Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 15 – Familienroman


Скачать книгу

Deshalb versuchte Denise, die junge Frau zu beruhigen. »Bitte, sorgen Sie sich nicht, Frau Saller. Kinder sind oft vorübergehenden Unpäßlichkeiten ausgesetzt, die entweder von einer leichten Erkältung oder auch von Überanstrengungen herrühren können. Aber Bärbel ist bei uns in guten Händen. Wir haben eine tüchtige Krankenschwester und eine Ärztin, die unsere Kinder laufend betreut.«

      Das beruhigte Corinna in der Tat. »Ich werde mich trotzdem zwischendurch telefonisch nach Bärbel erkundigen«, erklärte sie.

      Denise versicherte ihr, ein besonderes Auge auf Bärbel zu haben. Dann drängte Corinna zum Aufbruch. Sie erhoben sich.

      »Wir sind Ihnen zu aufrichtigem Dank verbunden, Frau von Schoenecker. Ohne Ihr großzügiges Entgegenkommen wäre es uns nicht möglich, diesen Urlaub zu verbringen«, gestand Corinna.

      Denise wehrte diesen Dank schnell ab und reichte der jungen Frau herzlich die Hand.

      »Ich wünsche Ihnen beiden frohe Urlaubstage, ausgefüllt mit interessanten Bergtouren.«

      Nach nochmaligen, ehrlichen Dankesworten verließ Corinna an Jochens Seite Sophienlust. Denise stand in der Haustür und blickte dem davonfahrenden Wagen nach. Sie hatte beobachtet, mit welchen Blicken Jochen Rauscher Corinna Saller immer wieder betrachtet hatte. Er muss sie lieben, ging es ihr durch den Kopf. Nur ein Mann, der sehr viel für eine Frau empfindet, hat diesen Ausdruck in den Augen. Ich weiß es aus Erfahrung. Dabei dachte Denise an ihren Mann und wäre am liebsten sofort nach Schoeneich gefahren, um Alexander zu sehen und ein paar Worte mit ihm zu sprechen. Doch sie wollte vorher noch einmal die kleine Bärbel sehen. Das Aussehen des Kindes bereitete ihr doch ein wenig Sorge.

      Als ihr bei den Ponyweiden, auf denen die Kinder spielten, Schwester Regine entgegenkam, schilderte Denise ihr ihre Bedenken.

      Regine nickte. »Ja, auch mir ist aufgefallen, wie blass das Kind ist. Doch das kann auch von einer vorübergehenden Unpäßlichkeit, einer leichten Erkältung oder dergleichen herrühren. Ich werde die Kleine aber trotzdem im Auge behalten.«

      Das beruhigte Denise. »Bitte, tun Sie das, Schwester Regine. Ich fahre jetzt zurück nach Schoeneich.«

      Es war Mitte Juli, eine Zeit, in der Alexander sich fast den ganzen Tag auf den Feldern aufhielt. Das bedeutete für Denise mehr Arbeit im Haus. Sie erledigte auch die Post für ihren Mann und übernahm Besorgungen, für die er keine Zeit fand.

      Als sie das Haus betrat, war Alexander gerade zum Mittagessen nach Hause gekommen. Er gab seiner Frau einen zärtlichen Kuss auf den Mund. »Nun, welchen Eindruck haben die Gäste hinterlassen?«

      Denise teilte ihm ihre Sorge um die kleine Bärbel mit. Doch auch Alexander versuchte sie mit dem Hinweis zu beruhigen, dass eine vorübergehende Erkältung diesen Zustand hervorgerufen haben könnte.

      »Herr Rauscher macht einen absolut zuverlässigen und, nebenbei bemerkt, einen sehr sportlichen Eindruck«, fuhr Denise dann fort.

      »Also, mit anderen Worten ein sympathischer Mann, der einen angenehmen Eindruck bei dir hinterlassen hat?«, neckte Alexander seine Frau.

      Denise blinzelte ihm schelmisch zu. »Die beiden würden ein schönes Paar abgeben.«

      Ein wenig überrascht drehte sich Alexander um. »Meinst du nicht, dass du da ein wenig zu weit gehst? Du kannst die beiden doch nicht miteinander verkuppeln, kaum, dass du sie gesehen hast.« Fast eine Spur von Entrüstung schwang in seiner Stimme mit.

      Da musste Denise lachen. »Wäre es denn so absurd, wenn eine junge Witwe den besten Freund ihres verstorbenen Mannes heiratete?«

      »Also, Denise!«, rief Alexander aus. »Manchmal geht deine Phantasie wirklich mit dir durch!« Nachsichtig und liebevoll nahm er seine schöne Frau in die Arme.

      Doch Denise wiegte den Kopf und beharrte auf ihrer Meinung.

