hungern, ohne dass es ihnen bewusst ist, an alle, die das Wort nicht gehört haben, das unser Sein begründet und uns wieder aufrichtet: »Du bist für mich kostbar.« Deshalb hat sie den Film La Mante Religieuse1 gedreht hat und aus diesem Grund wird sie einen neuen Film über Jesus drehen. Und deshalb hat sie ihre Geschichte niedergeschrieben, die mit ihrem Unfall beginnt und über den Filmstart bis zur Fertigstellung von La Mante Religieuse reicht. Sie hat Berge versetzt und versetzt noch immer welche, »weil er [Jesus] so schöne Augen hat«.
»Ich bin nicht da, um zu gefallen, noch weniger, um zu überzeugen, sondern um Zeugnis abzulegen von meiner Begegnung mit dem Heiligsten Herzen Jesu, das mein Leben von Grund auf verändert hat.« Wer sie kennt, weiß, welch eine innig Liebende sie ist. Es gibt keine Lüge in ihrem Herzen und in dem, was sie geschrieben hat. Durch ihre Liebe zu Christus ist sie weder übervorsichtig geworden noch verkrampft. Durch ihre Worte klingt ihre raue Stimme, ihr prickelndes Lachen, ihre kämpferische Begeisterung, ihr Pariser Jargon durch. Das macht ihren echten Stil aus. Nehmen Sie zum Beispiel ihre Worte im Unfallauto: »Wir waren allein, abgeschnitten vom Rest der Welt, Auge in Auge mit dem Tod, der sich aufdringlich an uns heranmachte.« Man meint, man wäre in einem Krimi mit viel schwarzem Humor. Sie hat einen natürlichen Sinn für das Malerische, für Spannung und für unerwartete Wendungen, die zusammen eine fesselnde Erzählung ergeben. Gefallen will sie nicht unbedingt, aber sie schenkt uns obendrein ein Lesevergnügen, um uns zum Herzen, zum Herzen Jesu hinzuziehen.
Ihre Spritzigkeit und Komik verdecken aber nie die geheimen Regungen ihrer Seele. Den anderen gegenüber zeigt sie eine zärtliche und sensible Großzügigkeit, sich selbst gegenüber einen kindlichen Ernst, rein und streng, der beim winzigsten Detail darauf achtet, ob es dem Vielgeliebten gefallen oder missfallen könnte. Es ist unendlich kostbar, wenn man entdecken darf, wie eine Filmemacherin des 21. Jahrhunderts sich Sorgen macht, ob sie zur Kommunion gehen kann, wonach sie sich sehr sehnt, obwohl sie mit großer Verspätung zur Messe gekommen ist. Wenn sie diese Gewissensbisse mit einer solchen Einfachheit und Genauigkeit offen darlegt, dann fordert sie damit den Spott derer heraus, die sich keine Gedanken machen, träge sind und sich mit wenigem zufriedengeben. Aber einen so hohen Anspruch stellt sie nur an sich selbst, sie verpflichtet niemand anderen dazu. Sie benennt ihn, weil sie ihn lebt. Sie lebt ihn, weil sie das Herz Jesu gesehen hat. Nicht zum Lachen habe ich dich geliebt. Ihr Zeugnis zieht uns hinein in diesen Ernst der Liebe, diese Dringlichkeit, sich retten zu lassen. Dies möchte sie unbedingt und mit brennendem Herzen weitergeben.
»Man muss in einem Ausnahmezustand leben … Keine Minute ist zu verlieren.«
1Mante religieuse ist ein Begriff aus der Biologie und bedeutet »Gottesanbeterin« (lat. mantis religiosa). Der Titel des Films spielt auf diese Fangschrecke an, die mit ihren angewinkelten Fangbeinen wie in einer Gebetshaltung aussieht (daher der Name »Gottesanbeterin), sich also auf diese Weise tarnt und verstellt, damit aber zugleich auch für ihre Beute gefährlich ist, weil sie mit ihren Fangbeinen blitzschnell zuschlagen kann (Anm. d. V.).
Ein Vorgeschmack
Haben Autos »ein musikalisches Gehör«?
An diesem Tag spielte sich auf den Champs-Élysées ein fröhliches Hupkonzert ab, wie es eben bei den Pariser Verkehrsstaus üblich ist. Wie bei einer gut aufgeführten Symphonie antworteten die Autofahrer mit Achtelnoten, Sechzehntelnoten und manchmal stimmten sie sogar selbst ein, je nach dem Vermögen ihres mächtigen »Kastens«, nicht dem ihrer Autos, sondern dem ihrer Brust und ihrer Stimmbänder. Getragen von der elektrisierenden Pariser Brise hallte dieses Hupkonzert der Autos im Stimmengewirr einer Menschenmenge wider, die vor einem Kino versammelt war. Vom breiten Bürgersteig war nichts mehr zu sehen. Er war überfüllt mit Menschen, die ungeduldig darauf warteten, ihre Tickets zu bekommen.
