Kay-Sölve Richter

Viel mehr als nur Körpersprache – Executive Presence


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Gedanken an die Hand zu geben, wie Sie als Führungskraft eine »Videokonferenzkultur des Integrierens« (statt Isolierens) etablieren können.

      Vorab einige Stichworte zur erforderlichen Vorbereitung jeder Videokonferenz – mit diesem zentralen Grundgedanken:

       Ob Homeoffice oder Meetingraum – für die Dauer der Videokonferenz ist Ihre Umgebung Ihr Studio

      Daher sollten Sie alle Vorbereitungen treffen, die auch in einem echten Studio getroffen werden – angefangen bei der richtigen Ausleuchtung. Tageslicht ist meistens eine gute Wahl, solange Sie sich nicht mit dem Rücken vor das Fenster setzen (Schattenmann-Effekt). Von Fotografen und Kamerakollegen hört man gerne den Satz »Vordergrund mach Bild gesund« – in Videokonferenzen sollten Sie aber auch den Bild-Hintergrund nicht vernachlässigen. Er sollte möglichst neutral und »aufgeräumt« sein, dadurch nicht von Ihren Aussagen ablenken und vor allem keine unerwünschten Botschaften senden. (Die Kraft des Bildes: Nach einem ZDF-Interview mit Friedrich Merz wurde in verschiedenen Medien vor allem über die Proseccoflasche im Regal hinter ihm gesprochen.6) Sind Sie regelmäßig in Videokonferenzen unterwegs, empfiehlt sich eine feste, definierte Position für Laptop / Hintergrund, das spart Vorbereitungszeit. Leitung, Ton und Bild unbedingt vorher (!) testen; die Technik ist Mittel zum Zweck und sollte nicht zum Diskussionsgegenstand werden. Geht während der Datenübertragung doch einmal etwas schief (Netzstörung, Leitungsprobleme, Tonpannen), sprechen Sie dies offen an. Ein oder zwei Testdurchgänge können helfen, Ihre Konzentration weg von der Technik und den ungewohnten Begleitumständen, hin zu Ihren eigentlichen Botschaften zu lenken.

      In Telefon- und Videokonferenzen spielt der Ton eine entscheidende Rolle. Alle möglicherweise auftretenden Störgeräusche sind daher zu vermeiden (konkret: Bürotür abschließen, Telefone ausschalten). Insbesondere Geräusche, die sich aus dem Bildausschnitt nicht erschließen (läuft da etwa die Waschmaschine?) und die der Betrachter nicht zuordnen kann, wirken irritierend. Ein klickender Kugelschreiber macht eine Botschaft möglicherweise unhörbar, denn anders als das menschliche Ohr filtert das Mikrofon die unwichtigen, störenden Geräusche nicht heraus. Sprudelndes Mineralwasser oder eine knisternde Kekspackung? Keine gute Idee. Und schließlich gilt, wie bei jedem echten Studioauftritt, auch im Homeoffice: Schweißperlen auf der Stirn (durch zu helle / warme Lampen, Anspannung, schlechte Luft) zu kaschieren, ist kein Beleg für Eitelkeit, sondern für Professionalität. Wer bei seinen eigenen Argumenten – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Schwitzen kommt, liefert kein überzeugendes Bild. Es muss nicht gleich die Visagistin kommen, ein trockenes Küchentuch und etwas Puder – ja, auch für die Herren der Schöpfung – helfen bereits.

      Und damit sind wir bei unseren »Big Four der Präsenz«. Welche Rolle spielen Struktur, Haltung, Sprache / Stimme und Körpersprache in der Videokonferenz?

       Stichwort Struktur: Ohne sie versinkt jede Videokonferenz im Chaos

      Teilnehmer brauchen oft sehr viel mehr Konzentration, um einer Konferenz am Bildschirm zu folgen. Umso wichtiger ist es, die einzelnen Wortbeiträge kurz, klar und strukturiert zu halten. Ansonsten laufen Sie Gefahr, dass Ihre Botschaften untergehen.

      Für die Konferenzleitung gilt es, jeden Teilnehmer abzuholen und mitzunehmen und immer wieder klare Orientierungspunkte zu setzen (»Bisher haben wir besprochen«, »Wir sind jetzt an dieser und jener Stelle«). Wer einmal den Anschluss an die Diskussion verliert und draußen ist, kommt nur schwer wieder hinein.

      Lieber einmal zu viel als zu wenig: Zwischenfazits und Ergebnisse deutlich vernehmbar zusammenfassen, Ausblicke geben. Das gilt für Sie als Teilnehmer einer Konferenz, insbesondere aber, wenn Sie die Leitung innehaben.

       Schaffen Sie aktiv Absätze und auch den (Zeit-)Raum, in dem Teilnehmer ein paar Sekunden über eine Antwort nachdenken können.