      »Das nenne ich sture weibliche Intuition«, seufzte Alexander. Doch dann küsste er seine Frau und hatte Corinna Saller und Jochen Rauscher augenblicklich vergessen.

      *

      Frau Rennert hatte Bärbel inzwischen zu der dreijährigen Heidi ins Zimmer gelegt. Mit großen Augen blickte sich Bärbel um, als Schwester Regine ihr das Zimmer zeigte. »Gefällt es dir, Bärbel?«, fragte die Kinderschwester.

      »Es ist schön. Viel schöner als mein Zimmer zu Hause. Das ist nämlich nur ganz klein.« Mit tastenden Fingerchen strich Bärbel über die schöne buntgeblumte Bettdecke. Dann glitt ihr Blick zu der kleinen Heidi, die auf einem bunten Würfel aus Holz saß. Magst du mich auch?, schien Bärbels Blick zu fragen.

      Doch die putzige Heidi war froh, eine fast gleichaltrige Spielkameradin zu bekommen. Sie fasste Bärbel bei der Hand und lachte sie freimütig an. »Soll ich dir unsere Spielsachen zeigen?«

      Bärbel nickte begeistert. Ihre blassen Wangen bekamen sogar etwas Farbe. Staunend betrachtete sie die hübschen Puppen und Baukästen, die sich in einem kleinen Wandschränkchen befanden. »Gehören die alle dir?«

      Heidi schüttelte fröhlich den Kopf. »Die gehören uns allen. Auch dir.«

      Schwester Regine verließ das Zimmer. Sie war nun sicher, dass die beiden Mädchen sich vertragen würden. Bevor sie die Tür schloss, erhaschte sie gerade noch Bärbels überraschten, aber glücklichen Gesichtsausdruck, als Heidi ihr eine schöne große Puppe in den Arm drückte. Ein niedliches kleines Mädchen, fand Schwester Regine. Vielleicht hatte ihr angegriffenes Aussehen wirklich nichts zu bedeuten.

      An ihrem ersten Abend auf Sophienlust schlief Bärbel mit der schönen großen Puppe im Arm. Den ganzen Tag war sie mit den anderen Kindern im Park und auf den Ponyweiden herumgelaufen. So viel Neues hatte sie bestaunt, dass sie sofort eingeschlafen war, nachdem Frau Rennert das Licht gelöscht hatte.

      Der nächste Tag brachte Bärbel wieder ein neues Erlebnis. Die Kinder wollten zum Baden an den kleinen See gehen. Doch Bärbel hatte keine rechte Lust, mitzukommen. »Kann ich nicht lieber hierbleiben und mit den Puppen spielen?«, erkundigte sie sich schüchtern bei Pünktchen.

      »Aber dann bist du ja ganz allein, das ist doch langweilig«, gab Pünktchen zu bedenken.

      »Bärbel muss nicht allein sein. Ich bleibe auch hier und spiele mit ihr«, rief die dreijährige Heidi spontan.

      Pünktchen zuckte mit den Schultern. »Wenn euch das lieber ist? Ich werde mal Schwester Regine fragen.«

      Schwester Regine hatte nichts dagegen einzuwenden. Am liebsten wäre sie selbst ebenfalls dageblieben, um Bärbel unter Kontrolle zu haben, doch sie musste die Kinder beim Baden beaufsichtigen. Frau Rennert erklärte sich jedoch bereit, auf die beiden kleinen Mädchen aufzupassen.

      Während die anderen Kinder zum See aufbrachen, schleppten Heidi und Bärbel ihre Puppen auf den Rasen hinter dem Haus und begannen zu spielen. Frau Rennert konnte sie vom geöffneten Fenster aus sehen und achtete darauf, dass sie nicht wegliefen.

      Später übernahm Vicky, die nicht mit zum Baden gegangen war, die Aufsicht. Sie setzte sich mit einer Handarbeit zu den beiden kleinen Mädchen und verfolgte lächelnd die Gespräche zwischen der Puppenmutti und der als Kind ausgegebenen Puppe.

      Doch plötzlich beschwerte sich Heidi bei ihr.

      »Bärbel mag nicht mehr spielen, Vicky. Sie hat sich ins Gras gelegt und schläft einfach.«

      Vicky schaute hinüber. Zusammengerollt wie ein Kätzchen lag Bärbel auf der Decke und hatte die Augen geschlossen. Vicky trat zu ihr. Da schlug Bärbel die großen braunen Augen auf. »Ich bin müde«, flüsterte sie.

      »Soll ich dich in dein Zimmer bringen?«, schlug Vicky vor.

      Doch Bärbel schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht hier schlafen? Nur ein bisschen?«

      »Natürlich kannst du das. Komm, leg deinen Kopf auf das Kissen hier. Liegst du gut so?«

      Bärbel nickte und schloss wieder die Augen.

      Vicky nahm die kleine Heidi bei der Hand und ging mit ihr ins Haus.