesen. Sie hatte durchgehalten, solange sie mußte, solange ihr die Faust im Nacken saß, und nun war sie eine schwache Frau in den Armen eines starken Mannes. Sie wollte nichts anderes mehr sein.

      Auch für Martina und Jobst kam die Nachricht von Christophs Tod wie eine Erlösung. Nie mehr würde er ihre Wege kreuzen, nie mehr Kathrins junges Leben quälen. Mochte es auch manche befremden, daß es für Christoph Wellinger kein großes Begräbnis gab, die meisten sagten, daß sie es geahnt hätten, daß er einmal so sterben würde.

      Und Martina war die erste, die erfuhr, daß es einen anderen Christoph Wellinger geben würde. Allerdings waren Karl Friedrich und Georgia längst entschlossen, ihn nur Chris zu nennen.

      »Dann hat ja Kathrin einen Bruder«, sagte Martina nachdenklich.

      »Reden wir davon lieber nicht, Martina«, sagte Georgia. »Chris wird unser Kind sein. Frieder hat recht gehabt, als er sagte, er solle die ganze Wahrheit nie erfahren. Es ist wirklich besser so. Du brauchst nicht zu fürchten, daß Kathrin zu kurz kommen wird.«

      »Guter Gott, als hätte ich das jemals gefürchtet«, sagte Martina. »Wir brauchen doch nichts. Wir sind jetzt frei von der Furcht, daß er unser Glück stören könnte. Und wir werden ein Kind haben.«

      »Wie schön«, sagte Georgia leise. »Wenn ich Frieder doch auch ein Kind schenken könnte, aber ich werde nie selbst eines zur Welt bringen können.«

      »Du hast für Chris ganz bestimmt mehr getan als manche Mutter für ihr eigenes Kind tut«, sagte Martina voller Wärme. »Ich bin wirklich sehr froh, daß du Papa so viel Glück schenkst, Georgia. Du hast auf sehr viel verzichtet.«

      »Auf nichts, was mir mehr wert gewesen wäre als dieser Mann und Chris«, sagte Georgia. »Was andere auch denken mögen, Martina, ich liebe Frieder. Ich habe nie geglaubt, daß ich einen Mann so lieben könnte.« Und nie hatte sie so schön ausgesehen wie in diesem Augenblick, als sie dies sagte. Ihre Augen leuchteten, ihr Gesicht war verklärt.

      »Was sagst du dazu, Jobst?« fragte Martina später.

      »Gegen wahre Liebe ist kein Kraut gewachsen«, erwiderte er. Und dann nahm er sie in die Arme. »Jetzt können wir Kathrin heimholen, mein Liebes. Jetzt brauchen wir auch um sie keine Angst zu haben.«

      »Sie bleibt solange, wie Toby bleibt«, erklärte Martina. »Es tut ihr ganz gut, sich einfügen zu müssen. Sie ist ja gern dort. Und wir haben auch wenig Zeit für uns allein gehabt bisher.«

      »Aber wenn sie heim will, holen wir sie«, sagte er. »Sie soll nicht denken, daß wir sie nicht vermissen.«

      *

      Aber Kathrin dachte so etwas nicht. Sie war ein fröhliches Kind geworden. Sie tobte mit den anderen herum. Sie kommandierte jetzt sogar manchmal Nadine, und sie ließ es sich gefallen. Sie rannte auch nicht mehr Toby nach, wenn sie ihn sah und er gerade mal wieder Annabel allein erwischte. Und die Zeit verging so schnell.

      Jans Tante Maxi kam auf den Tannenhof, und nun brauchte Toby nur noch eine Woche auf seinen Papi zu warten. Das wußte er ganz genau. Und doch fühlte er sich zwischen zwei Stühlen sitzend. Heim zu Papi, weg von Annabel, das brachte ihn in einen tiefen Zwiespalt.

      Was sich da in Ägypten zugetragen hatte, wußte er nicht. Einen ganz langen Brief hatte er seinem Papi geschrieben gehabt und ihm darin mitgeteilt, daß er doch nicht wolle. daß Linda von seinen Briefen erführe. Und sie solle ihm auch nicht mehr schreiben. Er hätte sie nie leiden können und würde auch kein Geburtstagsgeschenk von ihr annehmen.

      Da hatte es eine ernste Unterredung zwischen Jochen Stahl und Linda gegeben, nach der sie wußte, daß sie ihre Hoffnungen begraben konnte. Aber tief traf sie das doch nicht mehr. Sie fand ihn einfach langweilig nach diesen Wochen. Sie hatte ja auch andere Chancen und die hatte sie kräftig genutzt.