      Wichtiges Strukturelement jedes Vortrages und jeder Präsentation sind: Pausen. In Videokonferenzen wird deren Bedeutung allerdings oft sträflich vernachlässigt. Schaffen Sie aktiv Absätze und auch den (Zeit-) Raum, in dem Teilnehmer ein paar Sekunden über eine Antwort nachdenken können. Gerade Stille brauchen Stille – sonst bleiben sie stumm. Und so gehen oft wertvolle Anregungen verloren.

      Pausen sind in jedem Setting entscheidend, wenn es darum geht, die wichtigen Aussagen zu betonen. Sie strahlen damit Ruhe und Souveränität aus. Auch im Rahmen einer Videokonferenz kann es ein starkes Stilmittel sein, nach einer zentralen Botschaft einen kurzen Moment nichts zu sagen.

      Und ein letzter »Pausen-Hinweis«: Planen Sie auch eine kurze Auszeit zwischen zwei Videokonferenzen ein. Von einer virtuellen Konferenz pausenlos in die nächste zu springen, wird Ihnen langfristig nicht guttun.

      Zur Struktur gehört auch die Absprache über Redeanteile und Reihenfolge. Von einem unverständlichen Durcheinander profitiert niemand, dafür ist Ihre Zeit zu schade. Planen Sie bei einer Konferenz mit mehreren Teilnehmern einen Moderator ein, dessen Aufgabe es ist, Struktur zu geben und Redebeiträge zu kanalisieren.

       Stichwort Haltung: Wie Sie die Balance aus Klarheit und Empathie finden

      Ganz grundsätzlich gilt: Begegnen Sie einander auf Augenhöhe. Platzieren Sie Ihre Laptopkamera daher so, dass Sie in einer horizontalen Linie in das Objektiv schauen und Ihre natürliche Position nicht beeinträchtigt wird. Das Smartphone, falls Sie mit diesem konferieren, gehört auf ein Stativ. Gerade in einem engen Bildausschnitt wirken Maulwurfoder Vogelperspektive ansonsten entweder devot (Sie schauen von unten herauf und machen sich klein) oder arrogant (Sie schauen von oben auf Ihr Gegenüber herab).

      Das Setting Videokonferenz verleitet manche Teilnehmer unbewusst zu einer Art »Verkündigungshaltung«. Häufig hören wir Statements, die fast schon präsidial daherkommen. Genau wie bei guten Präsentationen und Vorträgen sollten Sie Ihre Worte in Mikrofon und Laptopkamera jedoch eher als ein Gespräch begreifen.

      Machen Sie sich bewusst, dass die wichtigen nonverbalen Signale unserer Kommunikation auf dem Tablet schnell unsichtbar werden. Es fehlt die optische Rückmeldung über eigene Wortbeiträge (ein zustimmendes Nicken, ablehnendes Kopfschütteln etc.), was bei vielen für Unsicherheit sorgt. (»War das jetzt gut, was ich da gesagt habe, oder völlig daneben?«) Sprechen Sie ein klares Feedback auch aus; Daumen hoch – das allein reicht nicht. Chats, Fragerunden, Abstimmungen und Kommentare sorgen für Interaktion und nehmen Unsicherheiten.

      In analogen Konferenzen können sich introvertiertere Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch eine kleine Geste (Meldung, im Stuhl aufrichten, räuspern) bemerkbar machen, bevor sie eine Wortmeldung abgeben. Im virtuellen Raum haben sie mit diesen Signalen keine Chance durchzukommen. Ergebnis: Die Stillen bleiben still und wertvolle Meinungen gehen unter. Die Videokonferenz ist in gewisser Weise ein gefährlicher Ort, in dem Machtstrukturen sich sehr schnell verstärken. Als Konferenzleiter ist es Ihre Aufgabe, die Dauerredner und Lautsprecher zu bremsen und die Zurückhaltenden aktiv zu integrieren, statt sie zu isolieren.

      Videokonferenzen verlangen von Ihnen, als Führungskraft, ein hohes Maß an Empathie. Verbalisieren Sie Ihre Wertschätzung. Lob, Motivation, Zustimmung werden nicht empfangen, wenn Sie sie nicht klar benennen.

       Stichwort Sprache und Stimme: Wo nonverbale Zwischentöne fehlen, wird jedes Wort noch wichtiger

       Begreifen Sie die Kommunikation in der Videokonferenz als echtes Gespräch, nicht als Bühne für offizielle Statements.

      Ein Ratschlag, der in diesem Buch immer wieder an den verschiedenen Stellen auftauchen wird: Bleiben Sie in Ihrer Sprache, das schützt vor Versprechern und Blackouts. Begreifen Sie die Kommunikation in der Videokonferenz als echtes Gespräch, nicht als Bühne für offizielle Statements. Aktiv statt passiv in den Formulierungen, Verben statt Substantive, kurze Hauptsätze statt komplizierter Nebensatzkonstruktionen. Was für jede gute Präsentation gilt,