An diesem 2. Juni 2014 fand die Vorpremiere eines kleinen Films statt, über den schon viel geschrieben worden war: La Mante Religieuse. Dieser Film, der niemals hätte das Licht der Welt erblicken sollen, wurde nun doch plötzlich in der Arena eines dunklen Kinosaals aufgeführt und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Entstehung des Films La Mante Religieuse
Rückblende
An einem schönen Nachmittag im Juli setzen sich zwei junge Frauen in ihr Auto, lassen Paris hinter sich und nehmen die Autobahn in Richtung Normandie. Eine der Frauen ist Filmemacherin und hat gerade einen berühmten Filmproduzenten getroffen, der bereit ist, ihren Film zu produzieren. Die junge Frau schwebt im siebten Himmel! »Nach all den Jahren, in denen ich geschuftet habe«, freut sie sich, »werde ich endlich meinen Kindheitstraum verwirklichen können: meinen ersten großen Kinofilm inszenieren!«
Eine der beiden glaubt an Gott, die andere nicht. Obwohl sie vollkommen unterschiedlich sind, verbindet diese beiden Komplizinnen eine echte Freundschaft. Sie gehören zu dem Schwarm von Menschen, die früher in Paris gewohnt haben, nun aber »die Kühe der Normandie« gegen die »die Wölfe von Paris« ausgetauscht haben.
Beide freuen sich darüber, dass sie jetzt beisammen sind und ihre Ideen austauschen und gemeinsam über diese Welt philosophieren können, die immer schwieriger zu verstehen ist. Die gläubige Filmemacherin lässt bei einem solchen Tête-à-Tête niemals die Gelegenheit aus, der Ungläubigen von Gott zu erzählen. »Sie mit Religion zu nerven«, würde die andere verbessern. Eine Stunde Fahrt im geschlossenen Wagen war eine Gelegenheit, die man auf keinen Fall verpassen durfte. Ihre arme Freundin, die am Steuer saß, fühlte sich dem Martyrium nahe, und da sie es nicht mehr aushielt, wechselte sie vom Zustand der Ungläubigkeit in den einer überzeugten Atheistin.
»Weißt du, meine Liebe, wir sind nur vorübergehend auf der Erde«, warf die Filmemacherin plötzlich ein.
Ihre Freundin runzelte die Stirn. Solche Redewendungen kannte sie nur zu gut, da sie eine lange Erklärung über Glauben und die Dringlichkeit der Umkehr ankündigten. Sie musste schnellstens reagieren, um den Wortschwall zu stoppen, den ihre begeisterte Mitfahrerin über sie ergießen würde.
»Bitte, lass mich damit in Frieden. Du hast gute Neuigkeiten, du wirst endlich deinen Film drehen können, also please … Mit deinem Gott verdirbst du die Stimmung! Offen gestanden, es ist nicht leicht mit dir.«
Die Filmemacherin schwieg drei Sekunden lang, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen.
Wenn Frauen schon üblicherweise wissen, wie ein Gespräch fortgeführt werden soll, dann Filmemacherinnen erst recht – und ganz besonders diese hier.
»Dich in Frieden lassen? Kommt gar nicht infrage!«
Plötzlich begann ihre Freundin, an Reinkarnation zu glauben, da sie überzeugt war, dass sie in ihrem vorherigen Leben ein schreckliches Weibsbild gewesen sein musste, wenn sie jetzt eine solche Begleiterin verdient hatte.
»Der Sinn des Lebens, das ist Gott«, fuhr die von ihm Begeisterte unerschütterlich fort. »Alles andere ist nur eine Illusion, die uns vom Wesentlichen abhalten möchte, von IHM.«
»O. k.! O. k.! Ich werde darüber nachdenken, aber ein anderes Mal«, erwiderte die leidgeprüfte Atheistin und hoffte, dass dieser kleine Ansatz ihres offensichtlich guten Willens die nach Gott Hungernde beruhigen würde.
»Ein andermal ist es vielleicht zu spät.«
Die Fahrerin drückte aufs Gaspedal, um einen nicht enden wollenden Lkw mit Anhänger zu überholen.
»Wer sagt dir, dass nicht heute der letzte Tag deines Lebens ist?«, entfuhr es der »prophetischen Filmemacherin« wie ein Orakel.
Im selben Augenblick – wie eine taktlose Antwort auf die Frage – machte der Zehntonner einen schlechten Scherz, rammte ein Auto und schleuderte es mitten auf ihre Windschutzscheibe. Wie ein wildes Tier, das von nirgendwoher gesprungen kam, warf sich der Kombi Marke »Todesreiter« mit ausgefahrenen Krallen und seiner ganzen Karosserie auf die beiden Schwatzbasen. Ein Tsunami von Stößen, einer heftiger als der andere, warf ihr Auto an die Leitplanke auf