      Jochen war schlapp, mürrisch und jeder Aufmunterung abgeneigt. Man konnte auch sagen, daß er sich mit aller Energie über die Zeit hinwegrettete. Als die Maschine, die das Team nach München zurückbrachte, gelandet war, kümmerte sich Linda überhaupt nicht um ihn. Ein junger Ingenieur war es, der ihn zu einem Taxi brachte, weil er von einem Schüttelfrost hin und hergeworfen wurde.

      »Sie haben zuviel gearbeitet, Chef, aber der Boß wird zufrieden sein«, sagte Dieter Klossner.

      »Im Augenblick interessiert mich gar nichts, außer Toby und daß ich wieder zu Hause bin«, sagte Jochen müde, als sie vor seinem Haus anlangten.

      »Und Sie brauchen einen Arzt«, sagte Dieter Klossner. »Sie glühen ja.«

      »Wenn es sein muß, dann nur Dr. Norden«, murmelte Jochen Stahl, und schon sank er auf sein Bett, unfähig, auch nur die Schuhe abzustreifen.

      Dr. Norden war schnell zur Stelle. Den Weg kannte er ja. Oft genug war er schon in diesem Haus gewesen, doch diesmal wurde er nicht zu Toby gerufen, sondern zu seinem Vater, diesem starken Mann, den man sich krank gar nicht vorstellen konnte. Und wie krank er war, stellte Dr. Norden schnell fest.

      Es war eine Virusinfektion, das schien sicher, aber um welchen Virus es sich handelte, konnte Dr. Norden natürlich nicht gleich feststellen, und Jochen Stahl war jetzt zu schwach, um Fragen zu be­antworten, die schneller weiterhelfen konnten. Dieter Klossner konnte nur sa­gen, daß sich der Chef nie wohlgefühlt hätte in diesem Klima und wohl auch zu­viel gearbeitet hätte.

      Jedenfalls mußte Jochen in die Klinik gebracht werden. Er bedurfte sorgfältig­ster Pflege.

      »Toby, wie geht es Toby?« flüsterte er, als Dr. Norden ihm das sagte.

      »Gut, sehr gut sogar. Er kann ruhig noch ein paar Wochen bleiben. Machen Sie sich darum keine Gedanken.«

      Aber für den Jungen war es doch ein gewaltiger Schrecken, als Annabel ihm dann ganz behutsam beibrachte, daß sein Papi krank sei und ein paar Wochen in der Klinik liegen müsse. Dr. Norden hatte mit ihr gesprochen und ihr auch ge­sagt, daß Dr. Stahls Zustand augenblick­lich sehr ernst sei.

      »Papi war doch nie krank«, flüsterte Toby mit tränenerstickter Stimme. »Immer war bloß ich krank. Dieses blöde Ägypten. Nun will ich bestimmt nicht dahin, um mir alles anzugucken, was du erzählt hast. Warst du da auch krank, Annabel?«

      »Nein, aber ich war ja auch nur vier­zehn Tage dort.«

      »Können wir Papi besuchen?« fragte er leise.

      »Nicht gleich, Toby. Dr. Norden gibt uns Bescheid.«

      »Ich bin froh, daß wir ihn haben. Er macht Papi wieder gesund«, sagte der Junge hoffnungsvoll. »Und weil ich bei dir sein kann, bin ich auch nicht zu traurig. Hoffentlich ist er gesund, wenn ich zur Schule muß, Annabel. Ich gehe dann doch aufs Gymnasium, und da darf ich nichts versäumen. Da muß man sehr viel lernen.«

      »Es kommt schon alles in Ordnung, Toby«, sagte Annabel tröstend. »Ich nehme dann meinen Urlaub und bleibe bei dir.« Ganz spontan hatte sie diesen Entschluß gefaßt, und er blickte sie mit großen staunenden Augen an. »Das tust du, Annabel? Oh, du bist allerliebst.« Rührend klang es, wie er das sagte. »Wie lange hast du Urlaub?«

      »Vier Wochen.« Eigentlich stand ihr noch mehr zu, da sie auch im vergange­nen Jahr nur ein paar Tage genommen hatte. Aber da hatte sie Mutter Hedwig nicht im Stich lassen können, da sie zu wenig Personal hatten. Da jetzt Maxi da war und sich als sehr tüchtig erwiesen hatte, konnte sie den Urlaub nehmen. Mutter Hedwig würde dafür Verständnis haben. Sie wollte gleich mit ihr darüber sprechen.

      Als sie das Büro betrat, telefonierte Mutter Hedwig gerade mit Martina von Tammen. Annabel wollte sich zurückziehen, doch Hedwig winkte sie herbei.

      »Dann bis morgen, Frau von Tam­men«, sagte sie.

      Mit einem erleichterten Seufzer